Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Rückblende

Als ich seine Wohnung nach einer komplett schlaflosen Nacht betrete, erschlägt mich ihre Anwesenheit fast. Sie hängt so sehr zwischen den Wänden, dass ich Mühe habe, überhaupt zu atmen. Ganz still bin ich und kneife die Augen zusammen. Anstatt die Zimmereinrichtung zu begutachten, die sich seit dem letzten Mal, als ich hier war, ziemlich verändert hat, blinzle ich und versuche, mich auf Bilder, Tapeten und Spiegel zu konzentrieren. Ich will nicht, dass mein Blick das Bett oder die Matten streift. Sobald ich etwas von all dem in meinem Blickfeld erahnen kann, schaue ich weg. Albern ist das. Vor allem, weil es keinen Unterschied macht, ob ich hinsehe oder nicht: Vor meinen Augen schläft er eh mit ihr.

Er kocht Tee. Ich schweige und sehe ihm dabei zu. Es ist gut, dass ich ihn vorgewarnt habe, dass ich still sein werde. Nichts in mir ist fröhlich. Ganz im Gegenteil. Eine harte, beruflich bedingte Hotel-Woche steckt mir in den Knochen. Ganz-Tags-Programm bis spät in die Nacht hinein. Trotzdem ist es besonders das Gespräch, das wir in der letzten Nacht geführt haben, das mich erschöpft. Ich habe ihn provoziert, mir wehzutun. Er ist der Provokation gefolgt. Erfolgreich. Mir tut alles weh und meine Augen brennen.

"Setz dich.", sagt er. Ich gucke etwas gequält. "Kann ich vielleicht einfach... stehenbleiben?", frage ich zaghaft. Ich habe keine Ahnung, wo ich mich hier hinsetzen soll. Auf den Teppich, auf dem sie Sex hatten? Auf sein Bett, auf dem sie Sex hatten? Auf die Meditationsmatten, auf denen sie Sex hatten? Mir ist schlecht. Vielleicht stelle ich mich an wie ein kleines Mädchen, aber ich kann einfach nichts dagegen tun, dass mir das Wissen, das er mir gegeben hat, wehtut. Mein Kopfkino frisst mich von innen auf. "Natürlich kannst du stehenbleiben.", sagt er sanft und sieht mich prüfend an. Kurz zögert er. "Ich setze mich auf das Sofa.", sagt er und deutet mit dem Kopf in die Ecke. Er weiß, was ich denke. Das kann ich in seinem Blick lesen. Ich atme. Dann folge ich ihm zögerlich. Das Sofa ist ganz bestimmt viel zu klein, um darauf miteinander zu schlafen. Und zu unbequem. Als ich mich neben ihn setze, fällt mir ein kleiner Zettel auf, der auf dem Fensterbrett liegt. Er ist mit einer ordentlichen, runden Frauenhandschrift beschrieben und der erste von mehreren, die ich in den nächsten Stunden entdecken werde. Ich ziehe meine Beine ganz nahe zu mir heran und umschlinge sie mit den Armen. Wie müde ich bin. Muss mich selbst festhalten. Es erschrickt mich, wie beklemmend anwesend ein Mensch sein kann, ohne dass er wirklich da ist.

Vielleicht gibt es hier, in dieser Wohnung, keinen Platz für mich, denke ich. Gibt es diesen Platz für mich in seinem Leben? Zweifelnd erwidere ich seinen Blick. Für einen Moment bin ich vollkommen sicher, dass es ein Fehler war, hierher zu kommen. Ich fühle mich wie ein Fremdkörper.


*.*

Irgendwann merke ich, dass es okay ist, wie ich mich fühle. Er setzt mich nicht unter Druck. Ganz im Gegenteil: Er beobachtet mich voller Aufmerksamkeit. Selbst auf die kleinsten Gesten meinerseits reagiert er. Behutsam. Mittlerweile liegen wir doch auf den Meditationsmatten. Es ist... ganz okay. In dem Versuch, mein Kopfkino loszuwerden, bin ich einfach still.


"Schau", sagt er leise und greift nach etwas weichem neben sich. Er zieht den Schal, den ich ihm gestrickt habe, hinter seinen Rücken hervor. Ein zotteliges, langes und ausgesprochen hässliches Stück Wolle. Es ist eines dieser Geschenke, über die man sich freuen muss, weil sie ein Geschenk sind, aber dabei innerlich völlig irrtiert den Kopf schüttelt. Er behauptet trotzdem - und noch immer -, er hätte sich darüber gefreut. "Manchmal kuschle ich mich in ihn hinein, wenn du mir fehlst. Er liegt immer hier.", sagt er leise und schmiegt seine Wange tief in den Schal hinein. Unsere Finger verknoten sich in einander. Es ist der erste Schal, den ich jemals zuende gestrickt habe. Die Liebe, die Wut und die Zerissenheit mehrerer Wochen spiegeln sich in ihm. Er ist alles andere als gleichmäßig gestrickt. Aber immerhin ist die Wolle grob genug, um die meisten Fehler zu verdecken. Die, die man erahnen kann, spiegeln unsere Fehlbarkeit.

Ich muss ein bisschen lächeln, als ich an die Zeit zurückdenke, in der ich die Stricknadeln habe klappern lassen. An die vielen Gefühle, unsere Lust, die Liebe in uns. Lust. Ich stolpere innerlich. Plötzlich ist er da, der Gedanke daran, dass auch in diesem Schal der Sex mit ihr steckt. Für einen Moment stelle ich mir vor, wie sie hier, auf den Matten, miteinander geschlafen haben. Ein Bild taucht in mir auf. Er kniet über ihr, küsst sie, eine Hand auf den Schal gestützt. Unwillkürlich verziehe ich das Gesicht. Seine Augen treffen meine. Entspannt ruhen sie auf mir. Ich weiche ihnen aus. Wenn ich ihn jetzt ansehe, wird er in mir lesen können wie in einem offenen Buch.
"Was ist mit dir?", fragt er vorsichtig, "Was denkst du?".
Ich schüttle leicht den Kopf, atme tief in meinen Bauch hinein und versuche, den Gedanken an nackte Haut und ganz viel Liebe wieder loszulassen.
"Der Schal...", sagt er. Dieses Mal bin ich diejenige, die weiß, was er denkt. Erschrocken sehe ich ihn an und schüttle diesmal ganz heftig den Kopf. Alles in meinem Blick sagt: "Nein! Nein. Ich will das nicht wissen. Egal, was du dazu sagen willst: Sag nichts. Sag bitte einfach nichts. Ich will nichts davon hören.".
Er spricht trotzdem weiter.
"Du hast... an die Matten gedacht, auf denen wir liegen.", stellt er leise fest. Schon nach 24 Stunden sind die Worte "Matten", "Bett" und "Auto" Synonyme für Sex geworden. Wie gut er darin ist, meine Gedanken zu lesen, macht mir Angst. Während sein Daumen meine Hand streichelt, schießen mir mit unerklärlicher Heftigkeit Tränen in die Augen. Sind es der Schlafmangel und das emotionale Chaos, die mich innerlich so aufweichen? Ich will nicht vor ihm weinen. Das ist so... intim. Mit geschlossenen Augen versuche ich liegend, den Boden unter meinen Füßen wiederzufinden.

"Muschelmädchen.", sagt er. Er klingt ein bisschen hilflos. "Den Schal gab es noch gar nicht, als...". Alles in mir zittert. Ich löse meine Hand aus seiner und ziehe sie zu meinem Gesicht, bedecke meine Augen. In mir tobt ein Gefühlsorkan. Ich will nicht weinen. Ich will nicht weinen. Ich will nicht weinen. Verdammt nochmal. Ich will nicht weinen.
Vor lauter Mühe, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, zuckt mein Gesicht. Das ist so... peinlich. Keine Ahnung, wie er das macht. Ich kann mich nicht verstellen, wenn er in meiner Nähe ist. Es ist vollkommen egal, dass ich Härte gegenüber der anderen Frau zeigen möchte. Dass ich ihm eigentlich vorspielen will, dass mich all das absolut kalt lässt. Dass es mir egal ist. Er öffnet mir Herz und Seele, ohne etwas dafür zu tun. Sobald ich ihn spüren kann, seine Anwesenheit, seinen Blick auf mir, seine Berührungen, werde ich weich und vollkommen verletzlich. Vor ihm bin ich nackt. Vollkommen durchschaubar.

Als der Sturm in meinem Inneren nachlässt, sehe ich ihn an. In meinen Augen glitzern Tränen. Mich verstecken zu wollen, entbehrt aller Sinnhaftigkeit. Wenn er mich eh durchschaut, kann ich mich auch zeigen. Tränen. Verletzlichkeit. Unsicherheiten. Vorsichtig zieht er mich ganz nahe zu sich. Seine Hände liegen warm an meinen Wangen, als er mich behutsam auf die Stirn küsst. So trügerisch sanft. Als wäre ich inmitten von Chaos geborgen und sicher.

*.*

Ich schmiege meinen Kopf in seine Halsbeuge. "13.", nuschle ich leise. "13?", fragt er. "Ja, 13.", flüstere ich. "Mmh...", er wackelt ein bisschen mit dem Kopf und überlegt, während seine Fingerspitzen über meinen Rücken fahren, "Mit 13 Jahren habe ich ziemlich viel Fernsehen geguckt. Über dieses Lebensjahr kann ich eigentlich gar nicht so richtig viel erzählen.". "Welche Sendungen hast du denn geschaut?", frage ich mit geschlossenen Augen. Er zählt ein paar auf. Sein kindlicher Seriengeschmack läuft vollkommen konträr zu meinem.

Mir ist alles egal. Ich blende die Welt aus und höre ihm zu. Ich spüre seine Lippen an meiner Stirn, lasse mich von seinem Atem streicheln und rieche ihn. Manchmal kann ich nicht mehr zwischen unseren Herzschlägen unterscheiden. Und obwohl ich ihm so nahe bin, fühle ich mich immer noch nicht nahe genug. Am liebsten würde ich in ihn hineinkriechen.

"Willst du bleiben?", flüstert er.
"Möchtest du, dass ich bleibe?", frage ich flüsternd zurück.
"Ja.", antwortet er schlicht.
Ich schaue auf die Uhr.
"Wenn ich fahren will, muss ich jetzt los...", stelle ich unsicher fest.
Er schlingt seine Arme fester um mich.

*.*

Es ist noch früh am Abend, etwa 20 Uhr, und doch liegt er neben mir und versucht zu schlafen. Ich schiebe eine Hand auf seinen Po. Mmmh. Ganz leicht lächle ich in mich hinein und versuche, mich nicht zu bewegen, damit er nicht aufwacht. Es fällt mir so schwer stillzuliegen. Eigentlich müsste ich, ob meines Schlafmangels, augenblicklich einschlafen, aber ich fühle mich rastlos.

Mein Herz peitscht mich vorwärts. Und während ich mir vorstelle, dass sein Bett ein Segelboot ist, dass wir uns einfach mit den Wellen treiben lassen, liegt mir noch immer die wichtigste Frage auf den Lippen. Sie brennt sich in mich hinein. Kann ich mich hier sicher fühlen? Und wenn ja, warum fühle ich mich dann nicht so? Ich traue mich nicht, sie in die Stille des Abends hineinzuflüstern.

Während das Zimmer allmählich in Dunkelheit versinkt, kuschle ich mich an ihn heran. Behutsam schiebe ich meine Hand in seine. Er drückt sie sanft. Es ist eine einfache, schlichte Geste. Eine, die mich tief berührt.

*.*

Die Nacht hat sich über das Zimmer gelegt. Mit ihrem Einzug sind die Berührungsängste verschwunden. "Zeigst du mir dein Spielzeug?", frage ich leise in die Dunkelheit hinein. Es ist ganz besonders der Magic Wand, der mich interessiert. Als er ihn mir reicht, streichle ich mit den Fingerspitzen darüber. "Darf ich ihn anmachen?", frage ich. Unsicher bin ich nicht mehr. Nur noch neugierig. Er nickt.
"Probier ihn aus.", sagt er schlicht.

Für einen Moment zögere ich. Wir liegen nebeneinander im Bett, voll bekleidet, haben keinen Sex miteinander und er fordert mich auf, das Sexspielzeug auszuprobieren. Als gäbe es nichts, was naheliegender wäre, als alle Intimität in einer einzigen Nacht miteinander zu teilen. Wie seltsam das ist: Ich hinterfrage unsere Situation nicht. Stattdessen fühlt es sich vollkommen natürlich an, was wir tun. Ich will das alles. Ich will es ganz unbedingt. Und ich will den Magic Wand unter seinem Blick genießen.
"Nur über der Kleidung.", sage ich. Mit einem Male bin ich doch ein wenig schüchtern und ein bisschen froh darüber, dass es dunkel ist. Bestimmt steht mir mein Wollen offenkundig ins Gesicht geschrieben.

Ich ziehe den Magic Wand zu mir unter die Bettdecke und schalte ihn an. Seine Vibration zaubert mir ganz automatisch Lust in den Unterleib. Aber obwohl sie unwahrscheinlich stark ist, erreicht sie mich nicht ganz, über der Hose, die ich trage. "Ich mag die Hose ausziehen.", sage ich einfach, schalte den Massagestab aus und warte seine Antwort nicht ab. Stattdessen entledige ich mich meiner Hose und schiebe den Magic Wand behutsam zwischen meine Beine. Über meiner Unterwäsche streichelt er meine Schamlippen. Für einen Augenblick lasse ich ihn dort unangeschaltet ruhen und hole tief Luft. "Pass auf.", sagt er leise. So intensiv sieht er mich an, dass ich seinen Blick fühle, als wäre er eine Berührung. "Wenn du ihn anschaltest, geht es wirklich schnell...". Ich nicke. Atme noch einmal durch. Spüre dem Kribbeln nach, das diese merkwürdige Situation in mir auslöst. Schalte ihn an.

Ich glaube, ich schließe die Augen. Die Vibration trägt mich weg. Mein Becken beginnt ganz automatisch zu kreisen. Wohlwissend, dass er mir zusieht, schmunzle ich in mich hinein und gebe mich meiner Lust hin. Ein leises Seufzen entschlüpft meinen Mund. All das geht wirklich viel zu schnell. Er stützt den Kopf auf seine Hand und betrachtet mich. "Zieh deine Unterwäsche aus.", sagt er nach einigen Minuten ruhig. Seine Worte sind weder Bitte noch Frage. Dieser Mann ist so unverschämt anziehend. Viel zu gefährlich für mich.

*.*

Den Kopf zwischen meinen Schenkeln vergraben, hält er plötzlich inne und sieht nach oben, zu mir.
"Sag mir, wo ich dich lecken soll, Muschelmädchen.", flüstert er in die Stille der Nacht hinein.
Ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen schießt. Ich weiß, was er von mir hören will. Welches Wort. Und er weiß, wie schlecht ich darin bin, das Wort, das er verlangt, auszusprechen. In den nächsten Sekunden - oder Minuten? - fechte ich einen harten Kampf mit mir aus. Bis ich schließlich tief Luft hole. Und es ausspreche. Eine atemlose Bitte hinterherschiebend. Der er ohne zu zögern folgt.

*.*

"Für mich bist du einfach perfekt.", sagt er. Dabei stützt er den Kopf auf seine flache Hand und sieht mich so direkt an, dass mir ganz schummerig wird.

Fast nackt liege ich in seinem Bett und ziehe verlegen die Augenbrauen zusammen. Dann schüttle ich leicht den Kopf. Mir fällt kein Mensch ein, der unzureichender ist, als ich es bin. Nicht einmal dann, wenn ich mich so tief in mich selbst hineindenke, wie ich es kann. "´Perfekt´ nach unserer Definition.", fügt er leise hinzu. Ich lächle. 
Perfekt ist, was unperfekt ist. Ecken, Kanten und Gebrauchspuren erzeugen Charakter und Seele. Nichts ist perfekt. Aber manches wird perfekt durch Unvollkommenheit. Je nachdem, welche Augen es betrachten.

*.*

Als ich wieder erwache, staune ich darüber, dass er neben mir liegt. Während sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen, beobachte ich ihn. Ganz friedlich hebt und senkt sich seine Brust. Behutsam schiebe ich meine flache Hand auf sein Herz und spüre seinem Herzschlag nach. Er kribbelt sich durch mich hindurch, bis ich das Gefühl habe, es nicht mehr aushalten zu können. Ich stütze den Kopf auf meine Hand, beuge mich zu ihm hinab und lege meine Lippen ganz vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, auf seine. Er bewegt sich leicht. Während meine Lippen sanft auf den seinen ruhen, beginnt er zu lächeln.

*.*

Der schwarze Dildo fühlt sich an, als würde er mich komplett ausfüllen. Kaum hat sich mein Körper an ihn gewöhnt, trifft mich bereits der erste elektrische Impuls. Auf dem Rücken liegend zucke ich zusammen, will die Beine näher an mich heranziehen, um mich zu schützen. Doch anstatt das Brennen auszubremsen, intensiviert meine körperliche Reaktion das Gefühl um ein Vielfaches. Eine Mischung zwischen Aufstöhnen und Aufschrei schlüpft mir über die Lippen und fast meine ich, die Elektrizität knistern hören zu können.
Die Fernbedienung in der Hand haltend, sieht er mich an.
Und ich kann mich nicht konzentrieren. Nicht in Gänze. Als wäre ich selbst nur ein Funke, springt meine Aufmerksamkeit zwischen meiner Lust und ihm hin und her, unfähig, sich endgültig für eine der beiden Seiten zu entscheiden. Bis er mich zwingt, alle Aufmerksamkeit auf mich selbst zu richten, indem er die Intensität steigert. Dieses Mal schreie ich tatsächlich. Der Schmerz, der mir in den Schoß schießt, ist so grell, dass ich mich binnen einer halben Sekunde auf meine Unterarme gestützt wiederfinde und rein intuitiv versuche, mich von ihm weg zu bewegen. Bis mir bewusst wird, dass sich der Dildo in mir befindet und ein Weglaufen nicht möglich ist.
"Halte aus.", sagt er, "Warte ab..."
Und schließlich hat er recht: Sobald sich mein Körper an das Gefühl gewöhnt hat, zündelt die Lust. Und ich will mehr. Härtere Impulse. Mehr Schmerz. Mehr Dominanz.
Und während er meine Lust kontrolliert, lächelt er.
"Wie empfindsam du bist...", stellt er fest.
 *.*

Längst erfüllt warmes Tageslicht seine Wohnung. Wir haben kaum geschlafen, liegen aber noch immer im Bett. Zu träge, den Tag zu beginnen. Heißt Aufstehen doch schließlich, ein weiteres Mal Abschied zu nehmen.
Plötzlich klingelt es an der Tür.
Vielleicht bilde ich es mir ein, aber es ist kein normales Türklingeln. Ich empfinde es vielmehr als fordernd und aggressiv. Mein ganzer Körper verkrampft sich. Die Zettel auf dem Fensterbrett fallen mir ein. Die runde, weibliche Handschrift. Die Frau, der er Tee kocht. Und die sich so ekstatisch bewegt, wenn sie ihn reitet.
Auch er erstarrt.
Es klingelt erneut.
"Hat sie... einen Hausschlüssel?", frage ich heiser.
Er nickt.
"Aber sie würde niemals einfach so reinkommen.", antwortet er sanft, "Nicht wenn sie absolut sicher weiß, dass ich hier bin."
Ich würde ihm gerne glauben. Aber ich sehe die Unsicherheit in seinem Blick.
Mit einem kräftigem Ruck ziehe ich das helle Laken, das unsere Körper bedeckt, über meinen Kopf. Sehe ihm dabei zu, wie es sich über mir aufbläht und sich dann leicht, fast schon sanft, um meinen Körper hüllt. Ich schließe die Augen. Die Landung auf dem Boden der Realität tut weh. Mit einem Mal weiß ich nicht mehr, was ich hier tue. Ich schlafe mit einem Mann, dem ich niemals genug sein werde. Der immer eine andere Frau haben wird. Und der jedes Mal wieder versprechen wird, es kein weiteres Mal zu tun.
Ich tue mir selbst weh.
Und ich füge der Frau, die gerade vor der Tür steht, Schmerz zu.
Auch wenn sie, so wie ich von ihr, von mir weiß.
So ein Mensch will ich nicht sein.
Ich will mich nicht mehr so fühlen müssen.
So traurig, verletzt und ausgebrannt.

*.*

Als sich der Zug in Bewegung setzt sehe ich ihn an. Ich blicke geradewegs in seine Augen bis er aus meinem Sichtfeld verschwindet. Plötzlich fühlt es sich an, als wäre es das letzte Mal, dass wir uns sehen.
Ist das hier das Ende?
Ich weiß es nicht.
Noch gibt es einen Funken Hoffnung in mir, der konsequent behauptet, dass sich jetzt alles zum Guten wenden könnte. Weil ich daran glaube, dass er sein Verhältnis zu ihr endlich beenden wird. Aber das wird er nicht. Stattdessen wird er sie vögeln. Ein weiteres oder viele weitere Male. Nur kurz nach meiner Abfahrt. Und das wird es schlußendlich sein, was den letzten Rest meines Vertrauens zerstören wird. Nachhaltig.

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