"Ich habe eine Lieblingsgeschichte. Ein Mann und eine Frau
lernen sich in einem Hotel kennen, das ein Treffpunkt für
Alleinstehende ist. Sie tanzen miteinander am Samstagabend. Er sagt:
'Ich bin nur dieses eine Wochenende hier.' Sie antwortet: 'Ich tanze
so schnell ich kann.'"
(Barbara Gordon: Ich tanze so schnell ich kann)
Irgendwas läuft schief. Alles geht zu schnell und nach einem
Essen bei einem Italiener landen wir im Hotel. Ich erinnere mich an
Bruchstücke. Seine Hand in meiner Hose, die gute Rasur lobend. Und
auf meinem Bauch. Den ich nicht einmal selbst gerne berühre,
geschweige denn gerne durch einen anderen Menschen anfassen lasse.
Die Panik mit einem Mann zu schlafen, der mir zwar vertraut, aber
irgendwie in seiner Körperlichkeit auch fremd ist. Die Art, wie er
mich von sich wegdrückt. Das Hinausbugsieren. Die Enttäuschung, die
in seinem Blick liegt, werde ich niemals vergessen. Ich kann mich
erinnern, dass ich, nachdem ich verabschiedet wurde, ein paar Momente
im Flur des Hotels stehe. Mit dem Drang, umzukehren und erneut an
seine Tür zu klopfen, kämpfend. Aber ich entscheide mich dagegen.
Weglaufen ist so viel einfacher. Ich gehe zur Bahn, fahre heim und
rede mir dabei ein, dass ich mir dieses Gefühl, eine Enttäuschung
zu sein, einbilde. Doch als ich auf meine Nachrichten keine Antwort
mehr erhalte, intensiviert sich mein Fühlen.
Am nächsten Tag bestätigt sich das vage Gefühl in Form einer
ziemlich zielsicher platzierten, verbalen Ohrfeige. Die in ihrer
Wucht so heftig ist, dass ich es am Abend nicht aushalte alleine zu
sein und mich stattdessen völlig verwirrt durch die Stadt treiben
lasse. Solange bis ich weder das Viertel noch die Straßen kenne. Ich
verlaufe mich. Dabei versuche ich die ganze Zeit zu rekonstruieren,
was passiert ist, analysiere mein Verhalten bis in die kleinsten
Details, versuche zu verstehen, was ich getan habe. Aber es gelingt
mir nicht. Überhaupt nicht. Ich habe keine Erklärungen. Aber eine
Rasierklinge. Also kompensiere ich Unverständnis mit Selbsthass.
Wochen später lasse ich alles, was mich an diesen Abend erinnert,
verschwinden. Ich beschließe, jede Erinnerung daran auszuradieren.
Heute gibt es die Möglichkeit, dieses Treffen zu wiederholen. Das
ruft verschiedene Gefühle in mir hervor: Zuneigung, Lust und Neugier
kribbeln sich durch meinen Körper. Aber ich bin auch zutiefst
verunsichert. Drei Jahre später bin ich weder jünger noch schöner
geworden. Dafür haben sich meine Gefühle intensiviert. Dennoch habe
ich nicht vergessen, wie nachhaltig verletzt ich nach dem letzten Treffen war.
Wie es mich verändert hat. Ich habe Angst. Wirklich Angst. Denn er hat ein gutes Gespür dafür,
wo er die Fingerspitze hinlegen muss, damit es wirklich weh tut. Zu
gut.
Und ich frage mich, ob es nicht Selbstbetrug ist, einem Treffen
eine zweite Chance zu geben. Denn wir hatten unsere Chance. Und ich
war die falsche Person. Daran gab es keinen Zweifel. Ich war anders
als erwartet, habe Fehler gemacht, war zu sensibel, zu kompliziert,
zu verklemmt, zu wehrhaft, zu verständnislos und vermutlich noch
vieles mehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus einer Person, die man
nicht gesucht hat, der Mensch wird, den man finden wollte, ist doch
verschwindend gering, nicht wahr?
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