Vom Zufall

Wir verbringen Weihnachten in meiner alten Unistadt Magdeburg. Heute Abend wollten wir auf den Weihnachtsmarkt, an unserem früheren Lieblingsglühweinstand, Glühwein trinken. Es ist nur einem glücklichen, kleinen Zufall geschuldet, dass meine Familie heute Abend nicht dort war. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir unter den Verletzten oder Toten gewesen wären, wäre hoch, denn mein Lieblingsglühweinstand ist auf dem Video, das durchs Netz geistert und zeigt, wie das Auto über den Weihnachtsmarkt gesteuert wird und reihenweise Menschen erfasst, gut zu sehen. Seit Stunden steht der Hubschrauber über der Innenstadt. Ab und zu hört man noch vereinzelt Sirenen. Die Straßenbahnen fahren leer. Und trotzdem ist es auf einmal, als ob Magdeburg den Atem anhält. Es ist zu still. Es ist furchtbar. Und ich bin irgendwie konfus, komme nicht zur Ruhe. Vielleicht liegt das auch daran, dass mein Handy permanent piept. Es haben doch deutlich mehr Menschen mitbekommen, wo wir die Feiertage verbringen, als ich ...

Von Tagebuchsachen

Nachdem ich mehrere Nächte fast gar nicht geschlafen habe, liegen meine Nerven blank und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich ins straucheln gerate. Am Ende ist es H., der mich unabsichtlich und ohne es zu wollen aus der Bahn wirft: Er bucht, für mich unvermittelt, einen Urlaub, weil er das gute Wetter ausnutzen will. Der so blöd liegt, dass wir uns vermutlich in den nächsten vier Wochen auch nicht sehen werden. Eine kleine, gemeine Stimme in meinem Kopf flüstert: Urlaub und Sonne sind ihm halt wichtiger als dich zu sehen. Und obwohl ich weiß, dass dieser Gedanke (vermutlich) Quatsch ist, setzt er sich in mir fest und tut weh. Dazu kommt, dass ich ihn vermisse, ein großes hormonelles Ungleichgewicht, das mir vorgaukelt, unwichtig und alleine auf der Welt zu sein zu sein sowie das Körpergefühl eines schwangeren Elefanten. Mir tut alles weh, körperlich und psychisch. Also ziehe ich die Reißleine, wünsche H. von Herzen einen ganz wunderbaren Urlaub und ziehe mich so sehr zurück, wie es möglich ist, wenn man eine Familie hat. 

"Ich bin so fett.", seufze ich beim Blick in den Spiegel. Der Mann verdreht die Augen. "So ein Quatsch.", sagt er. "Du weißt doch, dass du Hormone hast. Guck einfach nicht in den Spiegel. In ein paar Tagen geht's dir schon viel besser!" Ich umarme in den nächsten Tagen allerdings so intensiv das Nutella-Glas, das ich erahne, dass sich mein Körpergefühl zeitnah eher nicht ändern wird.

Wie sehr mir alles - in körperlicher und emotionaler Hinsicht - zuviel ist, zeigt mein Körper, indem er als Reaktion auf meinen Rückzug von allem einfach einknickt. Kopfschmerzen und Fieber. Auch jetzt noch, nach ein paar Tagen. Aber auch das wird wieder vorbeigehen. Hoffentlich relativ zeitnah, denn das 1 Kilo-Nutella-Glas hat sich schon locker um die Hälfte reduziert. Ich will mich nicht mehr so alleine und doof und Hormon-fremdgesteuert fühlen. Ich vermisse mich.

Kommentare

  1. Für mich hört sich das nach Liebe an. Weil man jemand so vermisst, dass es weh tut.

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    1. Ich weiß gar nicht, was ich auf diesen Kommentar antworten soll. Und ich bräuchte an dieser Stelle diesen WhatsApp-Äffchen-Smiley, der sich die Augen zuhält. :-)

      Wer weiß...
      Ich nicht.
      Ich weiß nicht viel im Moment.

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  2. Es gibt 1Kilo Nutella in einem einzigen Glas? Wir leben echt in einer merkwürdigen Welt. 🥸

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