Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Berlin City Girl

Ich habe heute Morgen gelernt, dass ich den verqueren Morgen auch in andersherum schaffe - nämlich nicht, wie hier beschrieben, in "alles geht schief", sondern durchaus auch mal in der "Besser geht es nicht!"-Variante.

Es ist 7:30 Uhr, als ich mit meinem Firmenwagen ("Rasowski") an einer Ampel in der Innenstadt stehe. Wie fast jeden Morgen wecke ich mich laut mit Musik. Aus den Boxen dröhnt Culcha Candelas "Berlin City Girl". Das passt zu mir, denn ich bin eine waschechte Berliner Göre. Und in manchen Momenten, wenn ich Berlin vermisse, höre ich dieses Lied auf voller Lautstärke. Wie fast immer hüpfe ich auch heute wie ein Flummi hinter dem Lenkrad herum und tanze, so gut es mir im Sitzen eben möglich ist.
In meinem Augenwinkel leuchtet plötzlich etwas Oranges auf. Als ich aus dem Fenster blicke, sehe ich etwa drei Meter von mir entfernt einen Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe stehen. Von Kopf bis Fuß in orange gekleidet. Er wendet mir den Rücken zu. Aber dann fängt er langsam an, im Takt meiner Musik, den Kopf zu bewegen. Immer stärker. Ich muss grinsen, bin aber nicht auf das gefasst, was im nächsten Moment passiert: Blitzschnell beginnt er plötzlich damit, rückwärts den absolut perfekten Moonwalk hinzulegen. Kurz vor meinem Auto dreht er sich zu mir um, lüpft seine orange Schiebermütze und verbeugt sich grinsend vor mir. Ich strahle über das ganze Gesicht und kann nicht aufhören zu lachen. Er lacht zurück. In diesem Moment schaltet die Ampel auf grün. Noch immer strahlend blinzle ich ihm zu, winke und gebe schließlich Gas. 
Nur wenige hundert Meter weiter muss ich an der nächsten Ampel stoppen. Noch immer lächelnd bin ich schon wieder lauthals am Singen, als plötzlich jemand an mein Autofenster klopft. Ich zucke zusammen und erschrecke mich fast zu Tode. Mit einem Handgriff drehe ich die Musik runter und öffne das Fenster. Mit großen Augen starre ich den Mann - mittleres Alter, dunkelblonde Haare, grüne Augen - an, der sich zu mir runterbeugt. Er registriert offenbar meinen fassungslosen Gesichtsausdruck, lacht los und hebt entschuldigend die Hände. "Ich wollte sie nicht erschrecken...", sagt er freundlich. "Ich wollte ihnen nur einen schönen Tag wünschen." Er deutet auf das Auto hinter sich. "Ich fahre hinter ihnen. Um ehrlich zu sein, war ich neugierig, wie die Person aussieht, die so wild in dem Auto vor mir tanzt."
Ich laufe vor Verlegenheit rot an, lache aber.
"Ich wünsche ihnen auch einen tollen Tag!", rufe ich fröhlich.
Er lächelt mich an.
Aber weil auch diese Ampel nun auf grün schaltet, müssen wir unser Gespräch unterbrechen. Er beeilt sich, wieder zu seinem Auto zu kommen, löst aber dennoch ein Hupkonzert hinter sich aus. In der Rush Hour sind nun einmal alle in Eile. 20 Kilometer fahren wir in etwa zusammen. Als ich abbiege, setze ich den Warnblinker und er blendet auf. Ich winke ein letztes Mal. Schmunzelnd.
So darf ab jetzt jeder Morgen starten.



Kommentare

  1. Diese Erzählung versüßt mir den Morgen! Danke

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    1. Sehr gerne! Schön, dass ich diese Geschichte teilen konnte. Mir hat sie auch sehr den Morgen versüßt.

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