Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Tag

Um 4:00 Uhr morgens gebe ich den Versuch einzuschlafen auf. Ich habe rasende Kopfschmerzen. Solche von der ich-könnte-eine-Migräne-werden-also-rühr-dich-nicht-sonst-zeige-ich-dir-mal-was-richtige-Schmerzen-sind-Art. Mit halbgeschlossenen Augen mixe ich mir einen Medikamentencocktail und verziehe mich aufs Sofa. Den Rest des Morgens verbringe ich damit, Blogs zu lesen. Bis mir um kurz vor 6:00 Uhr nochmal für einen Moment die Augen zufallen.

Um die ganze Arbeit bewältigen zu können, bin ich eher auf der Arbeit verabredet. Wer ist pünktlich da? Ich. Wer fehlt? Richtig. Der Rest. Zwar kann ich die Augen kaum aufhalten und die Vorstellung, noch fünf Arbeitstage vor mir zu haben, lässt mich frösteln, aber ich versuche mein Glück. Im Laufe des Tages ziehe ich mich immer weiter in mich selbst zurück. Ich grummle und schimpfe in mich hinein, fülle mich mit Kaffee ab und benehme mich wie Oskar aus der Tonne, dem ich heute sowohl innerlich als auch äußerlich gleiche. Nur dass man mir eben meine Tonne, meinen Schutz entzogen hat und ich mich heute vor der ganzen Welt nackt und verletzlich fühle. Auch beim Mittagessen merke ich schnell, dass ich Gesellschaft nicht ertragen kann. Die Mädels tratschen über verheiratete Männer und Affären, belegen wilde Trennungsthesen mit absurden Prozentzahlen und schwören einhellig, niemals zu betrügen. Ich kann mir den ganzen Blödsinn nicht anhören. Das tut mir weh. Also schnappe ich mir mein Essen, trete auf den Balkon hinaus und klettere über dessen Brüstung auf das Dach. Ganz an den Rand des Daches ziehe ich mich zurück, bin dankbar dafür, dass meine Kollegen mir auch mal einen rabenschwarzen Tag erlauben, dass ich seltsam sein darf und beobachte die dicken, dunklen Wolken über mir, die den Sturm ankündigen. Nachmittags lasse ich mich von meiner Chefin anzicken. So richtig. Mir fehlt nur ein Hauch, um die Selbstkontrolle zu verlieren, Konter zu geben und ihre Autorität infrage zu stellen. Aber ich kann mich zusammenreißen. Mehr oder weniger. Vielleicht nur weniger. Ich bin nicht nett. Weil ich zurück zicke. Auch die ausgeglichensten und optimistischsten Menschen der Welt dürfen mal zicken. Finde ich. Glaube ich. Hoffe ich.

Abends, als ich gerade Zuhause angekommen bin und meinen Schmuck ablege, um in den Feierabend zu starten, klingelt das Notfalltelefon. Erst findet mein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz nicht, dann weigert sich der Schichtleiter den Mitarbeiter zu suchen und schließlich bin ich es, die noch einmal in ihre Klamotten springt, um loszufahren und die Dinge zurechtzurücken. Gerade als der Mitarbeiter dabei ist zu türmen und nach Hause zu laufen, entdecke ich ihn, aus dem fahrenden Auto heraus, wende und sammle ihn ein. Ich liefere ihn ab. Langsam und schlurfenden Schrittes macht er sich auf den Weg zu seinem Arbeitsplatz. Ich sehe ihm hinterher. Er ist kein unbeschriebenes Blatt. Ein bisschen angefressen grüble ich darüber nach, dass mein spontaner Feierabend-move ihm gerade den Job gerettet hat. Und dass ihm ein bisschen mehr Motivation wirklich gut stehen würde. Dann mache ich mich auf den Heimweg. Den Kopf voller Gedanken, die irgendwie nicht aussprechbar sind. Furchtbar dünnhäutig. Ich habe das Gefühl, dass jeder Aussenreiz direkt auf meine Nerven trifft. Manchmal neige ich dazu, diesem dämlichen HSP-Test fast zu glauben.

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