Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom ersten Schnee

Als mein Wecker schließlich klingelt, stelle ich fest, dass ich viel zu lange geschlafen habe. Mir bleibt nur noch eine Stunde, um mich zum Feiern zurechtzumachen, deswegen gibt es schließlich die Sparversion: Duschen, rasieren, eincremen, Zähneputzen. Und weil mich die (unnötige) Klamottenflut in meinem Kleiderschrank völlig einschüchtert und es hier auf dem Land recht seltsam beäugt wird, wenn man eine rote Hose oder einen Hut trägt, beschließe ich, mein Outfit absolut simpel zu halten: Schwarzes Oberteil, Blue Jeans, schwarze Overknees, die sich so eng an die Beine schmiegen, das sie fast Strümpfe sein könnten. 10 cm Pfennigabsatz. Anschließend föhne ich mir die Haare, lasse - wie immer - das Make up weg - und betone lediglich meine Augen, mit etwas Lidschatten und einem schmalen Lidstrich. Fertig. Wirklich zufrieden bin ich nicht, aber für mehr reicht die Zeit nicht.

Wir, vier Mädels und ich, glühen bis kurz nach Mitternacht vor. Als wir endlich losgehen wollen, entscheide ich mich um: Ich habe Lust auf flache Schuhe. Aber ich werde mit Händen und Füßen davon abgehalten, die Schuhe zu wechseln. "Du siehst heiß aus, Muschelmädchen.", wird mir eingetrichtert. Ich lache. "Danke.", sage ich, "Aber ich muss keinen Mann kennenlernen. Ich will einfach nur tanzen." Sie überreden mich dennoch, die Schuhe anzubehalten. Männer ihn oder her, heiß auszusehen kann angeblich nie schaden. Aha, denke ich, und leere die Flasche mit dem komischen süßen Erdbeerzeug. In meinem Kopf blubbert es angenehm vor sich hin und ich beschließe, einfach erst wieder an meine Füße zu denken, wenn sie damit beginnen, vom tanzen zu schmerzen.

Der Club ist toll. Er besteht aus einer recht kleinen Tanzfläche, um die herum, auf verschiedenen Höhen, Emporen gebaut sind. Fast wirkt er wie ein kleines Amphitheater. Und das ist sein Vorteil: Denn hier kann sich niemand der Stimmung entziehen. Überall, sowohl auf der kleinen Tanzfläche, als auch auf den Emporen, tanzen die Leute. Je mehr Zeit vergeht, desto ekstatischer wird die Stimmung. Und ich lasse mich mitreißen.
Ich brauche keine Stunde, um meine Schuhwahl zu bereuen. Mir brennen die Füße. Und als ich die Frauen betrachte, die um mich herum tanzen, stelle ich nur ein weiteres Mal fest, dass ich eben keine richtige Frau bin: denn hier laufen annähernd alle weiblichen Wesen auf hohen Schuhen herum und keines von ihnen scheint, so wie ich, damit Probleme zu haben. Ungefähr 30 Minuten kämpfe ich mit meinen Füßen. Bis ich beschließe, den Schmerz einfach zu ignorieren. Umgeben von Nebel und Blitzlicht schließe ich die Augen und gebe mich dem Bass hin. Über Stunden. Immer mal wieder merke ich, dass meine Fußgelenke, ob der Höhe der Schuhe, zittriger werden. Aber ich tanze das Gefühl einfach hinfort.

Natürlich ist der Club eine einzige ONS-Vermittlung. Und vielleicht ein kleines bisschen Partnerbörse. Aber ich habe keine Lust. Obwohl das Klientel angenehm ist, im Durchschnitt vermutlich fast noch ein wenig älter ist, als ich es bin, habe ich keine Lust, Leute kennenzulernen. So unterbreche ich etwaige Blickkontakte schon nach einer Nanosekunde wieder, lächle höchstens ganz, ganz kurz zurück und entziehe mich, wenn jemand versucht, mich anzutanzen. Ich will einfach die Nacht genießen. Die Gedanken und das Gefühls- sowie Kopfchaos aus mir heraustanzen. Abschalten. Irgendwann fängt der DJ an, Hardstyle zu spielen. Was eigentlich nichts meins ist. Aber zu dieser Nacht passt es. Und ich muss tatsächlich, ein Hoch auf die Jugendsünden, kurz daran denken, wie gut ein Ticket zu dieser Nacht passen würde.

Es ist bereits nach 5 Uhr morgens, als wir den Club verlassen. Als die Tür hinter uns zufällt, ist die Welt plötzlich ruhiger, gedämpfter, sanfter. "Schnee...!", rufe ich leise aus, "Schnee, Schnee, Schnee!". Meine Begleiterinnen lachen. "Das ist mein erster Schnee in diesem Jahr!", teile ich ihnen verzückt mir. "Pünktlich zum 1. Advent!", sagen sie. Und: "Den haben wir extra für dich bestellt."
Auf dem Rückweg brausen wir mit 180 km/h über die Autobahn.
Die dicken, großen Schneeflocken, die auf das Auto zufliegen, sehen aus wie Sterne.
Das ist der Grund, warum wir irgendwann leise die Star Wars Melodie summen. Und uns vorstellen, alles wäre ganz anders.



Am nächsten Tag fühle ich mich leer.
Als hätte ich zu viele Glückshormone verschwendet und wäre nun verloren.

Kommentare

  1. Antworten
    1. Haben Frauen...
      Ach ja, Bela B. ;-)

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    2. Stimmt!
      Aber ein anderes der gleichen Kapelle ist NOCH schlimmer...

      Und was das "Manchmal. Nur manchmal." betrifft: Erwähnt werden sie häufiger. Oder ich bin der Pawlow´sche Hund. ;-)

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    3. Ich werde ein wnig pausieren, bis ich sie das nächste Mal erwähne, versprochen. War wirklich ein wenig viel in letzter Zeit...

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    4. Kannst Du, musst Du aber nicht. Dein Spiel, Deine Regeln.

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