Vom Unsichtbarsein
Mittlerweile sind die beiden Frauen, die neben mir sitzen, über dreiundzwölfzig Umwege auf irgendeine Bekannte zu sprechen gekommen, die "ganz schön fett geworden ist". Das ist noch so ein Thema, das mich unberührt lässt. Ich spüre, wie ich innerlich damit anfange, mit den Augen zu rollen. Das Gen, meine Zeit damit zu verbringen, das Aussehen, die Handlungen und die Gefühle anderer Menschen zu bewerten und zu verurteilen, scheint mir weitestgehend zu fehlen. Vermutlich weil ich viele dieser Bewertungen und Urteile als leichtfertig, vor allem aber als zu grob empfinde. Zu oft habe ich das Gefühl, dass das Leid und die Fehler anderer mit dem Ziel betrachtet werden, sich selbst besser zu fühlen und darüber zu mehr Selbstakzeptanz zu finden. Für mein Empfinden schwingt in dieser Art von Tratsch immer ein Hauch von Arroganz mit. Deshalb mag ich den Begriff "fremdschämen" auch so überhaupt nicht. Weil er für mich impliziert, etwas besser zu wissen oder zu können.
Nachdenklich sitze ich dort, in der Fußgängerzone, auf meiner Bank, lausche den Gesprächsfetzen, die mich passieren und betrachte die Menschen, die an mir vorbeiströmen. Mindestens die Hälfte der Blicke, die ich auffange, bleiben undurchdringlich und sehen durch mich hindurch. Und ich frage mich, was in den Köpfen der Leute vor sich geht. Eine Minute reiht sich an die andere, als wären sie Perlen auf einer dünnen Schnur, und ich suche in dieser Menschenmasse nach dem wachen Blick eines Menschens, der mich meint. Ich finde nichts.
Die Frauen, die neben meiner Bank stehen, plappern.
Je dünner das Thema wird, desto lauter werden ihre Stimmen.
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Hiermit
AntwortenLöschen"Zu oft habe ich das Gefühl, dass das Leid und die Fehler anderer mit dem Ziel betrachtet werden, sich selbst besser zu fühlen und darüber zu mehr Selbstakzeptanz zu finden."
hast Du wohl leider recht. Keine Ahnung, woher das kommt
Ich hatte auf Widerspruch gehofft. ;-) Hoffentlich hattest du ein schönes Wochenende, liebe Whimsy.
LöschenFür viele sind dünne Themen äußerst gehaltvoll.
AntwortenLöschenJa. Ich spreche mich nicht unbedingt frei davon. Gar nicht. Nur... sind es vermutlich andere dünne Themen, die mich interessieren.
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