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Es werden Posts vom 2022 angezeigt.

Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Tagebuchsachen

Vor ein oder zwei Wochen habe ich einen Tweet gelesen, in dem jemand schrieb, dass er keine Kraft mehr habe und am liebsten alles beenden würde. Seitdem lässt mich der Gedanke daran nicht mehr los. Ich laufe an den Schienen vorbei und frage mich, wie es ist, vom Zug überrollt zu werden. Oder ich fahre Auto und stelle mir vor, das Steuer einfach loszulassen und gegen die nächste Wand zu fahren. Alles in mir ist so müde und erschöpft. Und auch wenn ich mich phasenweise besser fühle, habe ich doch das Gefühl, dass genau diese Phasen immer kürzer und die Tiefs, die darauf folgen, nur tiefer und länger werden. Am Ende des Horizontes ist kein Licht mehr zu sehen, nicht einmal mehr zu erahnen, und das raubt mir jegliche Energie. Und wenn sich alle Probleme in Luft auflösen würden, so blieben am Ende noch Krieg, Klimakatastrophe, Energiekrise, Corona, Inflation und das Gefühl, nachhaltig aus dem Gleichgewicht geraten zu sein, ohne dagegen wirklich etwas tun zu können. Natürlich sind all das nu

Vom Unglücklichsein

Ich muss an meine Kollegin denken. Vor ein paar Wochen kam sie krank zur Arbeit. Nachdem wir einen halben Tag zusammen in unserem kleinen Büro gesessen hatten, sagte sie ganz unglücklich: "Ich glaube, ich habe Corona. Aber ich darf kein Corona haben. Wenn ich jetzt Corona habe, kann ich nicht in den Urlaub fliegen. Dann kann ich nie wieder glücklich sein." Ich musste etwas lachen, weil ich sie zunächst gar nicht ernst nahm. In dem Wissen um ihre Weihnachtsverliebtheit erwiderte ich scherzhaft: "Doch, doch. Spätestens zu Weihnachten wirst du wieder glücklich sein!" Doch sie schüttelte nur den Kopf. "Nicht einmal dann.", antwortete sie ernst. Ihre Worte sind mir sehr nachgegangen und zunächst einmal konnte ich gar nicht verstehen, warum dem so ist. Eine Zeitlang überlegte ich, ob ich neidisch sein könnte. Auf die Fähigkeit, ein nicht Antreten des Urlaubs als einen so großen Verlust zu empfinden. Aber das war es nicht. Mittlerweile weiß ich, dass es mich schl

Vom Wiedersehen

Lieber H., ich habe eine echt schlechte Woche erwischt und als ich an diesem Morgen zur Arbeit fahre, muss mich nicht einmal jemand schräg angucken, damit die Tränen fließen. Das passiert einfach so. Eine Sprachnachricht an eine enge Freundin muss ich dreimal neu aufsetzen, weil ich es nicht schaffe, sie zu sprechen, ohne zu weinen. Es ist ein richtiger Mist-Tag. Einer von zu vielen diese Woche. Nach meinem letzten Brief an dich, konnte ich dich abhaken. Du hast es mir leicht gemacht, mich gedanklich von dir abzuwenden. Erstaunlicherweise hast du einen Weg gefunden, der mich nicht einmal gekränkt hat. Vermutlich weil ich die ganze Zeit das unterschwellige Gefühl nicht loswerden konnte, dass du nur versuchst, uns beide zu retten. Als du aus dem Urlaub zurück kommst, redest du jedenfalls nur noch das Nötigste mit mir. Dabei bist du nicht unfreundlich zu mir, gar nicht. Aber wir telefonieren grundsätzlich nur dann mit einander, wenn du unter Zeitdruck stehst und sprechen ausschließlich be

Vom Muske(l)tier

So. Dieser Post muss jetzt raus. Er ist nicht fertig, vermutlich nicht rechtschreibfehlerlos, alles andere als perfekt, aber ich habe das Schreiben an ihm über und ich glaube, es geht mir besser, wenn ich die niedergeschriebenen Gedanken endlich loslassen, das alles endlich loslassen kann.  ...  Ich bin ganz unbegeistert, als ich morgens um 7:30 Uhr zur Arbeit fahre und von meinem Handy aus meiner Tanz-Mitsing-Musikextase gerissen werde. Anscheinend habe ich am Abend zuvor vergessen, die Rufumleitung vom Büro auf mein Handy zu trennen und jetzt nervt jemand. Fabelhaft. Aber nicht ranzugehen, ertrage ich auch nicht. Gerade will ich also den Anruf annehmen, als ich deine Nummer auf dem Display erkenne. Mein Herz rennt ohne Vorwarnung los und ich zucke vor meinem Telefon zurück, als hätte ich mich verbrannt. Okay, das ist zweifellos verrückt und, ehrlich, es mir vollkommen bewusst. Ich bin überfordert mit diesem Haufen an Gefühlen, den ich nicht zuordnen und schon gar nicht begründen kann

Von der Schwärmerei

Lieber H., ist dir eigentlich bewusst, dass ich unsere erste Begegnung nun fast ein halbes Jahr hinausgezögert habe? Ich muss dir gestehen, dass ich das mit Absicht getan habe. Es hat mir Spaß bereitet, dich mir vorzustellen. Ich mag den Mann, dessen unverblümte Ehrlichkeit mich stolpern lässt, der ohne unnötige Spielfelddekoration sagt, was Sache ist, unser unverstelltes Miteinander, den nur für uns hörbaren Spott, der sich in unsere Stimmen schleicht, wenn das Gespräch auf starre, unzeitgemäße  Verwaltungsstrukturen kommt. Wir harmonieren telefonisch phantastisch miteinander. Ein bisschen zu gut. Das gegenseitige Auschecken, wer wie alt und wie sehr liiert ist, fühlte sich selbstverständlich an. Und der Schmerz in deiner Stimme, als ich dich fragte, ob du Kinder hast und du "Nein, leider nicht." antwortetest, legte sich mir instant unter die Haut und klingt noch immer, einige Wochen später, nach. Die nettesten Stimmen gehören oft zu Menschen, die man sich ganz anders erträu

Vom Mimimi

Moarh. Ich muss ein bisschen Mimimi loswerden. 2,5 Jahre habe ich mich isoliert und auf wirklich viel verzichtet. Und dann muss ich mit einer Platzwunde ins Krankenhaus und stecke mich da mit Corona an. Dabei wollte ich das gar nicht haben. Das nervt mich so! Ich hab da keine Zeit für und ich finde das blöd und mäh und überhaupt. Und die Ohrenschmerzen machen mich mürbe... Ich will in den Arm genommen werden. Alles doof.

Vom Hinweis

Heute woanders. Immer noch im unausgereiften Design, aber egal. :-)

Von der beruflichen Neuorientierung

Nachdem der Bewerber den Raum verlassen hat, lächle ich mein Gegenüber an. Vollkommen unbedacht rutscht es aus mir heraus: "Sie haben wirklich wunderbar formuliert, warum man bei uns arbeiten möchte. Ganz ehrlich, jetzt möchte ich am liebsten auch bei ihnen, in ihrem Bereich, arbeiten!" Er lacht. "Sie würde ich ohne zu zögern einstellen, Frau Muschelmädchen. Wollen sie nicht zu uns kommen?" "Dafür fehlt mir die Qualifikation.", erwidere ich. Als Personalerin weiß ich, was gefordert wird. Und ich habe eindeutig die falschen Studienabschlüsse. Aber er winkt ab. "Ernsthaft, Frau Muschelmädchen, da kriegen wir schon was hin! Nur ein Wort von ihnen und ich setze alle Hebel in Bewegung." Am Ende des Tages nehme ich dieses Gespräch mehr mit nach Hause, als ich will. Ich verstehe erst heute, dass ich mich viel zu spät von meinen Eltern gelöst habe. Besonders meine Berufswahl haben sie viel zu sehr mit ihren Vorstellungen beeinflusst. DAS willst du studie

Vom etwas-mehr-Sex-Blog

Ich habe in den letzten Jahren immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, etwas mehr über Sex zu schreiben. Hier konnte ich mich nur so halb austoben, weil hier so viel persönliches zu finden ist und es mir einfach nicht passend erschien. In den letzten zwei Jahren hatte ich dann keinen Rechner mehr. Alles, was ich geschrieben habe, habe ich am Handy getippt. Das war mühselig. Und zuletzt gab es außerdem keine Kommentarantworten mehr, weil sich das G.oogle-Konto nicht mehr wechseln ließ und ich weder anonym noch mit Klarnamen kommentieren wollte. Nun aber! Tadaaa, ich habe wieder einen Rechner. Ich kann schreiben und kommentieren und wollte wissen: Ist hier noch jemand? So richtig, meine ich? Und: Ich habe ein Testblog angelegt. Es ist ja so: Alles rund um das Thema Sex hat höhere Klickzahlen, aber grundsätzlich kaum Kommentare. Was für den Schreibenden eher wenig befriedigend ist. Deshalb habe ich mir überlegt, wie ich Reaktionen aus Lesern herauskitzeln könnte. Und dazu ist mir das

Vom Loch im Herzen

Sie verfolgt mich und ich weiß intuitiv, dass sie mich töten wird, wenn sie mich zu fassen bekommt. Also laufe ich um mein Leben. Dort vorne steht eine Gruppe von Menschen. Plötzlich beginnt sie, die noch immer versucht mich einzuholen, wie von Sinnen zu schreien. Dass ich versucht hätte, sie umzubringen und dass man mich festhalten solle. Völlig außer Atem gerate ich in Panik. Mir wird niemand meine Unschuld glauben. Sie hat zuerst geschrien und ist so viel lauter als ich es bin. Da sehe ich ihn. Mitten unter unbekannten Gesichtern. Mit aufgerissenen Augen sieht er mich an. Ich schüttle den Kopf. Will rufen, dass meine Verfolgerin lügt. Aber alles, was ich zustande bringe ist ein leises: "Vertraue mir. Bitte, vertraue mir." Mantraartig wiederhole ich diese Worte wieder und wieder. Und er fragt nicht. Stattdessen dreht er sich in ihre Richtung, sieht, wie sie auf uns zusteuert und schiebt sich schützend vor mich. Rückwärts, sie nicht aus den Augen lassend, steuert er auf mich

Von den Komplimenten der letzten Tage

Mein oberster Chef: "Sie scheinen wirklich gute Arbeit zu machen. Der Abteilungsleiter von X grüßt mich jetzt immer viel freundlicher, wenn ich ihn in der Kantine treffe. Das ist toll!" Meine Abteilungsleiterin: "Ich war gestern in einer Besprechung mit der Abteilung X. Ich wollte dir nur sagen, dass die dich alle in den höchsten Tönen loben! Sie sagen, sie fühlen sich in ihrer Personalnot ernst genommen und dass du ihre Vakanzen sehr schnell bearbeitest, zuverlässig bist, flexibel im Finden von Terminen und ausnahmslos freundlich. Sie waren wirklich sehr begeistert!" Ein anderer Abteilungsleiter: "Frau Muschelmädchen, man merkt richtig, dass es im Personalteam Änderungen gab. Seitdem sie da sind, habe ich das Gefühl, dass personaltechnisch endlich mal was passiert!" Und mein Lieblingskompliment, von einem noch anderen Abteilungsleiter in einer Runde voller Abteilungsleiter: "Frau Muschelmädchen, ich möchte die Gelegenheit nutzen und ihnen einfach mal

Von den drei U's

Es ist nicht gut, dass ich mich so ausgehöhlt fühle, nachdem ich ein paar Tage mit meiner Familie verbracht habe. Und trotzdem entscheide ich mich hin und wieder dazu. Dann bin ich jedesmal voller Vorfreude und mir sicher, dass es dieses Mal anders wird. Nur um dann wieder auf den Boden der Tatsachen zu landen. Es ist so: Gefühlt bin und bleibe ich das Kind meiner Familie, egal wie alt ich bin. Und als dieses fühle ich mich ungeliebt. Nicht von meinem Eltern. Meine Mama und mein Papa sind großartig. Aber vom ganzen Rest. Warum haben die mich nicht lieb? Warum interessieren die sich nicht für mich? Warum bin ich denen so egal? Das sind die Fragen, die an mir nagen, seitdem ich wieder Zuhause bin. Meine Familie kennt mich nicht. Und würde ich heute sterben, hätte ich Angst vor der Grabrede. Denn was will man schon über jemanden sagen, von dem man nichts weiß.  Nichts, was ich tue, scheint gut genug für meine Familie zu sein. Auch nicht die Bilder, die ich male. Erst ist man hellauf begei

Von Geistern

Die letzte Nacht war unfassbar dunkel und viel zu lang. Noch immer kitzeln mich die Geister. Sie ziehen an meinen Haaren, flüstern mir Dinge ins Ohr, umarmen mich kalt und fest und lachen ob der Mauern, die ich innerlich gebaut habe. Sie hämmern und kratzen und poltern. Nur langsam verlieren sie im Licht des Tages an Macht. Lässt die Intensität ihrer Berührungen nach. Jetzt fühlt sich mein Körper schmerzhaft verkrampft an. Alles ist müde. Vom kämpfen. Arme, Beine, Augenlider. Es gruselt mich jetzt schon vor der kommenden Nacht. Ich erinnere mich an ein Spiel, dass ich früher immer mit T. gespielt habe, wenn es einem von uns nicht gut ging. Derjenige, der sich verloren fühlte, schrumpfte sich gedanklich auf die Größe einer Stecknadel und rollte sich, in unserer Vorstellung, in der Schlüsselbeinkuhle des anderen zusammen. Dort, in der Herznähe des anderen, so stellten wir es uns vor, wäre es warm, geborgen und sicher. Und auch wenn das wie ein sehr seltsames, viel zu verrücktes Gedankenk

Vom Begehren

Ich ertappe mich dabei, wie sich mein Kopfkino verselbständigt. Genervt verdrehe ich die Augen und beiße mir fest auf die Unterlippe, entschlossen jegliche Lust zu unterbinden. Aber das hilft nicht. Im Gegenteil: Der süße Schmerz macht Lust auf mehr. Und so rutsche ich unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Unfähig ordentlich zu arbeiten und unfähig, mich auf die Lust einzulassen, die unbefriedigt in mir hochbrandet.  Ich merke, wie ich wütend werde. Sag mal, irgendwann, am Ende unseres Lebens, wenn unsere Körper runzelig und unsere Lebenspartner verstorben sind, wirst du mich dann endlich ficken? Wirst du dann deinen Kopf zwischen meinen Schenkeln vergraben und mich deine Zunge spüren lassen? Wirst du mich dann über deine Knie legen und all die verschenkten Jahre auf meiner Haut spüren lassen? Und wirst du mich dann endlich erlösen von dieser Lust, die von Jahr zu Jahr zwar intensiver, aber auch immer unerträglicher wird? Denn, ehrlich, dieser Zustand nervt. Ich bin eine Süchtige, die

Vom Winter

"Das habe ich nie vergessen: Dass man liebt, um die Kälte zu vergessen und den Winter zu vertreiben." (Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt)  Es war ein langer, dunkler Winter. Voller verstörender Diagnosen, Corona, Krieg und anderer Absurditäten. Wie dunkel er tatsächlich war, fällt mir erst langsam auf, weil ich allmählich das Gefühl habe, dass es mir besser geht. Was irgendwie lustig ist. Weil es mir immer noch nicht gut geht. Obwohl ich mir das oft glauben mache und überzeugt davon bin, während ich mich im Alltag verliere. Manchmal glaube ich, dass ich die Tiefe des Lochs, in dem ich feststecke, erst erkenne, wenn ich es hinter mir gelassen habe... Dabei versuche ich mich an den guten Dingen festzuhalten:  Meine Liebsten und ich sind gesund oder gerade dabei, den bösartigen Tumor loszuwerden. Ich wohne traumhaft schön. Der neue Job ist durchaus fordernd, aber noch nicht überlastend. Und es gibt keine Rufbereitschaft mehr. Finanziell laufe ich am Limit, komme aber zurech

Von Tagebuchsachen

(Vielleicht nichts für schwache Nerven.) Heute Morgen, als ich zur Arbeit gefahren bin, musste ich daran denken, wie friedlich mein Leben geworden ist, seitdem ich den Job gewechselt habe. Erst jetzt wird mir langsam klar, wie sehr mir diese Jahre emotional und körperlich zugesetzt haben. Eine leichte Ahnung davon beschlich mich bereits, als ich direkt nach der Zusage für den neuen Job erst einmal krank wurde. Und zwar nicht für ein oder zwei Wochen, sondern gleich so richtig, über mehrere Wochen. Es ging einfach gar nichts mehr. Totalausfall. Wenn ich jetzt an diese Arbeit zurückdenke, frage ich mich ernsthaft, wie ich das so lange mitmachen konnte. Dieser ständige Leistungsdruck von allen Seiten, die stetige schlechte Laune, die nach unten weiter gereicht wurde, schneller, höher, weiter. Die unbezahlte Rufbereitschaft: Aller zwei bis drei Wochen für 7 Tage rund um die Uhr, ohne Freizeitausgleich. Aber vor allem: Die Geschichten. Ich habe ein bisschen das Gefühl, als würde erst jetzt

Von Müll-Momenten

Manchmal komme ich, spät am Abend, auf die Idee, den Müll rauszubringen, so wie eben. Und dann stehe ich plötzlich in der eisigen Kälte und schaue fassungslos in den Himmel. Hier, auf dem Land, mitten im Nichts, sieht man so unfassbar viele Sterne. Ich weiß nicht, ob ich jemals zuvor in meinem Leben so viele Sterne gesehen habe.  Wie kann etwas so schön sein?  Und wie kann es dennoch so viel Hässlichkeit auf dieser Welt geben? Fassungslos bleibe ich zurück, den Müllbeutel noch immer in der Hand. Mein Atem malt kleine Wolken in die Winterluft und der Hahn der Nachbar fällt wieder einmal aus der Rolle. Euphorisch kräht er seine Begeisterung in die Dunkelheit. Und einfach alles an diesem Moment ist perfekt. 

Vom Helium

Als plötzlich die ersten Takte des Songs erklingen, schreckt etwas in mir hoch. Sia singt "Helium". Unwillkürlich halte ich den Atem an. Warte auf diesen feinen, aber scharfen Schmerz, der mich normalerweise an dieser Stelle trifft. Doch heute bleibt er aus. Kein Schmerz. Keine Eifersucht. Nichts. Ich drehe die Lautstärke voll auf.  Und sofort fühlt es sich an, als gäbe es uns wieder. Das Lied habe ich geliebt, als ich noch dachte, nur eine von zwei, aber nicht von drei Frauen zu sein. Als mir noch nicht klar war, dass ich im Grunde genommen nur ein Drittel eines Doppellebens war. Aber bis dahin war es toll. Und auch wenn ich mir Sorgen um dich mache, kann ich heute Sia hören und lächeln.  Weißt du eigentlich, wie großartig das mit uns hätte sein können?  Weißt du, dass ich ein Jackpot gewesen wäre (Denn, hey, das wäre ich!)?  Weißt du, das ein Mensch vollkommen ausreichen kann? Ich wünsche dir von Herzen, dass du all das nicht weißt. Denn dann tut es nicht weh und du musst n

Vom letzten Eindruck

Einer der letzten Eindrücke aus 2021: Eine uralte Dame sitzt, mitten im Discounter, ganz gebückt in ihrem Rollstuhl. Mit Tippelschritten bewegt sie sich unendlich langsam vorwärts. Dabei flüstert sie mit dünner Stimme. Hilfe. Hilfe. Hilfe. Die Menschen hasten an ihr vorüber. Ich hab es eigentlich auch eilig. Will nach Hause. Und zögere, über meinen eigenen Schatten zu springen. Da ist diese Berührungsangst. Eine Hemmschwelle. Und vielleicht auch die egoistische Befürchtung, vereinnahmt zu werden? Ich kann es nicht gut genug in Worte kleiden. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es nicht jedem Tag so ist. Das ich nicht jeden Tag dazu in der Lage bin, zu helfen. Aber heute ist ein guter Tag. Heute kann ich es. Ich hocke mich vor sie - Ist das falsch? - und frage, ob sie Hilfe braucht. Sie spricht so leise. Die Stimme zart und so erbrechlich. Es dauert ein paar Sekunden, ehe ich verstehe. Auch ehe ich die Musik, die viel zu laut durch den Supermarkt dröhnt, ausblenden kann.  Die alte