Von 1992
Es ist der Sommer im Jahr 1992. Meine Eltern haben es satt, Häuser zu besetzen und Steine zu schmeißen. Stattdessen beschließen sie kurz nach dem Studium sesshaft zu werden und kaufen ein riesiges Grundstück in einem der damaligen Randbezirke Berlins. Für 25.000 halb gesparte, halb geliehene Mark.
Auf dem Grundstück steht ein altes Haus. Mit sieben Jahren finde ich ein unheimliches Vergnügen daran, mit einer Eisenstange die nur noch spärlich vorhandenen Putzreste an der Hausfassade abzuschlagen und dem Putz beim hinabrieseln zuzuhören. Ich finde das witzig, meine Eltern nicht. Aber was soll´s: Das Haus ist, mit oder ohne Putz, kaum bewohnbar. Es verfügt über zwei Öfen. Bei einer Außentemperatur von -6 Grad Celsius bringt man es, unter ständiger Befeuerung, auf +4 Grad Raumtemperatur. Zwei Zimmer und das Bad sind beheizbar. Der Rest des Hauses ist annähernd unbewohnbar. Hier und da fehlt ein Fenster, die Wände sind ungedämmt, die Decke besteht aus rohen, unbehandelten Holzplanken. Überall, an den Türen, den Fensterrahmen, platzt Farbe ab. Ich mag es nicht, nachts auf Toilette zu gehen. Zum einen weil ich Angst habe, auf dem Klositz festzufrieren, während mein Atem kleine Dunstkringel in die Luft zeichnet. Zum anderen bin ich mir sicher, dass es in unseren vier Wänden, wenigstens aber auf dem Dachboden, spukt. Als wir das Haus einige Jahre später abreißen, finde ich mich in dieser Annahme bestätigt. Denn versteckt im Mauerwerk findet sich die eine oder andere Waffe eines längst vergangenen Krieges. Und obwohl ich ein düsteres Geheimnis, eine dunkle Geschichte von Liebe und Tod erahne, verbringe ich hier eine Kindheit, die glücklicher nicht sein könnte. Zwischen einer Schlafzimmerwand, die mit hunderten von Bierdeckeln tapeziert ist und dem riesigen Bücherregal, das mich die Liebe zum Lesen lehrt. Wir sind arm. Aber ich habe Éltern, einen Opa und eine Oma die mich lieben, einen Sandkasten, eintausend phantastische Phantasiefreunde und ein leuchtendes Lego-Gespenst, das ich meinem besten Freund, den ich in 25 Jahren ganz bestimmt heiraten werde, gestohlen habe. Mir fällt nichts ein, was ich mir wünschen würde. Weil ich glücklich bin.
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Anscheinend verschwinden meine Kommentare, wenn ich sie über das Google-Konto schreibe ... :-(
AntwortenLöschenAlso nochmals:
Du warst (bist?) ja extrem niedlich! Und was ist das denn für ein süßer Hund?
Es ist toll, wenn man eine schöne Kindheit hatte und in den Erinnerungen daran zehren kann. (Da kann ich leider nicht mitreden.)
Die "Entbehrungen" werden einem erst später bewusst.
Ups. Doppelt? Darfst Du gerne einmal rausschmeissen :-)
LöschenIch hab dich gerade im Spamordner ausgegraben, ganze zweimal. Was hast du denn da gemacht?! Jetzt stehst du da oben doppelt - das geht auf mein Konto.
LöschenKinder sind immer niedlich, oder?
Der freche, kleine Hund war ein Familienmitglied. Er sah von hinten genauso aus wie von vorne. Und er konnte rückwärts gehen, wenn er Mist gebaut hatte. Ein super FReund. Einer meiner besten...
Entbehrungen sind unschön. Das tut mir leid.
Aber vielleicht bereitest du jemandem eine schöne Kindheit und stellst sicher, was du selbst entbehrt hast?