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Es werden Posts vom April, 2022 angezeigt.

Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von den Komplimenten der letzten Tage

Mein oberster Chef: "Sie scheinen wirklich gute Arbeit zu machen. Der Abteilungsleiter von X grüßt mich jetzt immer viel freundlicher, wenn ich ihn in der Kantine treffe. Das ist toll!" Meine Abteilungsleiterin: "Ich war gestern in einer Besprechung mit der Abteilung X. Ich wollte dir nur sagen, dass die dich alle in den höchsten Tönen loben! Sie sagen, sie fühlen sich in ihrer Personalnot ernst genommen und dass du ihre Vakanzen sehr schnell bearbeitest, zuverlässig bist, flexibel im Finden von Terminen und ausnahmslos freundlich. Sie waren wirklich sehr begeistert!" Ein anderer Abteilungsleiter: "Frau Muschelmädchen, man merkt richtig, dass es im Personalteam Änderungen gab. Seitdem sie da sind, habe ich das Gefühl, dass personaltechnisch endlich mal was passiert!" Und mein Lieblingskompliment, von einem noch anderen Abteilungsleiter in einer Runde voller Abteilungsleiter: "Frau Muschelmädchen, ich möchte die Gelegenheit nutzen und ihnen einfach mal

Von den drei U's

Es ist nicht gut, dass ich mich so ausgehöhlt fühle, nachdem ich ein paar Tage mit meiner Familie verbracht habe. Und trotzdem entscheide ich mich hin und wieder dazu. Dann bin ich jedesmal voller Vorfreude und mir sicher, dass es dieses Mal anders wird. Nur um dann wieder auf den Boden der Tatsachen zu landen. Es ist so: Gefühlt bin und bleibe ich das Kind meiner Familie, egal wie alt ich bin. Und als dieses fühle ich mich ungeliebt. Nicht von meinem Eltern. Meine Mama und mein Papa sind großartig. Aber vom ganzen Rest. Warum haben die mich nicht lieb? Warum interessieren die sich nicht für mich? Warum bin ich denen so egal? Das sind die Fragen, die an mir nagen, seitdem ich wieder Zuhause bin. Meine Familie kennt mich nicht. Und würde ich heute sterben, hätte ich Angst vor der Grabrede. Denn was will man schon über jemanden sagen, von dem man nichts weiß.  Nichts, was ich tue, scheint gut genug für meine Familie zu sein. Auch nicht die Bilder, die ich male. Erst ist man hellauf begei

Von Geistern

Die letzte Nacht war unfassbar dunkel und viel zu lang. Noch immer kitzeln mich die Geister. Sie ziehen an meinen Haaren, flüstern mir Dinge ins Ohr, umarmen mich kalt und fest und lachen ob der Mauern, die ich innerlich gebaut habe. Sie hämmern und kratzen und poltern. Nur langsam verlieren sie im Licht des Tages an Macht. Lässt die Intensität ihrer Berührungen nach. Jetzt fühlt sich mein Körper schmerzhaft verkrampft an. Alles ist müde. Vom kämpfen. Arme, Beine, Augenlider. Es gruselt mich jetzt schon vor der kommenden Nacht. Ich erinnere mich an ein Spiel, dass ich früher immer mit T. gespielt habe, wenn es einem von uns nicht gut ging. Derjenige, der sich verloren fühlte, schrumpfte sich gedanklich auf die Größe einer Stecknadel und rollte sich, in unserer Vorstellung, in der Schlüsselbeinkuhle des anderen zusammen. Dort, in der Herznähe des anderen, so stellten wir es uns vor, wäre es warm, geborgen und sicher. Und auch wenn das wie ein sehr seltsames, viel zu verrücktes Gedankenk

Vom Begehren

Ich ertappe mich dabei, wie sich mein Kopfkino verselbständigt. Genervt verdrehe ich die Augen und beiße mir fest auf die Unterlippe, entschlossen jegliche Lust zu unterbinden. Aber das hilft nicht. Im Gegenteil: Der süße Schmerz macht Lust auf mehr. Und so rutsche ich unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Unfähig ordentlich zu arbeiten und unfähig, mich auf die Lust einzulassen, die unbefriedigt in mir hochbrandet.  Ich merke, wie ich wütend werde. Sag mal, irgendwann, am Ende unseres Lebens, wenn unsere Körper runzelig und unsere Lebenspartner verstorben sind, wirst du mich dann endlich ficken? Wirst du dann deinen Kopf zwischen meinen Schenkeln vergraben und mich deine Zunge spüren lassen? Wirst du mich dann über deine Knie legen und all die verschenkten Jahre auf meiner Haut spüren lassen? Und wirst du mich dann endlich erlösen von dieser Lust, die von Jahr zu Jahr zwar intensiver, aber auch immer unerträglicher wird? Denn, ehrlich, dieser Zustand nervt. Ich bin eine Süchtige, die