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Es werden Posts vom Juni, 2017 angezeigt.

Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Wünschen

Ich glaube, ich muss ein ziemlich glücklicher Mensch sein. In letzter Zeit werde ich immer mal wieder gefragt, was ich mir wünsche. Aber mir fallen kaum Wünsche ein. Das liegt wohl nicht daran, dass ich zu wenig Träume habe. Denn im Träumen bin ich immerhin Meisterin. Aber woran liegt es dann, dass mein Kopf so absolut leer ist, sobald ich mir etwas wünschen soll? Als ich ein kleines Mädchen war, hatte ich unzählige Wünsche. Von dem neuesten Tamagotchi über ein Haustier bis hin zu einem eigenen Fernseher im Kinderzimmer. Da meine Eltern finanziell nicht besonders gut situiert waren, war ich keines dieser über-verwöhnten Kinder. Den Satz "Man kann nicht alles haben." hörte ich immer mal wieder. Und arrangierte mich mit ihm. Auch heute, wo ich nun (mehr oder weniger) erwachsen bin, lebe ich relativ bescheiden. In einer zu kleinen Wohnung, in die kein Esstisch passt und die aus ziemlich vielen Dachschrägen besteht. Der teuerste Gegenstand innerhalb der 2,5 Zimmer ist ein Fern

Vom bunten Punkt im großen Grau

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"Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Früher waren sie Kinder, dann wurden sie Erwachsene, aber was sind sie nun?" (Erich Kästner) Bunte, unterschiedlich farbige Socken tragen, um gegen den grauen Alltag zu rebellieren. Blümchen und Herzchen auf teures Geschäftspapier zeichnen. Einem Kind heimlich die Zunge rausstrecken und wild hinter dem Rücken des Mitarbeiters, zu dem das Kind gehört, anfangen zu tanzen, um es zum Lachen zu bringen. Ihm fünf Hände voller bunter Bonbons heimlich in die Hosen- und Jackentaschen schmuggeln. Kirschkernweitspucken auf dem Dach des Bürogebäudes üben. Die Uhren im Nachbarbüro heimlich um 5 Minuten vorstellen. Einmal täglich.  Mädchenmäßig den Firmenwagen quer über drei Parkplätze parken. Der Chefin statt Zucker einfach mal Salz in den Kaffee einzurühren.  Dem Dauerklingeln des Telefon das laute Pfeiffen von Kinderliedern entgegensetzen. Dem a

Von der Altlast

Wie beschreibe ich das jetzt, ohne einen kompletten Seelen-Sex-Striptease hinzulegen? In kurzen Worten - Rückblende in ein anderes Leben: Er neigt dazu, immer ein bisschen mehr von mir zu nehmen, als ich ihm freiwillig geben will. Mir fällt das erst ziemlich spät auf. Aber das erste Mal wird es mir klar, als wir uns in einer ziemlich verfänglichen, sexuellen Situation befinden und er mich, kurz vor dem Orgasmus, mit einem (für mich) sehr harten Kick kommen lässt, indem er mir zuflüstert, was für eine kleine Schlampe ich bin. Danach geht er. Ziemlich abrupt, weil er noch eine Verabredung hat. Ich bleibe zurück und fühle mich sicher. Es ist okay, dass er geht. Weil mich das Gefühl trägt, aufgehoben zu sein. Ein trügerisches Gefühl. Wie ich später feststellen darf. Es ist reiner Zufall, dass ich ihn in unserem nächsten Gespräch frage, mit wem er sich getroffen hat. Als er mir den Namen seiner Verabredung nennt, frage ich unvermittelt, ob er mit ihr geschlafen hat. Damit überrasche i

Von viel zu kurzen Momenten

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Früher hätte er gelesen, aber in den letzten Jahren hat er fast vollständig sein Augenlicht verloren. Außerdem konnte er sich, im Zuge der fortschreitenden Demenz, irgendwann nicht mehr auf seine Bücher konzentrieren. Was ihm geblieben ist, ist seine Liebe zur klassischen Musik. Als wir ihn besuchen, sitzt er, eine dünne Decke über seinen Knien, in seinem Lieblingsessel und lauscht mit halb geschlossenen Augen hingebungsvoll der Sinfonia No. 9 von Johann Sebastian Bach, die im Hintergrund läuft. Um ihn nicht zu erschrecken, dreht meine Oma die Musik vorsichtig leiser, bevor sie an ihn herantritt. "Hallo Hans.", grüßt sie ihn leise. Instinktiv wendet er sein Gesicht ihr zu. Blinzelt gegen die Schatten, die vor seinen Augen tanzen, an. Sie beugt sich zu ihm hinab, so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen fast berühren. Damit er sie schemenhaft erkennen kann. "Weißt du heute, wer ich bin?", fragt sie sanft und senkt die Augen, um die Angst, die in ihrem Blick liegt, zu v

Von der Verunsicherung

Dank des Soulweepers hat sich mein bisher ziemlich ungelesener Nischen-Blog heute für einen Tag verselbstständigt: Mein verwirrter Blick heute Morgen, um 08:00 Uhr, war sicherlich Gold wert, als ich völlig schlaftrunken feststellte, dass der letzte Beitrag sage und schreibe (!) 73 Mal mehr Zugriffe hatte, als für gewöhnlich um diese Uhrzeit. Augenreiben hat dagegen nicht geholfen, ehrlich, ich habe es versucht! Kurz bevor ich ziemlich verlegen geworden bin und es sich ein bisschen komisch angefühlt hat, plötzlich gelesen zu werden... Es ist vermutlich albern, aber ich durfte lernen, dass man auch in Bezug auf das Bloggen ganz schön schüchtern werden kann. Nicht ganz passend dazu, wird es hier aber die nächsten drei Tage ruhig. Die Chucks, das zerschnittene T-Shirt, Schlumpel-T-Shirt, Jeans, ein Buch, ein Cocktailkleid, Ballerinas, Pumps (Nicht fragen. Man weiß ja nie.) und Schlafsachen bilden eine lustige Mischung in meiner Reisetasche. Ich mache mich nun auf den Weg zum ersten große

Von der Mittagsrunde: Sexspielzeug

Die Mittagsrunde tagt mal wieder und die Damen sind in Form. Wir haben bereits Namen für Geschlechtsorgane und Käuflichkeit beim Sex behandelt. Ich habe für allgemein schockierte Gesichter gesorgt, weil ich mich dazu hinreissen habe lassen, zu erwähnen, dass ich auch Frauen küsse. Nun sind wir beim Thema Sexspielzeug angekommen. Man sollte meinen, dass dieses Thema relativ unverfänglich ist. Aber ich schaffe es auch hier, mich zielgerichtet in das erste Fettnäpfchen zu manövrieren, das mir über den Weg läuft. Diesmal bin allerdings nicht ich es, die in pikierte Gesichter guckt: Stattdessen bin ich diejenige, die maximal verwirrt in die Runde blickt. Ich befürchte, in diesem Moment gebe ich ein lustiges Bild ab, denn meine Überraschung und meine Ungläubigkeit kann man mit Sicherheit an meinem Gesichtsausdruck ablesen. Um ehrlich zu sein: Auf das soeben gesagte komme ich gar nicht klar. Überhaupt nicht. Gar kein bisschen. "Ich wusste gar nicht, dass es noch Frauen gibt, die keinen V

Vom aha-Effekt

Ich frage mich seit Monaten, wie es mir passieren konnte, dass ich mich von T. so habe konditionieren lassen. Ich, erwachsen, auf eigenen Beinen stehend, einigermaßen selbstbewusst, stolz. Ausgerechnet ich. Aber ich weiß es jetzt. Heute Abend habe ich es, anhand eines Mannes, der mir sehr viel bedeutet, gelernt: Menschen, denen ich Gefühle entgegenbringe, haben ein wunderbares Mittel, um mich unter Druck zu setzen und ganz leicht zu manipulieren. Sie haben das perfekte Instrument in der Hand, um mich vollkommen gefügig zu machen: Ich kann es nicht ertragen, wenn sich jemand von mir verletzt fühlt oder wütend auf mich ist. Wenn man mir Liebe entzieht. Das tut mir ziemlich weh. Dann fühle ich mich vollkommen hilflos, bin total verunsichert und ziehe mich in meine Muschel zurück. Wenn ich darüber nachdenke, geht das wohl auf einige Erlebnisse in meiner Kindheit zurück. Meine Mutter hat mich häufig, als ich klein war, mit Liebesentzug bestraft. Sie hat mir in diesen Situationen um die Oh

Von Erbeerfeldern und Tattoos

Ich überlebe eine weitere Autofahrt mit ihr. Wir fahren in Gemeinschaftsarbeit: Das heißt: Sie hält das Lenkrad fest und ich schalte. Während sie immer wieder neue Musik auf ihrem Handy sucht, erzähle ich ihr, wo sie laut stummgeschalteten Navi abbiegen soll, bringe sie dazu hochzusehen, wenn sie dabei ist in den Gegenverkehr abzudriften und weise sie manchmal, mehr oder weniger panisch, darauf hin, dass sie mal bremsen könnte. Sie amüsiert sich lediglich darüber. "Bleib locker, Muschelmädchen.", ruft sie dann fröhlich. Mit quietschenden Reifen parkt sie das Auto schließlich vor einem Tattoo-Studio. Überrascht sehe ich sie an. Das nenne ich spontan. Und ich bewundere sie zweifelos für ihre Spontaneität. "Wir sind da!", klärt sie mich auf und fordert mich schließlich strahlend dazu auf, auszusteigen. Ohne weitere Worte zu verlieren, steigen wir aus dem Auto und fallen quasi ins Tattoo-Studio hinein. "Hallo", begrüßt sie den Tätowierer freudestrahlend. Und

Von Guns´N Fucking Roses

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Nachdem ich mich nun ein paar Monate lang so heftig vorgefreut habe, habe ich es fast schon wieder verdrängt, mich zu freuen. Seit gestern plöppt die Aufregung aber wieder durch: Noch 4 Tage bis zum Guns´N Fucking Roses-Konzert. Wie sehr ich mich schon darauf freue, mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagen zu lassen und mich beim Rumspringen völlig zu verausgaben! Das kann einfach nur so verdammt gut werden!!! :-)

Von 13 Gründen an sich selbst zu zweifeln

Heute Morgen fühle ich mich ein wenig wie Falschgeld. Die Nacht endet viel zu früh und der Kopf ist noch schummerig vom Alkohol des vergangenen Abends. Das hält ihn aber nicht davon ab, gedankliche Kapriolen zu schlagen: Willkommen, Selbstzweifel. Lass uns doch mal anschauen, was dich heute dazu bringt, mich zu besuchen und umzutreiben. Wahllos notiert: Ich kann nicht gut um Dinge herum schnacken. Smalltalk liegt mir nicht. Stattdessen steige ich gerne direkt tief ein. Mich interessiert weniger, was ein Mensch hat, als dass, was er ist. Deshalb stelle ich viele Fragen. Besonders die Psychologen unter den Nachtschwärmen fühlen sich im Angesicht meiner W-Fragen häufig unwohl. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft mir bereits gesagt wurde, dass man keine W-Fragen stellt. Leider habe ich in meiner Kindheit ein wenig zu oft die Sesamstraße gesehen. Das hat mich wohl hinsichtlich meiner rebellischen Grundstimmung sehr geprägt. Meine Lieblings-W-Frage ist: Warum? Wenn man mich beschreibt, f

Vom Flächenbrand

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"Wir tauschen unser Sofa gegen einen Tag am Meer, wir sitzen abends auf den Dächern und küssen gern, wir sind am Strand die ersten, die ihre Schuhe verlieren. Wir brauchen keine Thesen und keine Theorien, wir träumen davon, dass es Realität nicht gibt, wir sind aus bunten Farben und wir sind aus Magie... Denn jetzt ist die Zeit und hier ist der Ort, wir sind bereit, so sind wir geboren: Wir sind frei." (Berge: Wir sind frei) "Wenn man dich kennenlernt, wirkst du, als ob du kein Wässerchen trüben könntest.", sagt sie. Ich lächle unschuldig. Sie zieht die Augenbrauen zusammen. "Aber eigentlich hast du es faustdick hinter den Ohren!", stellt sie nachdrücklich fest. Ich lache und zucke mit den Schultern. Keine Ahnung, ob ich es faustdick hinter den Ohren habe. Eigentlich halte ich mich für fast schon langweilig normal. Am Ende des Tages liegt eine 70 Stunden-Woche hinter mir. Erstaunlicherweise überrasche ich mich jedoch selbst und bringe es tatsäch

Von der Aussprache

Erst zwei Stunden nach dem Gespräch begreife ich, dass ich seit Jahren täglichen Umgang mit jemandem pflege, der mir Angst machen sollte. Und obwohl ich der größte Feigling der Welt bin, obwohl absolut alles es vermag, mir Angst einzujagen, empfinde ich ausgrechnet diesem Menschen gegenüber keine Furcht. Die Auflistung der Straftaten ist ein paar Seiten lang. Und es ist keine einzige Banalität darauf zu finden. Dennoch spüre ich eine Art Gottvertrauen: Ich fühle mich aufgehoben bei ihm. Das Gefühl, dass ich ihn um Hilfe bitten könnte, wenn ich sie bräuchte, vermittelt mir Sicherheit. Auch wenn ich niemals - nie - in dieser Art und Weise Schulden machen würde. Und überhaupt kein Freund von Angst, Vergeltung oder Gewalt bin. Ich vertraue auf seine Loyalität. Heute versichert er sie mir. "Ich bin loyal.", sagt er, "Ich mag dich." Seine Worte überraschen mich nicht. Später ruft er noch einmal an. Er scheint ein feines Gespür für das zu haben, was mich ängstigt. Er v

Vom verheirateten Sportler

Der verheiratete Sportler, den ich ab und an auf beruflichen Events treffe, ist auch da. Ich registriere seine Anwesenheit, noch bevor er mich sieht. Hinter der Bar bedient er geschickt den Zapfhahn und mixt Cocktails. Mir fällt auf, dass er gut aussieht. Blonde, leicht strubbelige Haare, gebräunte Haut, breites Kreuz. Das dunkelblaue T-Shirt, das er zu einer Blue Jeans trägt, setzt seine Muskeln perfekt ins Szene. Offensichtlich bin ich momentan sexuell nicht ausgelastet. Nur so kann ich mir erklären, dass mir seine Attraktivität überhaupt auffällt. "Hallo Schätzelein", begrüßt meine Freundin den Sportler und lässt mich den Satz ergänzen. "Wir hätten gerne zwei Cocktails.", sage ich lächelnd. Seine Augen weiten sich überrascht, als er hochsieht. "Oh... Hallo ihr zwei!", grinst er schief. In seinen Augen sehe ich einen Hauch von Unsicherheit schimmern. Doch ich komme gar nicht dazu, diesen zu hinterfragen. Ich folge einfach seinem Blick, der an der Dame

Vom Tag

Um 4:00 Uhr morgens gebe ich den Versuch einzuschlafen auf. Ich habe rasende Kopfschmerzen. Solche von der ich-könnte-eine-Migräne-werden-also-rühr-dich-nicht-sonst-zeige-ich-dir-mal-was-richtige-Schmerzen-sind-Art. Mit halbgeschlossenen Augen mixe ich mir einen Medikamentencocktail und verziehe mich aufs Sofa. Den Rest des Morgens verbringe ich damit, Blogs zu lesen. Bis mir um kurz vor 6:00 Uhr nochmal für einen Moment die Augen zufallen. Um die ganze Arbeit bewältigen zu können, bin ich eher auf der Arbeit verabredet. Wer ist pünktlich da? Ich. Wer fehlt? Richtig. Der Rest. Zwar kann ich die Augen kaum aufhalten und die Vorstellung, noch fünf Arbeitstage vor mir zu haben, lässt mich frösteln, aber ich versuche mein Glück. Im Laufe des Tages ziehe ich mich immer weiter in mich selbst zurück. Ich grummle und schimpfe in mich hinein, fülle mich mit Kaffee ab und benehme mich wie Oskar aus der Tonne, dem ich heute sowohl innerlich als auch äußerlich gleiche. Nur dass man mir eben mein

Vom Verschließen

Draußen türmen sich die Gewitterwolken. Das Vogelgezwitscher ist verstummt, stattdessen ist es ruhig geworden. Dunkel. Ich liege auf dem Sofa. Der Wind spielt mit den Vorhängen und ich lausche dem Rauschen der Bäume, die sich im Wind wiegen. Spüre, wie die Windböen meine Haut streicheln. Das Wetter spiegelt mein Innenleben. Unbeständig. Aufgewühlt. Stürmig. Dabei ist mir heute gar nicht nach Sturm. Vielmehr sehne ich mich nach Sicherheit. Geborgenheit. Stille. weiter im verschlüsselten zauberreich

Vom Bodensatz

In meinem Beruf erfahre ich sehr viel menschliche Härte. Ich lerne die Menschen kennen, die am absoluten Rand der Gesellschaft stehen. Unsere Gesellschaft hat einen Bodensatz, wenn man es grob formulieren möchte. Den hatte ich hier mal beschrieben:  Bodensatz Ich beginne, eine ziemliche Wut auf das System zu entwickeln, in dem wir leben. Das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass ich das Gefühl nicht loswerde, dass man vor diesem Teil der Gesellschaft einfach die Augen verschließt, immer in der Hoffnung, dass der Mob schon nicht auf die Idee kommen wird, zu den Mistgabeln zu greifen. Obwohl ich diese Menschen wieder und wieder versuche aufzufangen, ihnen Sinnhaftigkeit und eine neue Richtung versuche zu geben, fühle ich mich so hilflos in Anbetracht der finanziellen, materiellen, geistigen und menschlichen Armut mit der ich konfrontiert werde. Der Kampf, den ich in meinem Beruf führe, ist ein Kampf gegen Windmühlen. Und er macht mich an vielen Tagen einfach nur müde, weil ich nic

Von der Wut auf alles

Worauf will ich eigentlich hinaus?

Von Topf und Deckel

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Laut dem Rest der Welt sind wir Ernie und Bert, Topf und Deckel, Wallace und Gromit, Waldorf und Statler, Arsch und Eimer. Beide in der gleichen Stadt geboren, nur wenige hundert Meter von einander entfernt die Kindheit verbringend, lernen wir uns jedoch erst 29 Jahre später kennen. Dabei stellen wir fest, dass wir nicht nur die gleiche Sprache sprechen und einander ergänzen, sondern sogar gleich denken. Jeder von uns wohnt im Kopf des anderen. Uns reicht ein Blick, um zu wissen, was der andere denkt. Oftmals brechen wir in Anwesenheit von anderen Menschen unvermittelt in herzliches Gelächter aus, welches sich noch intensiviert, wenn wir in die verständnislosen Gesichter in unserer Umgebung blicken. Es gibt keinen Menschen auf dieser Welt mit dem ich so lachen kann: Wir lachen bis uns die Tränen über das Gesicht laufen und der Bauch wehtut. Dabei erklären wir uns gegenseitig mit viel Phantasie die Welt, denken uns aus, wie Rauhhaardackel entstehen und phantasieren davon, wie wir später

Von vergebenen Männern

Ich frage mich, wie wir auf das Thema Ehe gekommen sind. Mit Ehen habe ich doch gar keine Berührungspunkte. Fast gar keine. Höchstens verschwindet geringe Berührungpunkte. Zumindest rede ich mir das mehr oder minder erfolglos ein. Irritiert starre ich sie an. "Weißt du", sagt meine Freundin, "Ich weiß, wie es ist, in einer Ehe unglücklich zu sein. Und das ist wirklich schlimm. Bedrückend. Aber irgendwann muss man sich eben entscheiden, dieses Gefängnis weiter zu erdulden oder die Kraft aufzubringen, sich selbst etwas Gutes zu tun und sich zu trennen. Verstehe mich bitte nicht falsch: Ich kann jedes Paar verstehen, das aus finanziellen Gründen zusammenbleibt. Mich hat meine Scheidung selbst fast meine Existenz gekostet. Ist eben alles eine Frage der Prioritätensetzung. Was mich aber zurzeit wirklich ankotzt, sind diese ganzen Ehemänner, die heimlich wildern gehen. In letzter Zeit lerne ich, wenn ich ausgehe, nur noch vergebene Männer kennen, die sich für ein paar Stunden

Vom inneren Druck

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Manchmal sehne ich mich nach einer Berührung. Der wohl intimsten Berührung, die es für mich gibt. Sie ist nicht sexueller Natur. Und trotzdem ist sie so viel bedeutsamer. Ich sehne mich nach jemanden, der sich vor mich setzt und seine Hände um meine Handgelenke legt. Der seine Daumen dorthin schiebt, wo man meinen Puls fühlen kann und sie unter leichten Druck dort ruhen lässt. Dabei nicht mit mir spricht, aber mir, indem er meinen Blick hält, das Gefühl vermittelt, dass alles gut ist. Und das es okay ist. Und dass es vorbei geht. Dass es manchmal nur darum geht, zu atmen und zwei, drei, vierhundertundfünf Momente vorbeiziehen zu lassen. Bis das Bedürfnis, körperlichen Schmerz zu fühlen, allmählich schwindet. Manchmal jogge ich in diesen Momenten einfach los. Das hilft. Heute setze ich Musik dagegen. Das entpuppt sich nicht als die beste Wahl, weil ich irgendwann am frühen Abend ein paar alte Bands ausgrabe, die ich vor vielen Jahren in einer Phase, in der umgedrehte Kreuze und schwar

Vom Pferdestehlen

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Mitten in der Nacht vibriert mein Handy. Ich liege ohnehin wach, aber ob der Uhrzeit bin ich ein wenig verwirrt, sodass ich ziemlich neben mir selbst liegend mit der Hand nach dem Telefon angle und ein Auge gerade so weit öffne, dass ich die Helligkeit des Displays ertragen kann. Es ist egal, wie viele Kilometer uns trennen, sein Gefühl für mich ist untrüglich. Beständig taucht er in den richtigen Momenten meines Lebens auf. In denen, in denen ich ihn brauche oder mir ein liebes Wort von ihm gut tut. Er ist annähernd der einzige Mensch auf der Welt, von dem ich mich traue, Hilfe anzunehmen. Und schon viel zu oft Hilfe angenommen habe. Er ist mein engster, treuester Freund seit vielen, vielen Jahren. Der Mensch, für den ich zweifellos barfuß über Scherben nach China laufen oder morden würde. Auf meine Füße könnte ich verzichten und die Leiche würden wir gemeinsam verscharren. "Hallo tollste aller Frauen, wie geht es dir?", schreibt er, "Fühl dich sanft gedrückt. Ich li

Vom Schreiben

Ich habe das Gefühl, dass ich erst wieder lernen muss, dass ich alles schreiben darf und mich nicht verbiegen muss. Das hier - das zauberreich - ist mein Ort. Zwar weiß ich, dass ich hier eigentlich sein darf, wer ich bin, dennoch kann ich spüren, wie konditioniert ich noch immer bin: Schreib nicht über andere Männer! Schreib nicht über deine Freunde! Schreib nicht über Kollegen! Schreib am besten gar nichts über Menschen! Schreib nichts, was mich verletzt! ... Es fällt mir ganz, ganz schwer, mich wieder umzustellen - permanent überlege ich mir, wem ich mit welchen Worten wie sehr auf die Füße treten könnte, formuliere noch immer um oder behalte Beiträge für mich. Kämpfe gegen den Impuls an, Rechtfertigungen für das, was ich schreibe, zu finden, noch bevor ich Worte getippt habe. Seltsam ist das. So richtig bin ich noch nicht hier angekommen, glaube ich. Ich brauche unbedingt einen neuen Rechner. Das denke ich schon seit Monaten. Die unterschiedlichen Anschläge meiner Tastatur machen

Von der zweiten Chance

"Ich habe eine Lieblingsgeschichte. Ein Mann und eine Frau lernen sich in einem Hotel kennen, das ein Treffpunkt für Alleinstehende ist. Sie tanzen miteinander am Samstagabend. Er sagt: 'Ich bin nur dieses eine Wochenende hier.' Sie antwortet: 'Ich tanze so schnell ich kann.'" (Barbara Gordon: Ich tanze so schnell ich kann) Irgendwas läuft schief. Alles geht zu schnell und nach einem Essen bei einem Italiener landen wir im Hotel. Ich erinnere mich an Bruchstücke. Seine Hand in meiner Hose, die gute Rasur lobend. Und auf meinem Bauch. Den ich nicht einmal selbst gerne berühre, geschweige denn gerne durch einen anderen Menschen anfassen lasse. Die Panik mit einem Mann zu schlafen, der mir zwar vertraut, aber irgendwie in seiner Körperlichkeit auch fremd ist. Die Art, wie er mich von sich wegdrückt. Das Hinausbugsieren. Die Enttäuschung, die in seinem Blick liegt, werde ich niemals vergessen. Ich kann mich erinnern, dass ich, nachdem ich verabschiedet wurd

Von der Überwindung

Es ist die kleinste meiner Kolleginnen, die schließlich an meine Tür klopft und in den Raum tritt. "Entschuldigung", unterbricht sie das Bewerbungsgespräch, das ich gerade führe und wendet sich an mich, "Aber kann ich dich mal eben sprechen? Es ist wichtig." Die Art, wie sie mich ansieht, lässt mich keinen Moment an der Dringlichkeit ihres Anliegens zweifeln. "Natürlich.", lächle ich und entschuldige mich bei dem Bewerber. "Ich beeile mich!", versichere ich ihm und biete ihm einen weiteren Kaffee an. "Ist alles in Ordnung?", frage ich sie, als wir den Raum verlassen haben. Sofort schießen ihr Tränen in die Augen. "Da vorne ist ein Mann mit dem wir nicht zurechtkommen. Er schreit und pöbelt. Ich bekomme ihn einfach nicht dazu zu gehen." Ich nicke. Straight. Aber die Wahrheit ist, dass es genau diese Situationen in meinem Job sind, die mich müde machen und die ich scheue. Ich bin kein Freund von Konfrontationen. Mein Gemüt ist

Von der Bedeutung

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Abends krame ich meine kleine Lieblingsschatuelle hervor, die mir ein guter Freund zu meinem 16. Geburtstag schenkte. Alle Kleinigkeiten, die für mich von Bedeutung sind, sammle ich dort seit jenem Geburtstag. Die erste Rasierklinge, die ich über Jahre hinweg benutzt habe, selbst als sie schon ganz abgenutzt und stumpf war. Der letzte Brief von Ephraim, den er mir schrieb. Ein Haustier aus Kronkorken, welches mir ein Punk schenkte, als ich mich so sehr nach einem Haustier zum Liebhaben sehnte. Der metallene Schmetterling, den ich mir nach dem Tod meines Opas von seiner Gardine pflückte und heimlich in meine Hosentasche gleiten ließ. Die Brosche meiner über alles geliebten Uroma. Ein kleiner runder Glasstein, der mich an ein denkwürdiges Silvester in Hamburg erinnert, an dem ich das neue Jahr aus der Luft begrüßte. Ein Foto von meinem ersten ernsthaften Blind Date, dem zehn Jahre steter E-Mail-Verkehr vorangingen. Ein Plastik-Büstenhalter im Miniaturformat, den ich auf einer Party einsa