Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Verlegenheiten

Zusammen mit einer Freundin sitze ich in einem Café. Einer der Hunde, die uns auf unserem Ausflug begleiten, hat seinen Kopf auf mein Knie gelegt. Ich kraule ihn hingebungsvoll hinter den Ohren.
"Streicheln sie mich auch so leidenschaftlich, wenn ich mich jetzt neben sie setze?", spricht mich der Mann an, der am Tisch gegenüber sitzt. Er ist mindestens 20 Jahre älter als ich. Sofort fühle ich mich unwohl und eine leichte Gänsehaut wandert über meine Unterarme. Eigentlich bin ich nicht empfindlich, wenn  es um dämliche Anmachsprüche geht. Aber dieser hier verschafft mir einen leichten Würgereiz. Ohne das ich begründen könnte, warum dem so ist. Dieser Mann vermittelt mir einfach kein gutes Gefühl. Etwas in seinem Tonfall verunsichert mich.
"Sie krault niemanden außer mich.", antwortet meine Freundin entspannt und schiebt ihre Hand liebevoll über die meine, während sie mich prüfend ansieht. Ich lächle sie an, dankbar, dass sie mir erspart hat, mir eine adäquate Antwort auf diese dämliche Frage auszudenken.
"Das ist wirklich Verschwendung...", stellt der Mann am Nachbartisch fest.
Immerhin bin ich nun nicht mehr die Einzige, der das Lächeln auf den Lippen gefriert. Meine Freundin sieht mich genauso perplex an, wie ich mich fühle.
"Das war frech.", faucht sie schließlich leise. Und bringt uns beide damit zum Lachen.

Als Frau mit großen Brüsten bin ich es gewohnt, hochgeschlossene Oberteile, wie Blusen und Shirts, zu tragen. Denn nichts wirkt schneller ordinär, als eine Frau mit viel Oberweite, deren Ausschnitt ein wenig zu tief ausfällt. Nichtsdestotrotz kann ich selbst unter weiter Kleidung nicht sonderlich gut verstecken, womit mich die Natur nun einmal gesegnet hat. Das verführt vor allem Männer hin und wieder zu verbalen, meist nicht besonders intellektuellen Ausfällen. Die meisten davon kann ich parieren, je nach Sympathiegrad lächelnd oder auch mal scharf. Was mir dagegen wirklich unangenehm ist, sind Situationen, in denen sich meine Gesprächspartner nicht mehr auf meine Augen konzentrieren können, sondern sich mit flatternden Lidern abwechselnd mit mir und meinen Brüsten unterhalten.
Manchmal, vor allem im beruflichen Kontext, lassen mich solche Gespräche ziemlich beschämt zurück. Nicht etwa weil ich mein Gegenüber dafür verurteile, dass er seine Blicke nicht unter Kontrolle hat, sondern weil es mir nicht behagt, Menschen in Verlegenheit zu bringen. Ab und an komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob meine Brüste nicht auch ein Stück weit an sexuelle Belästigung grenzen.

Kommentare

  1. Haha! Das gibt mir die Erinnerung an eine alte Geschichte frei! Ich hatte eine Arbeitskollegin, die große Brüste hatte, und kleidungstechnisch immer sehr weit ausgeschnittene Oberteile trug. Und sich dann ständig darüber mockierte, dass jeder ihre Brüste anstarrte. Wenn man sich so kleidet, finde ich, dass man den Blick ja gradezu darauf lenkt, da schau ja ich auch hin! Darum finde ich es auch gut, dass du erwähnst, dass du keine tief ausgeschnittenen Teile trägst. Was den Herrn angeht - wie du schon sagst, manchmal reagiert man auf solche Dinge empfindlicher und manchmal weniger empfindlich. Inzwischen bin ich "alt" und kriege diese Sprüche nicht mehr zu hören. Früher war das anders. Und ich war daran gewöhnt. Und konnte meistens parieren. Ich habe das als "normal" empfunden. Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Die eine sagt, dass es nicht normal ist, und die Herren, denen sowas über die Lippen kommt, dringend einer Schulung bedürfen. Die andere sagt, dass ich Frau genug bin, dem kontern zu können. Und dann gibt es noch eine dritte Stimme, die erklärt, dass es sowohl bei Männlein als auch bei Weiblein halt einfach Menschen gibt, die ich von vorne herein nicht näher kennen lernen möchte, und wische es dann damit einfach weg. Ich weiß, dass alle 3 Stimmen etwas für sich, und etwas gegen sich haben. Ich bin da ambivalent.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich kenne diese drei Stimmen nur all zu gut und hätte es besser nicht erklären können. Das Schlimme an dieser Zerrissenheit ist, dass es vollkommen Sympathie abhängig ist, wie ich einen solchen Spruch empfinde. Angenommen mir hätte der Mann gefallen und sein Tonfall wäre nur ein wenig neckischer gewesen, hätte ich ihm vielleicht sogar einen Platz auf meiner Bank eingeräumt (ohne ihn zu kraulen) oder ihn angelacht. Auf der anderen Seite denke ich, dass manche Männer - wie etwa in diesem Fall - dem Kindesalter lange genug entwachsen sind, um wissen zu können, dass man nicht jeden Gedanken unreflektiert aussprechen muss. Ein wenig Subtilität bei solcherlei Themen kann durchaus nicht schaden und sogar ziemlich charmant sein.
      Du siehst: Ich bin bei dir. Und genauso ambivalent.

      Löschen
  2. In #MeToo-Zeiten bin ich als Mann froh für flyhigers Beitrag, noch dazu ich den Satz "Wenn man sich so kleidet, finde ich, dass man den Blick ja gradezu darauf lenkt, da schau ja ich auch hin!" als Mann wahrscheinlich nie sagen könnte ohne dafür gemaßregelt zu werden.

    Interessant ist (für mich) auch die Frage, wie wohl Deine Reaktion und die (wahrscheinlich noch kommender) empörter Leser wäre, wenn der Satz nicht "Er ist mindestens 20 Jahre älter als ich." sondern "Er ist ungefähr in meinem Alter" gelautet hätte...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh Himmel, ich hatte es ein wenig befürchtet, mir mit diesem Post einen #MeToo-Kommentar einzufangen. :-) Es lag mir aber absolut fern, mit diesem Post #MeToo zu sagen. Im Gegenteil: Ich stehe #MeToo recht skekptisch gegenüber. Anderswo - in diesem und anderen Blogs - hatte ich das zum Teil schon thematisiert. Die Kurzfassung lautet, dass ich mich normalerweise von verbalen Äußerungen nicht belästigt fühle. Ein Übergriff beginnt für mich an der Stelle, an der ich gegen meinen Willen berührt werde. Das meine Grenzen an dieser Stelle vermutlich recht weit gesteckt sind, mag daran liegen, dass ich aus eigener Erfahrung weiß, wie es ist, konkrete körperliche Übergriffe zu erfahren. Um ein noch recht banales Beispiel, das zum obigen Text passt, zu bringen: Es passiert mir, wenn ich tanzen gehe, durchaus mal, dass ich plötzlich fremde Hände auf meinen Brüsten zu liegen habe, ohne dass ich vorher ein Wort mit meinem Gegenüber gewechselt habe. Meistens folgt Sekunden später die Frage danach, ob die Brüste echt sind. Und das ist NICHT mehr in Ordnung. Einen doofen Spruch stecke ich einfach weg, mal lächelnd, mal angenervt. Ob ich angefasst werden möchte, will ich aber selbst entscheiden.

      Ich glaube, die Frage nach dem Alter ist irrelevant. Das Alter meines Gegenüber ist mir egal. Was dagegen wirklich zählt, sind Sympathie und Tonfall. Das ist es wohl, was daran wirklich nervig ist: Denn der Sender weiß im seltensten Fall, was der Empfänger empfindet, wenn beide sich noch nie zuvor gesehen haben. Er kann seine Worte noch so gut meinen und damit trotzdem den Empfänger verfehlen.

      Löschen
    2. PS: Eigentlich fehlt in meinem Kommentar noch ein Satz:
      Konkrete körperliche Übergriffe relativieren dämliche Sprüche massiv.

      Vielleicht ist es so verständlicher. ;-)

      Löschen
  3. Ich erinnere mich an eine Besprechung mit einer mind. 10 Jahre jüngeren Frau. Sie saß gegenüber. Große Brüste, großer Ausschnitt.Wenn sie mir was erklärte auf den vor uns liegenden Zetteln, beugte sie sich so weit vor, dass man einen seeehr tiefen Einblick bekam.
    Was soll ich sagen. Ich fand sie nicht attraktiv. Ihren Ausschnitt und was man da so sah eher abstoßend (sorry, aber nicht jede sollte soviel zeigen). Und trotzdem habe ich immer wieder ungewollt dahin gesehen.
    Ist wohl ein Reflex. Wie bei nem Unfall oder so.
    Ich weiß es nicht. Wüsste aber zu gern, wie man das unter Kontrolle bekommt?!?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wie man das unter Kontrolle bekommt, kann ich dir auch nicht sagen. Dazu bin ich wohl doch nicht Mann genug.
      Aber falls es dich tröstet, lass dir sagen: Ich sehe auch gerne (unauffällig) hin. Bei Männern und bei Frauen. Gerade weibliche Körper empfinde ich als sehr ästhetisch und es bereitet mir Freude und Wohlbehagen, einen schönen Körper zu betrachten.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis