Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Herzschlag

"I'm selfish, impatient, and a little insecure. I make mistakes, I am out of control, and at times hard to handle. But if you can't handle me at my worst, then you sure as hell don't deserve me at my best."*

(Marilyn Monroe)

Ich wälze mich im Bett herum und kann nicht schlafen. Die Frage, die ich eine Stunde zuvor jemandem gestellt habe, spukt in meinem Kopf herum. Und ich finde keine Antwort. Deshalb greife ich irgendwann nach meinem Handy.
"Was ist falsch an mir?", tippe ich.
Die SMS geht einmal an mein komplettes Telefonbuch. Zwei Blogger und die ADAC-Hotline, die ich nicht mit Mädchenkram behelligen will, ausgenommen.

Die Antworten bringen nicht die erhoffte Erkenntnis.
Hier ein Querschnitt:
Meine Mutter schreibt: "Gar nichts. Ich habe dich lieb."
T. antwortet: "Nichts. Nichts ist falsch an Dir. Wieso denkst Du das?"
Meine Chefin lässt verlauten: "Du sollst nicht so viele Drogen nehmen, Butterblümchen."
Die Worte helfen nicht. Aber irgendwann werden die Tränen weniger. Bis mich schließlich der Schlaf den Kummer, und damit mich, übermannt.

Am Morgen danach fühle ich mich einfach nur erschlagen. Die Augen wollen nicht aufgehen und weder Dusche noch Kaffee schaffen es so richtig, meine Lebensgeister wachzukitzeln. Aber auf dem Weg zur Arbeit wird es besser. Ich spüre, wie sich Wut in mir hochkämpft. Das ist gut. Wütend zu sein ist besser als traurig zu sein. Plötzlich fühle ich mich nicht mehr wie gelähmt, sondern voller Energie. Also drehe ich die Musik in meinem Auto auf Anschlag und trete auf das Gaspedal. Ich genieße es, viel zu schnell zu fahren und in engen Kurven, wie etwa in Autobahnabfahrten, den Wagen so zu beschleunigen, dass er droht, aus der Kurve zu fliegen. Dabei vergrabe ich meine Fingernägel, so fest ich kann, im Lenkrad und schreisinge laut zur Musik mit. Die Fahrer der Autos, die an den roten Ampeln, die meinen Arbeitsweg pflastern, neben mir halten, gucken komisch. Das ist mir egal. Ich bin in richtig schöner scheißegal-Stimmung.

Auf Arbeit werde ich von jemandem, der mir vermutlich irgendwie vorgesetzt ist, am Telefon angeschrien. Das höre ich mir etwa 3 Minuten lang an, bevor ich etwas tue, was ich noch niemals getan habe, nämlich mir ein Herz fasse und einfach zurück schreie, dass ich mich nicht anschreien lasse. Daraufhin wird mir an den Kopf geworfen, dass ich unfassbar unverschämt bin und der Telefonhörer abrupt auf die dazugehörige Gabel geschmissen. Ich bin so wütend über das Verhalten meines Gesprächspartners, dass ich mich am liebsten an meinen Chef wenden will. Das allerdings ist von meiner Chefin nicht gewünscht. Also versuche ich einen meiner afghanischen Mitarbeiter zu trösten, der vorne am Empfang steht und mir, mit Tränen in den Augen, ein Schreiben reicht, in dem ihm mitgeteilt wird, dass sein Asylantrag abgelehnt ist und er ausreisen muss. Ich schreibe Arbeitsverträge, sortiere Dokumente, bespreche mich mit Jobcentermitarbeitern und versuche, wann immer es geht, mich in mich selbst zurückzuziehen und den Rest der Welt auszublenden.
"Du bist heute noch komischer als sonst.", sagt meine Kollegin.
"Ich weiß.", antworte ich.

Abends, kurz vor dem Feierabend, ziehe ich mich auf das Flachdach, das an unser Büro angrenzt, zurück. Ich klettere auf den schmalen Dachsims und betrachte die rote Sonne, die dabei ist, den Tag zu verabschieden. Und während die letzten Sonnentrahlen dieses Tages mein Gesicht streicheln, wird mir bewusst, dass ich nur einen Schritt, einen ganz kleinen Schritt, nach vorne gehen müsste, um vom Dach zu fallen. In diesem Moment kann ich mich spüren. Meinen Herzschlag. Ich bin noch da. Irgendwo in mir drinnen. Ich bin nicht kaputt gegangen. Das Leben geht weiter. Irgendwie.



*Danke.

Kommentare

  1. Ich kenne diesen Moment. Hinter dem Glas zu stehen und sich zu sagen: "Nur eine Bewegung. Nur ein einziger Schritt. Du musst dich nur fallen lassen, dann ist alles vorbei."
    Das war im Mai 2003 und ich bin sehr, sehr froh, dass dies mein allereinzigster Moment war, in dem ich so dachte und fühlte. Dass ich dageblieben bin. Ganz viel Schönes hätte ich verpasst, nicht mehr tun können, während alle anderen weitergemacht haben und damit glücklich geworden wären.
    Nur.. glücklich werden wollte ich eben auch. Also blieb ich und schloss das Fenster.

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    1. Den letzten Satz mag ich wahnsinnig gerne.
      Übrigens - nur falls es den Eindruck erweckt - sollte das hier kein angedeuteter Suizid-Post werden. Nur... ich kann das nicht erklären. Vielleicht so: An den Stellen, an denen das Leben dünner wird, kann man erst so richtig spüren, dass man am Leben ist.
      Okay. Das klingt durchgeknallt.

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    2. Nein, tut es nicht. Bitte glaub mir, ich weiß genau, was Du meinst. Denn wirklich gewollt hätte ich einen Suizid auch nicht. Wiederum ich mag da genau Deinen Satz, der es so wirklich gut beschreibt "An den Stellen, an denen das Leben dünner wird, kann man erst so richtig spüren, dass man am Leben ist." Genau das.

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Was an dir falsch ist? Die Annahme, dass an dir was falsch sein könnte. ;)

    Ergänzung: Du bist, wie du bist – das ist erstmal nicht richtig oder falsch, das ist halt so. Die Sonnenblume lässt den Kopf ja auch nicht hängen, weil sie keine Rose geworden ist (oder tut sie’s doch? Ich habe noch keine gefragt…^^) und anstatt dich zu fragen, was falsch mit dir ist, schaust du eben, dass du die schönste Sonnenblume wirst, die du werden kannst. Und dann wirst du Menschen anziehen, die Sonnenblumen viel lieber mögen als Rosen. So die Theorie, in die ich sehr verliebt bin. [Der Winter schlägt mir aufs Hirn, merkt man, oder? ;)]

    *Ich liebe es. Ein Zitat, dass mich an meinen "Ich bin völlig falsch"-Tagen wieder aufrichtet. ;)

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    1. Und apropos Inspiration: Ich setze dir mal ohne große Erklärungen einen Link zum TED Talk von Tracy McMillan hier rein: Klickst du hier.

      Vielleicht schaust du in einer ruhigen Minute mal rein und vielleicht berührt es dich ebenso, wie es mich berührt hat. Nur so viel: Ich bin ein bisschen inTracy verliebt und habe mir ihre Biografie bestellt. ;)

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    2. Es sollte öfter Winter sein. ich mag deine Theorien. Was vielleicht daran liegt, dass ich im nächsten Leben eine Sonneblume werde...

      Dankeschön! Den Link schaue ich mir heute Abend an.
      Aber, sag mal, kannst du mir verraten, wie du den Link in den Text "Klickst du hier" bekommen hast? Das interessiert mich. beim Bloggen weiß ich es. Aber von der Anwendung im Kommentar habe ich keine Ahnung...

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    3. Ich Schusselhirn. Das, was ich dir gemailt habe, dürfte identisch mit dem sein, was du im Blogpost einfügst?! *kopfschüttel* Ich habe gerade einen unglaublichen Lauf... intelligenzmäßig.

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    4. Anna, Deine Sonnenblume-Rose-Theorie ist wirklich richtig gut!

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    5. ❤Wenn das in der Praxis auch so klappt, lasse ich es euch wissen...

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  4. @An den Stellen, an denen das Leben dünner wird, kann man erst so richtig spüren, dass man am Leben ist.: Was für ein wahrer Satz! Der hat mich gestern Abend noch länger beschäftigt. Lese mich gerade ein wenig ins Thema Resonanz ein und irgendwie ist das ziemlich gruselig, wenn man das auf sich wirken lässt. Die Vorstellung, wohin das führen wird, macht mir Angst. Denn: Wir (bewusst verallgemeinert) leben in einer Welt, die immer „ent-menschlichter“ wird und in der vieles als zu funktionierendes Ding betrachtet wird – auch der eigene Körper. Krank, müde, körperliche Makel? Da gibt’s doch sicher ne Tablette oder ein Skalpell, um Abhilfe zu schaffen. Intensive Gefühle gibt’s zunehmend nur noch beim Starren auf den Fernseher oder das Display – selbst die netteste Mail ist eben „nur eine Mail“ und kein Mensch, den du berühren kannst. Und wenn wir mal nicht aufs Display/den Monitor starren, nehmen wir die Menschen vor uns kaum wahr, da steht dann keine Verkäuferin, sondern der quasselnde Brötchenaufbackautomat, der dir deine Brötchen rüberreicht. Wir berühren immer weniger und werden immer weniger von irgendwem oder irgendwas berührt ( ich glaube, so muss sich ein Kind fühlen, das verzweifelt um die Aufmerksamkeit der Eltern kämpft, doch die lassen das ins Leere laufen... irgendwann bist du seelisch völlig ausgehungert). Mal abgesehen davon, dass wir damit irgendwann voll an die Wand fahren werden, braucht’s dann eben Ausgleich. (Extrem)Sport, Sex, Gemüse im eigenen (Stadt)Garten anbauen, Brot backen oder irgendwas, was dir das Gefühl gibt, noch am Leben zu sein und dich/das Leben zu spüren. Etwas berühren zu können...

    Bin gerade sehr dankbar, dass ich dafür nicht an einer steilen Felswand hängen muss, um mich „noch“ lebendig zu fühlen… Sommerregen, ein paar Tage am Meer oder ein netter Mensch, der mich in den Arm nimmt und gemeinsam mit mir lacht (sehr wichtig!) reichen aus. Möge das so bleiben. ;)

    [Leseempfehlung für "Eine Soziologie der Weltbeziehung" mag ich noch nicht aussprechen... das Thema ist unglaublich interessant, aber es wird arg trocken serviert und das da oben sind logischerweise meine Worte und nicht die von Herrn Rosa.^^ Dein Satz trifft es sehr viel besser auf den Punkt, ich mag ihn sehr.]

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    1. Wenn ich über deine Worte nachdenke, gebe ich dir recht. Allerdings merke ich auch, dass ich, glaube ich, ein gutes Mittelmaß in diesen Dingen gefunden habe: Ohne Fernseher und ohne soziale Netzwerke (wenn man von Blogger absieht), lebt es sich gut. Medikamente nehme ich lediglich dann, wenn die Schmerzen unaushaltbar werden. Ansonsten lege ich viel wert darauf, auf meinen Körper zu hören. Wenngleich ich das wohl noch verbessern könnte.
      Es ist ein inteessantes Thema, mit dem du dich da gerade auseinandersetzt.
      Was nimmst du daraus noch für dich mit?

      Ich bin für mehr Sommerregen, Meer und Berührungen.
      Davon kann man nie genug haben.

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