Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Putzen

Lieber H.,

ich sollte mir Zeit zum schreiben nehmen, um das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Stattdessen putze ich. Weil ich immer putze, wenn meine Gedanken zu wild durcheinander wirbeln und ich das Gefühl habe, mich darin zu verlieren. Ich putze den ganzen, verdammten Tag. Dabei wünschte ich sehr, dass das eine Übertreibung wäre. Aber ich stehe um 4 Uhr morgens auf, weil ich nicht mehr schlafen kann, und greife um 4:30 Uhr, direkt nach der ersten Tasse Kaffee, zum Putzlappen. Seit zwei Tagen. Diesen Post tippe ich um 22:56 Uhr. Nachdem ich gerade den Dachboden gestaubsaugt, zwei Möbelstücke zusammengebaut und eine drei Meter lange, sehr hübsche Silikonnaht gezogen habe. Man sollte meinen, dass es so viel gar nicht zu putzen und zu rödeln gibt. Aber doch, das gibt es. Im Moment habe ich sogar das Gefühl, dass es umso chaotischer aussieht, je mehr ich mich haushaltstechnisch austobe. Vielleicht liegt das daran, dass ich im Haushalt vollkommen talentlos bin. Ich mache ihn nur, weil ich ihn machen muss. Insgeheim aber hasse ich jeden Handschlag, auch wenn ich es ordentlich und sauber mag.

Meine Mama sagt immer: Ordnung in der Wohnung ist Ordnung im Kopf. Ich glaube, das ist eins ihrer "wahreren" Sprichwörter. Hier, bei mir Zuhause, sieht es chaotisch aus. Richtig, richtig chaotisch. Und ich fürchte, in meinem Kopf ist es ganz ähnlich. Der allgemeine Zustand ist desolat, durcheinander, maximal verwirrend.

Und deshalb putze ich. Ich putze und putze und putze und putze. In der Hoffnung, dass sich sowohl das Chaos in der Wohnung als auch in meinem Kopf lichten. Denn beim Putzen denke ich nach. Zum Beispiel über dich. (Eigentlich hauptsächlich über dich. Aber das würde ich niemals zugeben.) 

Dein Name ist ja, wenigstens meiner Empfindung nach, kein Name, der besonders oft vorkommt. Eher sehr selten. Bis ich dich kennengelernt habe, habe ich ihn noch nie bewusst wahrgenommen. Aber plötzlich lese ich ihn überall: 

Ich biege auf die Landstraße ab und folge mit 40 km/h einem LKW, der über sein gesamtes Heck mit deinem Nachnamem beschriftet ist. In einem der Durchgangsdörfer entsteht ein neuer Landhandel, der deinen Namen trägt. Die Dorf-W.hatsA.pp-Gruppe explodiert, weil jemand, der genauso heißt wie du, auf einen Blitzer hinweist. Es ist, als wolle mir das Universum etwas sagen. Mit dicken, fetten, leuchtenden Lettern. Unübersehbar.

Aber ich fühle mich, im Angesicht dessen, wie eine Analphabetin. Ich verstehe die Nachricht nicht.

Im Verhältnis zu dem, was bisher zwischen uns gelaufen ist - nämlich kaum etwas - mag das nun etwas weit gedacht sein, ja, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mich das Universum dazu auffordert, meine Beziehung zu sprengen, das Paradies zu verkaufen und alles aufzugeben, was ich - Nein, wir! Der Mann und ich! - aufgebaut habe/-n. Das kann doch niemals der Sinn dieser Nachrichten sein.

Oder?

Aber was zur Hölle soll das dann?

Kannst du mir das sagen?

Und wenn du es mir sagen kannst: Kannst du es bald tun?

Ich habe nämlich allmählich Angst, dass ich mir irgendwann demnächst die Hände blutig putze. 

Danke im Voraus.


Liebe Grüße

dein Muschelmädchen 


PS: Ja, wirklich sehr lustig, dass du mir gerade per W.hatsA.pp schreibst, dass ich lieber schreiben statt putzen sollte.

Kommentare

  1. "Ordnung in der Wohnung ist Ordnung im Kopf."
    Also das hat schonmal leider nicht funktioniert für mich - denn leider lenkt Putzen Manchen nur ab, es schafft Einem die Illusion von Geordnetheit, etwas "in Ordentlichkeit" gebracht zu haben.

    Das ist aber leider manchmal etwas Anderes als "es in Ordnung" gebracht zu haben, aber selbstverständlich hat die Generation unserer Omas das so nicht unterscheiden wollen (und brauchen).

    Und was der Sinn von Dingen, von Begegnungen ist, hätte ich (fürchte ich) eine weitere nicht allzu gern gehörte Antwort anzubieten:
    Die Antwort entsteht nur dort, wo auch die Frage entstanden ist.
    Also in Dir, nicht von außen lösbar und beantwortbar.

    Jedes Frageaufflammen hatte vorher einen Funken, der zu glimmen begonnen hatte, irgendwann.
    Was gab ihm die Nahrung?
    Es ist alles da wo es immer war: In Dir :-).

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    1. Bei mir ist es so, dass putzen tatsächlich Ordnung im Kopf schafft, weil ich während ich putze Gedanken sortiere. Zu putzen heißt also sich Zeit für eine Auseinandersetzung zu nehmen.

      Ansonsten hast du - natürlich - recht.

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