In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein. Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin
Vom Hunger
„Dinge erscheinen uns süßer, wenn wir sie nicht haben. Einmal wollte ich etwas und habe es bekommen. Es war das Einzige, was ich je begehrt habe und als ich es hatte, wurde es zu Staub in meiner Hand.“
(F. Scott Fitzgerald: The Beautiful and Damned)
Ich mag den unverstellten Blick. Mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehend, stehe ich am Strand und schaue zum Horizont. Es gibt keine Grenzen, die die Bewegung einschränken, keine Mauern, die den Blick brechen und keine Fesseln, die mich ernsthaft binden. Trotzdem erliege ich für einen Moment dem Eindruck, ich wäre Truman Burbank (aus dem Film „Die Truman Show“). Für einen kurzen Augenblick fühle ich mich, als könnte ich auch an den Horizont stoßen. So, als wäre es mir möglich, ihn mit der Hand zu berühren und einfach die nächste Tür zu öffnen. Behutsam, dennoch bestimmt.
Ich schließe die Augen und spüre der Ruhe nach, die in mich einzieht, sobald ich am Meer bin. Mit der Zunge fahre ich über meine Lippen und schmecke das Salz, das sich mir auf die Haut legt. Das beständige Rauschen der Wellen überlagert das Geschrei der Möwen und die leisen Gesprächsfetzen vorbeischlendernder Spaziergänger. Ich bin hier. Hier. In mir, bei mir, mit mir. Ganz still stehe ich dort, mit geschlossenen Augen und spüre in mich hinein. Mein Herz schlägt, schlägt, schlägt. Öffnet sich, ist tief, ist weit. Ich bin. Jetzt.
Ganz intuitiv handle ich, als ich die Augen wieder öffne, beide Arme nach vorne ausstrecke und die Fingerspitzen über den Horizont tanzen lasse. Mir ist danach, den Raum, in dem ich mich befinde, zu erweitern. Den Horizont ein Stück zurückzuschnipsen, ihn zu necken, mir ein wenig mehr Platz zu verschaffen und den Blickwinkel zu verändern. Ich will keinen Handstand im Sand machen, um die Perspektive zu wechseln, ich will den Horizont selbst drehen. Ich sehne mich nach mehr, dem Mehr in allem, und überhaupt nach dem Unmöglichen. Ich brauche mehr Luft, um endlich wieder atmen zu können. Mehr Freiheit. Mehr Menschen. Mehr Leben.
Der Hunger sitzt so tief in mir, dass es mich fast schmerzt.
Irgendwann als Jugendliche las ich mal ein Buch - ich glaube, es war "Gangs of New York" von Herbert Asbury - in dem jemand sagte, er würde seinen Kaffee nur schwarz trinken, damit er nichts vermissen müsse, gäbe es mal keinen Zucker oder keine Milch. Ich fand das damals ziemlich nachvollziehbar und auch ein bisschen cool. Deshalb habe ich die Geschichte, auch hier im Blog, gerne erzählt und meinen Kaffee ebenfalls lange schwarz getrunken. Heute, viele Jahre später, fällt mir dieser Spruch wieder ein. Und zum ersten Mal fällt mir auf, wie blödsinnig er ist. Mittlerweile trinke ich meinen Kaffee mit Milch. Täglich und immer. So liebe ich ihn. Und genauso wie ich meinen Kaffee trinke, lebe ich nun auch mein Leben: Es ist nicht gut, prophylaktisch auf Dinge zu verzichten, weil man sie irgendwann mal missen könnte, wenn sie nicht mehr sind. Ich genieße die Dinge heute und koste sie, möglichst bewusst, aus, weil ich nicht weiß, ob es ein Morgen gibt. Wenn es aber kein Morgen gibt
Ich muss an meine Kollegin denken. Vor ein paar Wochen kam sie krank zur Arbeit. Nachdem wir einen halben Tag zusammen in unserem kleinen Büro gesessen hatten, sagte sie ganz unglücklich: "Ich glaube, ich habe Corona. Aber ich darf kein Corona haben. Wenn ich jetzt Corona habe, kann ich nicht in den Urlaub fliegen. Dann kann ich nie wieder glücklich sein." Ich musste etwas lachen, weil ich sie zunächst gar nicht ernst nahm. In dem Wissen um ihre Weihnachtsverliebtheit erwiderte ich scherzhaft: "Doch, doch. Spätestens zu Weihnachten wirst du wieder glücklich sein!" Doch sie schüttelte nur den Kopf. "Nicht einmal dann.", antwortete sie ernst. Ihre Worte sind mir sehr nachgegangen und zunächst einmal konnte ich gar nicht verstehen, warum dem so ist. Eine Zeitlang überlegte ich, ob ich neidisch sein könnte. Auf die Fähigkeit, ein nicht Antreten des Urlaubs als einen so großen Verlust zu empfinden. Aber das war es nicht. Mittlerweile weiß ich, dass es mich schl
Ich lasse die Statusmeldungen bei W.hatsA.pp durchlaufen und stolpere darüber, dass T. Bilder veröffentlicht hat. Das trifft mich, nach Jahren der Stille, unerwartet. Zugleich ist der Zeitpunkt fast schon lächerlich passend, weil ich in letzter Zeit oft an ihn denke. Denn ich lerne an H. wie tief die Verletzungen sind, die T. mir zugefügt hat. Seit T. ist H. der erste Mensch, dem ich es gestatte, so tief in mich hineinzusehen. Das ist irgendwie leicht, weil er so liebevoll und gut zu mir ist und andererseits ist es schwerer denn je, weil ich jederzeit erwarte, an den Punkt zu stoßen, an dem er mich zurückweist. Ich erwarte verbale Verletzungen und Ablehnung meiner Person in vorauseilendem Gehorsam. Der Glaube daran, das etwas wirklich gut sein kann ist mir abhanden gekommen. Ich genieße die Zeit, die wir miteinander verbringen. Aber ich warte auf das Ende. Jeden Tag. Ich vermute, die Bilder aus T. Status' sind aus seinem Bus heraus aufgenommen. Vielleicht auch nicht, aber sie fühle
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