Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Aussprache

Erst zwei Stunden nach dem Gespräch begreife ich, dass ich seit Jahren täglichen Umgang mit jemandem pflege, der mir Angst machen sollte. Und obwohl ich der größte Feigling der Welt bin, obwohl absolut alles es vermag, mir Angst einzujagen, empfinde ich ausgrechnet diesem Menschen gegenüber keine Furcht. Die Auflistung der Straftaten ist ein paar Seiten lang. Und es ist keine einzige Banalität darauf zu finden. Dennoch spüre ich eine Art Gottvertrauen: Ich fühle mich aufgehoben bei ihm. Das Gefühl, dass ich ihn um Hilfe bitten könnte, wenn ich sie bräuchte, vermittelt mir Sicherheit. Auch wenn ich niemals - nie - in dieser Art und Weise Schulden machen würde. Und überhaupt kein Freund von Angst, Vergeltung oder Gewalt bin. Ich vertraue auf seine Loyalität. Heute versichert er sie mir.
"Ich bin loyal.", sagt er, "Ich mag dich."
Seine Worte überraschen mich nicht.

Später ruft er noch einmal an. Er scheint ein feines Gespür für das zu haben, was mich ängstigt. Er versichert mir, dass alles, was ich ihm anvertraue, bei ihm bleibt. Ich habe das Gefühl, dass er versucht, mir die Angst vor sich zu nehmen. Dabei habe ich keine Angst. Einzig das Wissen darum, dass ich der Grund dafür bin, dass einem anderen Mensch kein ernsthafes Leid zugefügt wird, bereitet mir Sorge. Diese Verantwortung möchte ich nicht tragen.
Was ist, wenn ich nicht bleibe und damit meine Stelle als Puffer zwischen ihm und diesem anderen Menschen aufgebe?

Ich weiß jetzt, dass ich ihn mir niemals in meinem Leben zum Feind machen darf.
"Wir beide", sagt er, "Wir werden nie ein Problem mit einander haben. Alles ist gut."

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