Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Verlust der Contenance

"Deine blauen Augenmachen mich so sentimental,
so blaue Augen -
wenn du mich so anschaust
wird mir alles andere egal.
Total egal!"

(Ideal: Blaue Augen)

Der Kunde empfängt mich im Büro. "Schön, dass wir uns kennenlernen und ich endlich mal ein Gesicht zu der freundlichen Stimme am Telefon bekomme.", will ich sagen. Ich habe mir nämlich vorgenommen, dieses Gespräch wenigstens höflich zu starten, ehe ich auf den Tisch haue und erkläre, wie viel Arbeit mir der Kunde verursacht, die ich in unbezahlt in meiner Freizeit erledige. Aber der Mann, der mir gegenüber steht, sieht so unfassbar gut aus und lächelt mich so freundlich an, dass ich augenblicklich vollkommen entwaffnet bin. Ich kann nicht auf den Tisch hauen. Ich kann nicht mal reden. Ich kann gar nichts. Außer völlig fassungslos zu sein.

Dieser Mann könnte direkt der Cola-Werbung entsprungen sein - er ist in etwa so alt wie ich, riesig groß, schlank, hat dunkle Haare und die blauesten Augen, die ich jemals an einem Mann gesehen habe. Dabei ist er sich seines Aussehens offenbar überhaupt nicht bewusst. Fast ein wenig schüchtern beginnt er unser Gespräch. Und mustert mich so furchtbar eindringlich, dass ich ihn kaum anschauen kann. Ich habe das Gefühl, dass er tiefer in mich hineinsehen kann, als ich das will. Deshalb bin ich das halbe Gespräch über damit beschäftigt, seinem Blick auszuweichen. Ich will das gar nicht. Ganz im Gegenteil: Ich bemühe mich, seinen Blick zu halten. Aber ich schaffe es nicht. Und er merkt es. Übergeht es lächelnd. Mir ist bewusst, dass ich mich völlig albern verhalte. Ich kann weder mich noch meine Empfindungen verstecken. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Alles, was ich weiß, ist, dass mir das in den drei Jahren, in denen ich jetzt unter anderem Vertrieb mache, noch nie passiert ist.

Um ehrlich zu sein: man sagt mir einen merkwürdigen Männergeschmack nach. Vermutlich weil es mir ganz lieb ist, wenn der Mann an meiner Seite keine Modelfigur hat. Dann muss ich im Bett wenigstens keine Angst haben, ihn zu zerdrücken und muss mir nicht die ganze Zeit dick und unförmig vorkommen, wenn ich neben ihm stehe. Männer flashen mich - im Gegensatz zu Frauen - selten bis nie. Aber bei diesem hier ist es anders. Ich bin regelrecht froh, dass er sich für die Einladung zu der kommenden Vertriebsveranstaltungzwar bedankt, im gleichen Moment aber schon andeutet, dass er vermutlich leider nicht kommen können wird. Für mich bedeutet das, dass wir zwar auch in Zukunft fast täglich Kontakt haben werden, aber dass sich dieser auf Telefonate beschränken wird. Ich glaube, das ist ganz gut so.
Zurück im Büro entdecke ich eine Mail von ihm in meinem Postfach. Plötzlich sind wir beim Du? Was habe ich denn da verpasst? Er schreibt mich mit meinem Vornamen an, stellt eine Rückfrage zum Gespräch und unterschreibt mit seinem Spitznamen. Das ist irgendwie einigermaßen schräg, weil wir uns eine Stunde zuvor noch krampfhaft gesiezt haben.

Nur eine Woche später verschwindet er genauso schnell von der Bildfläche, wie er aufgetaucht ist.
Mein Chef druck mir sein Xi.ng-Foto aus und hängt es mir, im A4-Format, an den PC.
Damit ich ab und zu lächeln kann.
Und was soll ich sagen?
Das funktioniert tatsächlich.


(Ursprünglich hatte ich heute einen liebevoll auf dem Handy getippten Post zu meiner kleinen Reise veröffentlichen wollen. Aber Blogger hat sich verschluckt und den Post mit in die ewigen Jagdgründe genommen. Also miste ich doch einen weiteren Entwurf hier aus. Und ärgere mich über Blogger.)

Kommentare

  1. ich wünsche dir einen erholsamen schönen urlaub;-)

    AntwortenLöschen
  2. Antworten
    1. Stimmt. Stimmt wirklich. Vielleicht wage ich heute einen neuen Versuch...

      Löschen
  3. Du Jungspund kennst Ideal?
    Blaue Augen werden überbewertet ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Kenne ich, jawohl. Und die Coverversion von Blümchen ist mir auch bekannt. Hier musste ich aber, dank der musikalischen Früherziehung (Pink Floyd, GnR, Dire Straits, ...) auf das Original zurückgreifen.

      Was die blauen Augen angeht, pflichte ich dir bei. Obwohl in letzter Zeit vermehrt behauptet wird, meine Augen wären blau. Ich selbst empfinde sie eher als grünlich. Aber wer weiß. Ist vielleicht, ebenso wie die Haarfarbe, streitbar: Straßenköterblond und sumpffarben.

      Löschen
    2. Genau DAS, Mr. Rudi, war auch MEIN erster Gedanke ;-).

      Aber kann man überhaupt blaue Augen überbewerten? (ausgenommen solche aus Game of thrones und World of Warcraft^^)

      Löschen
    3. Die Coverversion von Blümchen ist mir GsD erspart geblieben. Vor meinem geistigen Auge sehe ich, beim hören dieses Songs, immer noch die beiden Humpe Schwestern auf der Bühne tanzen. Wow.
      Deine musikalische Früherziehung war ausgezeichnet.

      Löschen
    4. @Rain
      Du stehst also auf blaue Augen? :-)

      Löschen
    5. @Rudi
      Ich finde meine musikalische Erziehung auch super. Aber da bin ich höchst subjektiv. :-)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis