Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Unsichtbarsein

Es entspinnt sich eines dieser typischen Frauengespräche. Sie reden über Marken-Handtaschen. Bei dem Thema bin ich völlig raus. Marken interessieren mich nicht. Taschen deren Kaufpreise im oberen dreistelligen Bereich liegen erst recht nicht. Stirnrunzelnd werfe ich einen Blick auf meine dreckigen Chucks. Denke darüber nach, ob es mir vielleicht gut tun würde, ein bisschen damenhafter zu werden. Grüble, ob ich mir einen kleinen tussi-touch zulegen sollte. Frage mich, ob ich jetzt das Alter erreicht habe, in dem ich anfangen sollte, meine Schuhe öfter als einmal im Jahr zu putzen. Verwerfe den Gedanken jedoch wieder. Denn irgendwie bin und bleibe ich ein "Bodenkind". Das sich gerne im Schneidersitz auf den Asphalt setzt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Hose dreckig werden könnte. Das sich gerne kopfüber in den Springbrunnen stürzt, ohne darüber nachzudenken, dass sich das Handy noch in der Hosentasche befindet und die Kleidung nass werden wird. Das gerne von Matsch- zu Matschpfütze springt. Oder wild mit Farbe herumkleckst.

Mittlerweile sind die beiden Frauen, die neben mir sitzen, über dreiundzwölfzig Umwege auf irgendeine Bekannte zu sprechen gekommen, die "ganz schön fett geworden ist". Das ist noch so ein Thema, das mich unberührt lässt. Ich spüre, wie ich innerlich damit anfange, mit den Augen zu rollen. Das Gen, meine Zeit damit zu verbringen, das Aussehen, die Handlungen und die Gefühle anderer Menschen zu bewerten und zu verurteilen, scheint mir weitestgehend zu fehlen. Vermutlich weil ich viele dieser Bewertungen und Urteile als leichtfertig, vor allem aber als zu grob empfinde. Zu oft habe ich das Gefühl, dass das Leid und die Fehler anderer mit dem Ziel betrachtet werden, sich selbst besser zu fühlen und darüber zu mehr Selbstakzeptanz zu finden. Für mein Empfinden schwingt in dieser Art von Tratsch immer ein Hauch von Arroganz mit. Deshalb mag ich den Begriff "fremdschämen" auch so überhaupt nicht. Weil er für mich impliziert, etwas besser zu wissen oder zu können.

Nachdenklich sitze ich dort, in der Fußgängerzone, auf meiner Bank, lausche den Gesprächsfetzen, die mich passieren und betrachte die Menschen, die an mir vorbeiströmen. Mindestens die Hälfte der Blicke, die ich auffange, bleiben undurchdringlich und sehen durch mich hindurch. Und ich frage mich, was in den Köpfen der Leute vor sich geht. Eine Minute reiht sich an die andere, als wären sie Perlen auf einer dünnen Schnur, und ich suche in dieser Menschenmasse nach dem wachen Blick eines Menschens, der mich meint. Ich finde nichts.
Die Frauen, die neben meiner Bank stehen, plappern.
Je dünner das Thema wird, desto lauter werden ihre Stimmen.

Kommentare

  1. Hiermit
    "Zu oft habe ich das Gefühl, dass das Leid und die Fehler anderer mit dem Ziel betrachtet werden, sich selbst besser zu fühlen und darüber zu mehr Selbstakzeptanz zu finden."
    hast Du wohl leider recht. Keine Ahnung, woher das kommt

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich hatte auf Widerspruch gehofft. ;-) Hoffentlich hattest du ein schönes Wochenende, liebe Whimsy.

      Löschen
  2. Für viele sind dünne Themen äußerst gehaltvoll.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja. Ich spreche mich nicht unbedingt frei davon. Gar nicht. Nur... sind es vermutlich andere dünne Themen, die mich interessieren.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis