Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Können

Tollpatschig sein? Kann ich.
Auf der Geburtstagsfeier der beiden Chefs gratuliere ich nur dem einen. An dem anderen laufe ich fröhlich lächelnd vorbei und sage "Hallo."

Fremde Menschen zum Lachen bringen? Kann ich.
Auf dem Parkplatz stehe ich einem Auto im Weg und bemerke es gar nicht, weil ich gerade vor mich hinträume und meinen Ohrwurm vor mich hinsumme. Als es plötzlich hinter mir hupt, lege ich einen erschrocken Luftsprung hin. Immerhin durchschaue ich die Situation aber recht schnell, trete zur Seite und zaubere eine einsame, weil nur zweihändige Laolawelle, um endlich den Weg über den Parkplatz freizugeben und das Auto, samt Fahrer, vorbeizulassen.

Mitfiebern? Kann ich.
Ich zähle die Ballwechsel der alten Männer, die vor dem Fenster Tennis spielen. Sie kommen allerhöchsten auf sieben Ballwechsel. Dabei stöhnen sie unfassbar viel, obwohl sich nie einer von ihnen ernsthaft darum bemüht, dem Ball mal hinterherzujagen, falls er nicht direkt auf den Mann gespielt wird. Ich öffne das Fenster und juble beim nächsten Ballverlust laut. Die irritierten Blicke sind köstlich.

Kreativ sein? Kann ich.
Deshalb creme ich mich einmal und nie wieder mit Selbstbräuner von Kopf bis Fuß zum Streifenhörnchen. Oder bleiche mir einmal und nie wieder so intensiv die Haare, dass ich sie kurz schneiden lassen muss. Oder färbe sie einmal und nie wieder blau, grün und pink. Nacheinander. Eine meiner großartigeren Ideen war es auch, mal selbst Henna auszuprobieren. Man glaubt gar nicht, wo man sich überall, wenngleich unbeabsichtigt, bemalen kann... Davon hatte ich länger etwas.

Verschlafen sein? Kann ich.
Das ist der Grund, warum ich morgens schon mal nach der falschen Tube greife und statt Zahncreme Rasiergel auf die Zahnbürste auftrage. Das schmeckt eklig und ich stelle fest, dass ich ganz schön verwundert gucken kann. Außerdem landen Wimperntusche und Eyeliner manchmal morgens überall da, wo sie nicht hin sollen. Überlege regelmäßig, ob ich mal mit dieser Kriegsbemalung auf Arbeit erscheine. Könnte ja sein, dass mir das eine natürliche Autorität verleiht.

Pünktlich sein? Kann ich.
Allerdings sollten dann Kollateralschäden einkalkuliert werden. Da steht das Auto schon mal quer in der Parklücke und ich komme humpelnd im Büro an, weil ich mir zwischendurch nochmal die Bordsteinkante aus der Nähe ansehen musste. Außerdem schaffe ich es manchmal, mir nur ein Auge zu schminken oder nur halbseitig mit einem Ohrringe bestückt zu sein. Mit einem auf links gedrehten Oberteil bin ich auch schon auf Arbeit erschienen. Dreimal. An verschiedenen Tagen.  Und die Schuhe... Ach, lassen wir das.

Verwirrt sein? Kann ich.
Die Alufolie landet im Kühlschrank. Das Klebeband samt Halter räume ich in den Geschirrspüler ein. Während ich telefoniere suche ich leidenschaftlich gerne, teilweise sogar durchaus panisch, mein Telefon. Weil es so viele Einhörner, Kobolde und Feen in meinem Leben gibt, kann es schon mal vorkommen, dass ich über dem träumen das Zuhören vergesse. Manchmal muss ich sogar kurz überlegen, wie ich heiße, wenn ich mich am Telefon melde. Wenn ich das laut ausspreche, löst das am anderen Ende der Leitung meistens Gelächter aus. Fragt mich nie danach, wie alt ich bin. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde ich kurz bis lange überlegen müssen. Das kann mit wachsendem Alter nur besser werden. Ich werde sicher eine äußerst witzige alte Katzenfrau und freue mich darauf, mich kunterbuntschräg anzuziehen und auf der Landstraße mit meinem Rollator Wettrennen gegen Autos zu führen.

Kommentare

  1. Antworten
    1. Stöckchen. STÖCKCHEN!

      Was für ein schöner Begriff für eine schöne Sache,
      die wieder ausgegraben zu werden wohl verdient.
      Ich nehme eins mit, bitte. :-)

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  2. Es gibt da so ein oder zwei Parallelen ...

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    1. Eine kenne ich. Die mit dem Deo und der Zahnbürste... Darüber hatten wir unter einem vergangenen Post geschmunzelt.

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    2. Meine größte Leidenschaft in dieser Richtung: Sekundenkleber
      Daraus haben sich schon lang anhaltende Beziehungen entwickelt

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    3. Kann ich mir vorstellen. :-)
      Ich hatte da mal so eine Begegnung der dritten Art mit Heißkleber. Kann ich auch empfehlen. Klebt super. Tut aber ganz schön weh, falls man sich aus Versehen selbst beklebt. Spreche da aus Erfahrung. Also lass uns lieber beim Sekundenkleber bleiben. ;-)

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  3. Nein, es wird mit zunehmendem Alter nicht besser.;)

    Meinen Namen kann ich mir zwar merken, beim Alter u. anderem zahlenrelevanten Kram vertue ich mich allerdings fast grundsätzlich. Ich muss den dazugehörigen Post mal aus der Konserve holen und aufpolieren. Momentan ist eh Konservenzeit.

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    1. Und so schnell zerstörst du meine Hoffnung auf eine Zukunft, in der mein Gedächtnis, frei von Frühdemenz, zu Hochleistungen aufläuft. Na toll :-)
      Ich vergesse meinen Namen nicht direkt. Aber wenn ich auf etwas konzentriert bin, fällt es mir ein wenig schwer, aus meiner Konzentration wieder aufzutauchen und direkt umzuschalten. Da brauche ich schon mal zwei, drei Sekunden.
      Ich freue mich auf den Post aus der Reserve.

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    2. Es wird mit dem Alter durchaus besser. Und zwar in dem Sinne, dass man seinen eigenen Unfähigkeiten gegenüber eine gewisse Nachsicht und Toleranz entwickelt. Und lernt, mit ihnen umzugehen (ein Stück weit zumindest).

      ... wenn man es zulässt. Sonst wird man alt, einsam und von Welthass geprägt, so wie mein Exschwieva.

      Herzlich grüßt
      Berno Zimmermann

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    3. Ich lasse es zu. Und habe sehr viel Freude daran, auch mal herzlich über mich selbst zu lachen. Das hilft dabei, das Leben nicht all zu ernst zu nehmen...
      Liebe Grüße zurück.

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  4. *Gröhl* Klingt ja genau wie mein Leben! Nur ohne Rasierschaum. Vielleicht sind wir ja Zwillinge und wurden nach der Geburt getrennt.

    Fettnäpfchen? — Platsch!
    Schusseligkeit? — Öhm ...
    Grobmotorik? — Au!

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    1. Wie schön, dass ich nicht alleine bin. Wir sollten uns zusammentun - dann haben wir beide etwas zu lachen. :-)

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  5. Du nimmst es mit Humor, das ist schön.

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    1. Na klar. Es ist wunderbar, über sich selbst zu lachen. Und ich finde mich ziemlich oft ziemlich witzig. Freiwillig und manchmal auch weniger freiwillig.

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