Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Fischen

Mein Verhältnis zu Angel- und Aquaristikläden ist irgendwie speziell. In dieser Art von Laden lerne ich immer mal wieder etwas über mich selbst. Und mache mich zum Apfel. Üblicherweise.

Bei einem Besuch vor ein paar Jahren habe ich beispielsweise über mich selbst gelernt, dass ich offenbar in Maßen zur Objektophilie neige. Anders kann ich mir meine Liebe, die ich urplötzlich für einen Pilker (künstlicher Köder), den ich noch nie im Leben gebraucht habe, nicht erklären. Dieser Pilker lag so schön in meiner Hand. Er hat so perfekt hineingepasst und hatte das ideale Gewicht. Und geglitzert hat er auch. Ich wollte ihn unbedingt haben.

Überhaupt überfallen mich in Angel- und Aquaristikläden häufig Liebesanfälle. So bin ich neuerdings verliebt in einen bezaubernden Fisch, der in dem Laden meiner Wahl fröhlich vor sich hin fischt. Wenn meine Wohnung ein riesiges Aquarium wäre, hätte ich ihn schon gekauft. So stehe ich nur in den letzten Tagen immer mal wieder vor dem Becken und murmle verzückt "Oh, du Liebe meines Lebens". Und nein, das ist kein Scherz. Sehr zur Freude der dort angestellten Aquarianer, die mich anscheinend äußerst erheiternd finden. Deshalb teile ich einem der Aquarianer auch mit, dass ich mich verliebt habe. In den Fisch. Irgendwie muss ich ja schließlich herausfinden, wie das heißbegehrte Objekt der Begierde heißt, das mich verzaubert hat. Ich habe Glück: Der Aquarianer entpuppt sich nicht nur als ein Mann, der herzlich über mich lachen kann. Er hat auch noch Ahnung von Fischen - und das ganz ohne Pappschildchen ablesen zu müssen! Bin mittelprächtig beeindruckt. So teilt er mir mit, dass es sich um einen gefleckten Hechtsalmler handelt, in den ich mich verguckt habe. Und dann sind wir beide ganz glücklich - ich, weil ich in einen Hechtsalmler verliebt bin, und er, weil ich ihm erlaube, mich ab sofort "Hechtfrau" zu nennen. Super.

Unwillkürlich frage ich mich, ob es sich mit Fischen so ähnlich verhält wie mit Hunden und deren Besitzern - es heißt ja, Hundebesitzer nähern sich im Laufe ihres Lebens in Form und Aussehen ihrem Hund an. Hechtähnliche Punkte gehen mir im Moment, dem Himmel sei Dank, zwar noch ab, wenn man von den zwei, drei Sommersprossen auf meine Nase absieht, aber eine gewisse Nasenähnlichkeit zwischen dem Hecht und mir ist auf jeden Fall vorhanden. Das sehe sogar ich und ich bin ziemlich gesichtsblind! Wir stupsnasen uns beide durch die Gegend. Er stupst mit der Nase gegen die Glaswände seines Aquariums und ich stoße mir die Nase am Leben ab. Wir werden beide von Tag zu Tag stupsnasiger. Und mutloser.
Ehrlich, der Hecht ist super. Ich will ihn haben. Und würde ihn Theodor nennen.
Theodor wäre ein glücklicher Fisch, dürfte er bei mir leben.

Worauf wollte ich eigentlich hinaus?
Ach, richtig:
So ganz unwahrscheinlich ist es gar nicht, dass meine Wohnung sich demnächst in ein Komplett-Aquarium verwandelt. Wenn ich nämlich etwas überhaupt nicht ertragen kann, dann ist es Unrecht gegenüber Kindern und Tieren. Und schon gar nicht, wenn es mir selbst nicht gut geht. Dann bin ich noch viel empfindlicher in dieser Hinsicht. Außerdem tröstet es mich, Gutes zu tun, wenn ich selbst nicht auf der Höhe bin. So kommt es, dass ich in den letzten Tagen - vermutlich ist das auch eine Art von Flucht, aber sei es drum... - ehrenamtlich nicht nur drei neue Klienten zur Betreuung übernommen habe, sondern auch nicht an mich halten konnte, einen Kampffisch aus einer, meiner laienhaften Ansicht nach, nicht wirklich artgerechten Haltung retten musste. Jetzt habe ich also noch ein zweites Aquarium. Und einen Fisch, der den Namen "alter Fritz" trägt. Frei nach Friedrich II. Meine Fische sind alle königlich. Mal gucken, ob ich es irgendwann schaffe, die Weltgeschichte vollumfänglich in Fischform darzustellen. Wenn ich meinen Mitbewohnerstamm weiter in der Geschwindigkeit ausbaue, die ich in den letzten Wochen an den Tag gelegt habe, sollte das gar kein Problem sein. Weltgeschichte im Schnelldurchlauf.

Habe nichtsdestotrotz beschlossen, mir keine Aquaristikabteilungen mehr in Baumärkten anzusehen. Sonst bin ich nicht nur bald ein Tier-Messi, sondern komme auch nicht mehr umhin, mir in meinem Lieblingsaquaristikladen demnächst für 60 Euro einen Feuerfisch anzueignen, um Menschen, die Tieren Leid zumuten, auch mal Schmerzen zuzufügen. Kann ja nicht so schwer sein, die mal zu zwingen, die Hand in eines meiner Aquarien zu halten. Der Feuerfisch sticht sicherlich gerne mal zu.
Aquaristikkram wird zukünftig nur noch in einem einzigen Laden von mir gekauft. Weil ich es so mag, wie sie dort mit den Fischen umgehen. Irgendwie liebevoll und sorgsam. Außerdem haben die Becken die richtige Größe und sind gepflegt. Jedem Besucher wird erst einmal ein mehr oder weniger ausführliches Beratungsgespräch an die Backe genagelt, ehe er etwas kaufen darf.
Richtig verliebt in diesen Laden bin ich, seit ich heute unfreiwillig Zeuge eines Verkaufsgespräches wurde, bei dem ein kleiner, untersetzter Mann seinem Kampffisch ein bisschen Gesellschaft in Form von ein paar Guppys zukommen lassen wollte. Eine Kombination von Fischen, die sich eher nicht verträgt. Fürchterlicher Typ. Der Käufer. Am Ende ist er knatschig, weil ihm keine Guppys verkauft werden und droht an, seinen Kampffisch dann eben im Klo runterzuspülen. Der Verkäufer muss sich sichtlich zusammenreißen, um nicht zu explodieren. Das kann ich verstehen. Es geht mir auch so. Und ich mag Menschen, die für das brennen, was sie tun.
Als der fürchterliche Typ den Laden angepisst und fischlos verlässt, wendet der Verkäufer sich wieder mir zu. Leute, die Fische im Klo runterspülen, sind schlechte Menschen. Das stellen wir einhellig fest. Und weil ich ihn, der sich noch immer spürbar über das vorangegangene Gespräch ärgert, irgendwie ziemlich sympathisch finde und das Bedürfnis verspüre, ihn zum Lachen zu bringen, vertraue ich ihm an, dass ich seit ein paar Tagen ernshaft in Erwägung ziehe, meinen lang erdachten Plan zu verwerfen:

Vielleicht will ich in meinem nächsten Leben gar keine Sonnenblume mehr werden. Sondern viel lieber eine Saugschmerle. Weil: Die sind unfassbar niedlich, essen ganz viel und sehen dabei absolut witzig aus.
Das klingt für mich nach einem erfüllten, glücklichen Leben.
Ich wäre gerne eine Saugschmerle in Freiheit.

Danach kann er lachen.
Der Verkäufer.
Und ich auch.
Wenigstens für einen kurzen Moment.
Bevor mir schlagartig wieder bewusst wird, was ich verloren habe.

Seid lieb zu Fischen und Tieren und Menschen.

Kommentare

  1. Antworten
    1. Ach, nicht wirklich.
      Eher durchgeknallt. Von Kopf bis Fuß.

      Löschen
  2. Bis zu einem gewissen Punkt musste ich herzhaft schmunzeln. Jeder Mensch sollte seinen Tick haben (Fetisch wollte ich jetzt nicht schreiben ! ;) )
    und dann las ich Deinen letzten Satz....
    Du bist genauso zerrissen wie ich gerade.
    Aber weißt Du: Irgendwann....vielleicht nicht gleich...aber irgendwann wird auch für uns die Sonne wieder scheinen !!! Wir müssen nur beide ganz fest daran glauben !
    Herzliche Grüße von der Küste.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. An die Sonne kann ich irgendwie zurzeit nur morgens glauben. Abends bin ich zu erschöpft.
      Und nun das Aber!
      Aber! Ich wollte mir ja ein Beispiel an dir nehmen.
      Und du hast recht. Ohne Zweifel.
      Auf jeden Fall wird die Sonne wieder scheinen!

      Liebe Grüße zurück.
      Aus der Küstennähe.
      Irgendwo im Norden.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis