Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der beruflichen Neuorientierung

Nachdem der Bewerber den Raum verlassen hat, lächle ich mein Gegenüber an. Vollkommen unbedacht rutscht es aus mir heraus:

"Sie haben wirklich wunderbar formuliert, warum man bei uns arbeiten möchte. Ganz ehrlich, jetzt möchte ich am liebsten auch bei ihnen, in ihrem Bereich, arbeiten!"

Er lacht.

"Sie würde ich ohne zu zögern einstellen, Frau Muschelmädchen. Wollen sie nicht zu uns kommen?"

"Dafür fehlt mir die Qualifikation.", erwidere ich. Als Personalerin weiß ich, was gefordert wird. Und ich habe eindeutig die falschen Studienabschlüsse. Aber er winkt ab.

"Ernsthaft, Frau Muschelmädchen, da kriegen wir schon was hin! Nur ein Wort von ihnen und ich setze alle Hebel in Bewegung."

Am Ende des Tages nehme ich dieses Gespräch mehr mit nach Hause, als ich will. Ich verstehe erst heute, dass ich mich viel zu spät von meinen Eltern gelöst habe. Besonders meine Berufswahl haben sie viel zu sehr mit ihren Vorstellungen beeinflusst. DAS willst du studieren? Da wirst du doch später arbeitslos! Und arm! Diese Tätigkeit ist brotlos! Du vergeigst deine ganze Zukunft! (Eventuell war das ihr Recht, nachdem sie einen sechsstelligen Betrag für meine Schulbildung auf den Tisch gelegt haben und zweifelsohne wollten sie immer nur das Beste für mich. Es hat halt nur eben nicht viel zu meinem beruflichen Glück beigetragen.)

Als ich abends dem Mann von dem Gespräch im Auswahlgremium erzähle, antwortet er das, was er immer antwortet, wenn es um meine berufliche Zukunft geht:

"Geh doch noch mal studieren. Finanziell kriegen wir das locker hin. Und immerhin musst du noch den Rest deines Lebens arbeiten. Da solltest du lieben, was du tust." Vermutlich hat er damit recht.

Aber ich schon wieder bereit für ein neues Studium? Nach Bachelor und Master in der Regelstudienzeit hatte ich eigentlich mehr als genug. Ich war erschöpft und wollte nicht mehr lernen. Lieber arbeiten, Geld verdienen und neue Erfahrungen sammeln. Aber so langsam, nach zehn Jahren Berufstätigkeit, fühle ich mich regeneriert und habe wieder Lust, mich intellektuell ein wenig fordern zu lassen. Ich lerne gerne. Ganz besonders in Bereichen, die mich interessieren und in denen ich gut bin.

"Nur eines noch.", unterbricht der Mann meine Gedanken, "Bitte entscheide dich nicht dafür Psychologie zu studieren." Mit dem Zeigefinger tippt er mir sachte auf die Brust, dorthin, wo er mein Herz vermutet. "Das würde dir nicht gut tun, weißt du? Du nimmst das Leid zu sehr auf, kannst dich zu wenig abgrenzen. Nimm jeden anderen Studiengang, aber nicht das, ja? Du musst auf dich aufpassen. Und auf uns."

Und jetzt weiß ich doch auch nicht. 

Studieren? Nicht studieren? Für immer Personalerin sein?

Kommentare

  1. Du kannst es ja versuchen. Wenn Du merkst es ist doch nicht Dein Weg, hörst einfach wieder auf damit. Es werden sich immer wieder Optionen ergeben. Und wenn Du immer Personalerin sein magst, dann ist das auch okay. Immer diese Möglichkeiten und Entscheidungen. 🙂

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  2. Also, ich habe mich mit 35 ja auch noch einmal komplett beruflich neu orientiert. Und nein, im Sommer 2023 bin ich schulisch vielleicht fertig und könnte als Erzieherin arbeiten, was ich auch tun werde. Aber das reicht mir (natürlich!) nicht und werde ein Fernstudium beginnen, damit ich mich Sozialpädagogin nennen darf. Nutze es, solange ihr finanziell gut da steht und es euch leisten könnt. In Nds. zahlt mir die NBank ein tolles Bafög. Kriegst du bestimmt auch, da wo du lebst!? Schau dich schlau und hör auf dein Herz. Aber ja, Psychologie lassen wir 2 lieber bleiben ♥️

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