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Es werden Posts vom März, 2022 angezeigt.

Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Winter

"Das habe ich nie vergessen: Dass man liebt, um die Kälte zu vergessen und den Winter zu vertreiben." (Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt)  Es war ein langer, dunkler Winter. Voller verstörender Diagnosen, Corona, Krieg und anderer Absurditäten. Wie dunkel er tatsächlich war, fällt mir erst langsam auf, weil ich allmählich das Gefühl habe, dass es mir besser geht. Was irgendwie lustig ist. Weil es mir immer noch nicht gut geht. Obwohl ich mir das oft glauben mache und überzeugt davon bin, während ich mich im Alltag verliere. Manchmal glaube ich, dass ich die Tiefe des Lochs, in dem ich feststecke, erst erkenne, wenn ich es hinter mir gelassen habe... Dabei versuche ich mich an den guten Dingen festzuhalten:  Meine Liebsten und ich sind gesund oder gerade dabei, den bösartigen Tumor loszuwerden. Ich wohne traumhaft schön. Der neue Job ist durchaus fordernd, aber noch nicht überlastend. Und es gibt keine Rufbereitschaft mehr. Finanziell laufe ich am Limit, komme aber zurech

Von Tagebuchsachen

(Vielleicht nichts für schwache Nerven.) Heute Morgen, als ich zur Arbeit gefahren bin, musste ich daran denken, wie friedlich mein Leben geworden ist, seitdem ich den Job gewechselt habe. Erst jetzt wird mir langsam klar, wie sehr mir diese Jahre emotional und körperlich zugesetzt haben. Eine leichte Ahnung davon beschlich mich bereits, als ich direkt nach der Zusage für den neuen Job erst einmal krank wurde. Und zwar nicht für ein oder zwei Wochen, sondern gleich so richtig, über mehrere Wochen. Es ging einfach gar nichts mehr. Totalausfall. Wenn ich jetzt an diese Arbeit zurückdenke, frage ich mich ernsthaft, wie ich das so lange mitmachen konnte. Dieser ständige Leistungsdruck von allen Seiten, die stetige schlechte Laune, die nach unten weiter gereicht wurde, schneller, höher, weiter. Die unbezahlte Rufbereitschaft: Aller zwei bis drei Wochen für 7 Tage rund um die Uhr, ohne Freizeitausgleich. Aber vor allem: Die Geschichten. Ich habe ein bisschen das Gefühl, als würde erst jetzt

Von Müll-Momenten

Manchmal komme ich, spät am Abend, auf die Idee, den Müll rauszubringen, so wie eben. Und dann stehe ich plötzlich in der eisigen Kälte und schaue fassungslos in den Himmel. Hier, auf dem Land, mitten im Nichts, sieht man so unfassbar viele Sterne. Ich weiß nicht, ob ich jemals zuvor in meinem Leben so viele Sterne gesehen habe.  Wie kann etwas so schön sein?  Und wie kann es dennoch so viel Hässlichkeit auf dieser Welt geben? Fassungslos bleibe ich zurück, den Müllbeutel noch immer in der Hand. Mein Atem malt kleine Wolken in die Winterluft und der Hahn der Nachbar fällt wieder einmal aus der Rolle. Euphorisch kräht er seine Begeisterung in die Dunkelheit. Und einfach alles an diesem Moment ist perfekt.