Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Bewerbungsgesprächen

„Ich war mal ein Mann.“, ruft die Bewerberin fröhlich, „Aber eigentlich habe ich mich immer als Frau gefühlt.“ „Ich finde es mutig von ihnen, dass sie sich entschieden haben, dieses Gefühl frei auszuleben!“, sage ich lächelnd. „Ja, wissen sie“, sie strahlt mich an, „dass war gar nicht so einfach. Ich habe viele Freunde dadurch verloren. Sie konnten nicht akzeptieren, dass ich eine Frau bin. Aber nun ja... So ist das eben. Ich bin jetzt, wer ich sein will. Das macht mich glücklich!“ „Das finde ich bewundernswert.“, erwidere ich. Hiernach unterhalten wir uns ein bisschen über den Job, auf den Sie sich beworben hat. Zumindest bis sie mich ohne Vorwarnung laut unterbricht, die Augen aufreißt und mir fasziniert aufs Dekolleté starrt: „Entschuldige, Herzchen, dass ich dich unterbreche, aber ich muss das einfach fragen: Deine Brüste sind doch nicht echt, oder? Die hast du doch machen lassen,oder? Du musst mir unbedingt die Telefonnummer von deinem Arzt geben! Deine Möpse sind fantastisch, ich kann kaum woanders hingucken!“ Ich laufe rot an. Und nein, sie lässt sich so gar nicht davon überzeugen, dass meine Brüste echt sind. Am Ende des Gespräches ist sie sogar annähernd beleidigt, weil sie vermutet, dass ich ihr die Telefonnummer meines Arztes nicht gebe, weil ich ihr keine schönen Brüste gönne. Nun ja...

*.*

Im Konferenzraum sitzt eine junge Frau, die ziemlich lässig gekleidet ist. Sie trägt ein großes T-Shirt und ziemlich kurze Jeansshorts. Die langen Haare fallen ihr offen über die Schultern. Ihr Gesicht leuchtet rot. Vermutlich ist sie aufgeregt, denke ich, während ich den Raum betrete. Das ist aber nicht des Rätsels Lösung, wie ich gleich feststellen werde. „Es tut mir sooo leid!“, ruft die Bewerberin nervös, als sie aufsteht, um mir die Hand zu reichen. „Was tut ihnen leid?“, frage ich verwundert. „Ich war gestern mit meinem Freund am FKK-Strand. Dabei bin ich eingeschlafen und habe mir den mega Sonnenbrand geholt! Es ist so schlimm, dass ich heute weder einen BH noch einen Slip tragen kann! Ehrlich gesagt habe ich sogar Probleme, mich überhaupt zu setzen. Am liebsten wäre ich einfach nackt zu ihnen gekommen!“ Ich unterdrücke nur mit Mühe ein Schmunzeln und singe in mich hinein. Lalala... so viele irrelevante Details und das schon im ersten Satz... Aber irgendwie mag ich ihre ehrliche und unerschrockene Art sehr gerne. Das verspricht ein interessantes Gespräch zu werden...

Kommentare

  1. Antworten
    1. "Leider legen wir in dieser Firma großen Wert auf entsprechendes Auftreten, aber wenn Sie mir den gestrigen Sonnenbrandschaden noch etwas genauer zeigen könnten, lässt sich sicher ein Auge zudrücken!"

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    2. @DrSchwein

      Mir auch. Jedenfalls ist das Leben mit Bewerbern wesentlich erheiternder als ohne.

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    3. @Rain

      In diesem Fall: Ach, nein, lass mal. Besser nicht.
      Aber ein interessantes Kopfkino hast du da. Vielleicht sollte ich das in einem separaten Phantasie-Post aufgreifen. ;-)

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  2. Der erste Teil der Post ist ja schon, ich sage mal skurril, lässt aber zumindest die Gewissheit zurück, das du offensichtlich über zwei sehr schöne Argumente verfügst. Bitte ;)

    Der zweite Teil ist phantastisch!
    Mir stellen sich viele Fragen, z.B. auf welche Stellenausschreibung sich die Dame beworben hat. Und natürlich: Habt ihr sie eingestellt? Und: Konnte geprüft werden ob die Aussage hinsichtlich Slip und BH tatsächlich zutreffend war? Abschließend: Sonnenbrand auf der Brust oder dem Rücken?
    Fragen über Fragen :)

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    1. Ich widerspreche: Ich vermute es ging der freundlichen Bewerberin vor allem um die Größe der Argumente. Hinsichtlich dieser unterstellt man mir nämlich ganz gerne Kunst.

      Die zweite Bewerberin wurde von mir eingestellt, ja. Die Beantwortung deiner Fragen überlasse ich allerdings deiner Phantasie. Ich nehme an, dass diese weitaus aufregender ist, als es die Realität je sein könnte.

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