Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Unsichtbarsein

Es entspinnt sich eines dieser typischen Frauengespräche. Sie reden über Marken-Handtaschen. Bei dem Thema bin ich völlig raus. Marken interessieren mich nicht. Taschen deren Kaufpreise im oberen dreistelligen Bereich liegen erst recht nicht. Stirnrunzelnd werfe ich einen Blick auf meine dreckigen Chucks. Denke darüber nach, ob es mir vielleicht gut tun würde, ein bisschen damenhafter zu werden. Grüble, ob ich mir einen kleinen tussi-touch zulegen sollte. Frage mich, ob ich jetzt das Alter erreicht habe, in dem ich anfangen sollte, meine Schuhe öfter als einmal im Jahr zu putzen. Verwerfe den Gedanken jedoch wieder. Denn irgendwie bin und bleibe ich ein "Bodenkind". Das sich gerne im Schneidersitz auf den Asphalt setzt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Hose dreckig werden könnte. Das sich gerne kopfüber in den Springbrunnen stürzt, ohne darüber nachzudenken, dass sich das Handy noch in der Hosentasche befindet und die Kleidung nass werden wird. Das gerne von Matsch- zu Matschpfütze springt. Oder wild mit Farbe herumkleckst.

Mittlerweile sind die beiden Frauen, die neben mir sitzen, über dreiundzwölfzig Umwege auf irgendeine Bekannte zu sprechen gekommen, die "ganz schön fett geworden ist". Das ist noch so ein Thema, das mich unberührt lässt. Ich spüre, wie ich innerlich damit anfange, mit den Augen zu rollen. Das Gen, meine Zeit damit zu verbringen, das Aussehen, die Handlungen und die Gefühle anderer Menschen zu bewerten und zu verurteilen, scheint mir weitestgehend zu fehlen. Vermutlich weil ich viele dieser Bewertungen und Urteile als leichtfertig, vor allem aber als zu grob empfinde. Zu oft habe ich das Gefühl, dass das Leid und die Fehler anderer mit dem Ziel betrachtet werden, sich selbst besser zu fühlen und darüber zu mehr Selbstakzeptanz zu finden. Für mein Empfinden schwingt in dieser Art von Tratsch immer ein Hauch von Arroganz mit. Deshalb mag ich den Begriff "fremdschämen" auch so überhaupt nicht. Weil er für mich impliziert, etwas besser zu wissen oder zu können.

Nachdenklich sitze ich dort, in der Fußgängerzone, auf meiner Bank, lausche den Gesprächsfetzen, die mich passieren und betrachte die Menschen, die an mir vorbeiströmen. Mindestens die Hälfte der Blicke, die ich auffange, bleiben undurchdringlich und sehen durch mich hindurch. Und ich frage mich, was in den Köpfen der Leute vor sich geht. Eine Minute reiht sich an die andere, als wären sie Perlen auf einer dünnen Schnur, und ich suche in dieser Menschenmasse nach dem wachen Blick eines Menschens, der mich meint. Ich finde nichts.
Die Frauen, die neben meiner Bank stehen, plappern.
Je dünner das Thema wird, desto lauter werden ihre Stimmen.

Kommentare

  1. Hiermit
    "Zu oft habe ich das Gefühl, dass das Leid und die Fehler anderer mit dem Ziel betrachtet werden, sich selbst besser zu fühlen und darüber zu mehr Selbstakzeptanz zu finden."
    hast Du wohl leider recht. Keine Ahnung, woher das kommt

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    1. Ich hatte auf Widerspruch gehofft. ;-) Hoffentlich hattest du ein schönes Wochenende, liebe Whimsy.

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  2. Für viele sind dünne Themen äußerst gehaltvoll.

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    1. Ja. Ich spreche mich nicht unbedingt frei davon. Gar nicht. Nur... sind es vermutlich andere dünne Themen, die mich interessieren.

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