Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von der Mittagsrunde: Sexspielzeug

Die Mittagsrunde tagt mal wieder und die Damen sind in Form. Wir haben bereits Namen für Geschlechtsorgane und Käuflichkeit beim Sex behandelt. Ich habe für allgemein schockierte Gesichter gesorgt, weil ich mich dazu hinreissen habe lassen, zu erwähnen, dass ich auch Frauen küsse. Nun sind wir beim Thema Sexspielzeug angekommen. Man sollte meinen, dass dieses Thema relativ unverfänglich ist. Aber ich schaffe es auch hier, mich zielgerichtet in das erste Fettnäpfchen zu manövrieren, das mir über den Weg läuft. Diesmal bin allerdings nicht ich es, die in pikierte Gesichter guckt: Stattdessen bin ich diejenige, die maximal verwirrt in die Runde blickt. Ich befürchte, in diesem Moment gebe ich ein lustiges Bild ab, denn meine Überraschung und meine Ungläubigkeit kann man mit Sicherheit an meinem Gesichtsausdruck ablesen. Um ehrlich zu sein: Auf das soeben gesagte komme ich gar nicht klar. Überhaupt nicht. Gar kein bisschen. "Ich wusste gar nicht, dass es noch Frauen gibt, die keinen Vibrator haben..?", frage ich völlig perplex.

Plötzlich ist es ziemlich still im Raum. Bis schließlich eine der Damen das Wort ergreift.
"Ich brauche keinen Vibrator", wendet sie sich an mich, "Ich habe das nicht nötig." Ich bemerke den typisch weiblichen Seitenhieb, der ja nun nicht sonderlich subtil daherkommt, übergehe ihn aber. Stattdessen antworte ich, ohne darüber nachzudenken:
"Aber es geht doch nicht darum, dass man das braucht? Es geht darum, mit sich selbst Spaß zu haben? Sich etwas Gutes zu tun? Maximale Befriedigung zu erreichen?" Ich habe Lust, noch etwas von Entspannung und einer gesunden Beziehung zu sich selbst anzuführen, beiße mir aber heftig auf die Unterlippe, um mich nicht noch weiter aus dem Fenster zu lehnen. Wenn ich nämlich ehrlich wäre, dann müsste ich zugeben, dass ich Selbstbefriedigung definitiv brauche. Und nicht missen will.
"Ich kann mich doch von einem Mann befriedigen lassen.", stellt sie fest, "Dass ist doch eh besser."
"Hast du immer einen Mann an deiner Seite, wenn du einen brauchst?", frage ich und spüre, wie meine rechte Augenbraue nach oben zucken will. Ich lasse mir die Haare ins Gesicht fallen.
"Meistens.", bekomme ich zur Antwort. Weil es mir fern liegt, jemandem hier auf die Füße zu treten, beschließe ich, dass Thema einfach unauffällig zu Ende zu bringen. "Naja", lenke ich lächelnd ein, "Es kann ja auch jeder seine Sexualität ausleben, wie er es mag." Bemüht beiläufig und nur ein ganz kleines bisschen provokativ,  füge ich hinzu: "Wer braucht denn auch schon Vibratoren? Es gibt so viel bessere Sexspielzeuge..." Ein paar neugierige Gesichter starren mich an. Ich kann sehen, wie gerne sie fragen würden. Aber dann müssten sie ja zugeben, dass das Thema sie doch interessiert. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, schließe die Augen und kichere leise in mich hinein.


Zu gerne würde ich mal in die Gesichter dieser Runde sehen, wenn ich aufzähle, was ich alles an Sexspielzeug Zuhause horte.Vermutlich würden sie mich für verrückt, sexsüchtig und pervers erklären. Aber vielleicht hätte ich, würde man mich einweisen lassen, ja die Chance auf eine Zelle mit Doppelbelegung. Dann wäre das halb so wild. Weniger Arbeit, mehr Sex. Wenn ich mehr darüber nachdenke, klingt das eigentlich ganz wunderbar.

Kommentare

  1. Oh mein Gott. Im 21. Jhd. haben Frauen tatsächlich noch so was wie Schuldgefühle wenn sie gerne Sex haben, auch mit sich selbst. "Ich brauche das nicht" sagt doch alles über die verklemmte, verschämte Einstellung.

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    1. Überraschend, nicht wahr? Aber irgendwie auch okay, finde ich. Man sollte das tun, womit man sich wohlfühlt.

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  2. Bin mir nicht mal sicher, ob es wirklich Schuldgefühle sind, die da gezeigt wurden.
    Intuitiv (und ohne dabei gewesen zu sein) würde ich auf etwas tippen, was man recht häufig in Frauengrüppchen feststellen kann.
    Nämlich das sich-über-die-Andere-erheben, auch unter Freundinnen!
    Das Nichteingestehenwollen eines mutmaßlichen Bedarfs (oder einer Schwäche).

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    1. Definitiv: Was Rain sagt! Wie sollte es auch anders sein? :-)
      Aber vielleicht ist es sinnvoll, sich über solche Dinge einfach hinwegzulächeln.

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  3. Na da scheinen Sie ja in ein leicht antquarisches Wespennest gestochen zu haben! Das Wollen wäre da sicher vorhanden, aber "das tut man/frau doch nicht" ist, zumindest in der Öffentlichkeit, scheint da stark vertreten zu sein...

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    1. Ich glaube auch, dass das Wollen grundsätzlich vorhanden ist. Umso seltsamer (bzw. selbstdisziplinierter) und erstaunlicher finde ich es, dass diesem Wollen nicht einfach nachgegeben wird, denn das wäre so naheliegend.

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