Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Leben gelernt

"Ich komme immer irgendwo an.
Indem ich von dort losgehe, wo ich gerade war." 

(Winnie Puuh in dem Film Christopher Robin)

Irgendwann, kurz nachdem ich anfing zu bloggen, nämlich am 12.09.2012, schlich sich eine kleine Tradition ein: Jedes Jahr schreibe ich an dem Tag vor meinem Geburtstag einen Post darüber, was ich im vergangem Jahr vom Leben gelernt habe. Also alle Jahre wieder - los gehts:

  • Übung macht zwar den Meister, aber Tränen sind ausgenommen. Dieses Jahr habe ich so viel geweint wie noch nie in meinem Leben. Eimerweise sind die Tränen gelaufen. Alleine auf dem Klo, vor Familie und Freunden, vor Fremden. Und es stimmt nicht, dass es irgendwann leichter wird, vor anderen Menschen zu weinen. Ich mache es immer noch nicht gerne, weil ich es als unfassbar intim empfinde. Aber manchmal hält eben nichts das Wasser auf. Dann muss es raus. Stressabbau. 
  • Schwimmen ist super - ich habe es vermisst! Das Therapiebecken (Schwimmbad) im Krankenhaus ist so klein wie meine erste eigene Wohnung. Also viel zu klein. Und irgendwie finde ich es beunruhigend, dass da so oft so viele Rentner rumschwimmen. Und dass das Wasser so warm ist. Das finde ich jedesmal insgeheim ein bisschen eklig. Nichtsdestotrotz habe ich das Schwimmen vermisst. Es tut mir gut. Ich habe mir vorgenommen es danach beizubehalten.
  • Ich werde alt. Brrrrrrt. Es ist das Jahr der Zipperlein: Schmerzende Fingerknöchel. Und die Knie tun weh. Echt jetzt. So richtig. Schon seit geraumer Zeit. Anscheinend ist das der viel beschriene Verfall. 
  • Ich liebe und brauche die Ruhe. Um mich vom Leben zu regenerieren. Es ist so furchtbar laut in der Welt, dass ich manchmal ganz vergesse, das Wesentliche zu hören.
  • Ich kann vor Rührung weinen. Für viele Menschen ist das normal, ich dachte immer, ich könnte es nicht. Ich könnte nur vor Zorn oder vor Schmerz weinen. Falsch gedacht. Dieses Jahr hat mich etwas in meinem tiefsten Inneren getroffen.
  • Nichts ist sicher. Das betrifft vor allem Beziehungen. Davon sind mir nämlich dieses Jahr zwei ordentlich weggekracht, was ziemlich schmerzhaft war. Das hängt mit dem nächsten Punkt eng zusammen:
  • Es fällt mir immer schwerer mich auf Beziehungen jeglicher Art einzulassen, weil ich von vornherein denke, dass ich sowieso verlassen werde. Ich weiß, dass das Blödsinn ist. Trotzdem will ich mich immer weniger öffnen und fallenlassen. Wirklich, das vergangene Lebensjahr hatte in dieser Hinsicht ein paar sehr harte Schläge auf Lager. Aber: Es gibt auch neue Menschen in meinem Leben.
  • Sex? Brauche ich nicht zwangsläufig. -> Das ist ein Satz von dem ich vor einem Jahr noch geschworen hätte, dass er niemals von mir sein könnte. Ich war immer ein sehr sexueller Mensch. Allen weniger guten Erfahrungen zum Trotz. Das bin ich auch immer noch. Aber ich habe im letzten Jahr auch gelernt, dass ich jeglichen Sexualtrieb bei Bedarf abstellen kann. Und zwar für lange Zeit. Bleibt nur die Frage, ob das eine bewusste oder unbewusste Entscheidung war. Fühlt sich an wie eine Mischung aus beidem.
  • Ein Leben ohne Kakao ist prinzipiell möglich. Ist halt nur nicht so schön. Im nächsten Jahr werde ich mehr Kakao trinken.
  • Sich das Hirn wegzukiffen ist nur dann gut, wenn man jemanden bei sich hat, dem man vertraut. Und man sollte dabei die Finger vom Alkohol lassen. Aber mal ehrlich, Muschelmädchen, dass hast du doch schon gelernt, da warst du noch süße 16 Jahre alt. Was mich zum nächsten Punkt bringt:
  • Ich bin in vielerlei Hinsicht lernresistent. Das betrifft Haschisch, Alkohol, Männer und den Umstand, dass man in Gummistiefeln kalte Füße bekommt.
  • Meine Lebensqualität ist drastisch steigerbar (und bereits drastisch gestiegen). Lebensqualität bedeutet, Zeit zu haben, bei Tag und im Sonnenlicht spazieren zu gehen, weniger Kaffee und mehr süßen Kakao zu trinken, mit den Händen in der Erde zu wühlen und Pflanzen anzupflanzen, alle Viere einfach mal gerade sein zu lassen. 
  • Schreiben ist das i-Tüpfelchen. Ich dachte immer, dass ich das Schreiben brauche. Aber das ist Unsinn. Es tut mir gut zu schreiben. Manchmal ist es jedoch noch besser, die Zeit anders zu investieren, als die immergleichen Themen zu wälzen, die niemanden interessieren.
  • Das Leben ist zu kurz, um nicht in Windeseile alle Möglichkeiten auszunutzen und das Leben zu leben, wild und ungestüm, ohne Rücksicht auf etwaige Fehler, mit Herz. Das zeigt nicht zuletzt der - für mich - überraschende Tod eines benachbarten Bloggers. (Ich denke viel an dich. ...)
  • Ein Auto zu besitzen bedeutet Freiheit. Ich fahre seit meinem 20. Lebensjahr und ich habe immer ein Auto besessen. Dieses Jahr habe ich, mit Tränen in den Augen, meinen Erstwagen Günther verkauft. Und nun besitze ich auch schon längere Zeit keinen Firmenwagen mehr.  Tja. Erstens kommt es anders und zweitens als man so denkt. Das war jedenfalls eine heftige Umstellung. Eine, die mir nicht gefallen hat, denn ich fahre leidenschaftlich gerne (schnell) Auto. Wenn alles so klappt, wie ich mir das vorstelle, erobere ich mir aber dieses Stückchen Freiheit morgen zurück. Und es wird ein schnelleres Stückchen Freiheit. Jiharrrr!
  • Schlaf hilft. Ich habe dieses Jahr über mehrere Wochen 12 Stunden und mehr pro Tag geschlafen. Auch dank Krankschreibung. Und ich habe es gebraucht. So sehr. Schlaf ist etwas wunderbares. Ich hatte ganz vergessen, wie sicher und geborgen man sich unter einer Bettdecke fühlen kann.
  • Manchmal ist ein Ehrenamt ein Ehrenamt zuviel. Das einzusehen und mir einzugestehen war ein langer Weg. Tatsächlich ist mir aber die Kraft ausgegangen, morgens 5 Uhr vor der Arbeit und Abends 19 Uhr nach der Arbeit noch weiter zu arbeiten. Letztendlich war ich, glaube ich, nicht mehr mit dem Herzen bei der Sache, mit dem ich es hätte sein sollen. Und zudem sind mir irgendwann die Geschichten - von Armut, Krankheit, Tod, Selbstzerstörung, Suizid, Missbrauch, ... - zu sehr an die Substanz gegangen. Es reicht, dass ich die im Job hatte. Mich auch noch in meiner Freizeit damit zu beschäftigen war viel zu viel. Also bin ich ausgestiegen. Von einen Tag auf den anderen. Allerdings fehlt mir, seitdem ich dem Ehrenamt nicht mehr nachgehe, wieder ein bisschen die Sinnhaftigkeit meines Handelns. Ich habe das Gefühl, nichts Gutes zu tun. Und das ist unbefriedigend. Ich wage mal zu raten, dass ich das nicht allzu lange aushalten werde.
  • Liebe, Sanftmut, Nachsicht und Geduld. Es wäre schön, wenn sie mich weiterhin begleiten.

Kommentare

  1. Auch von mir alles Gute zum Geburtstag :-)

    Schön, mal wieder hier ein paar Worte lesen zu können - habe ich vermisst.

    Zum Ehrenamt: Da gibt es auch andere Bereiche, in denen man gebraucht wird und Gutes tun kann, ohne direkt mit den menschlichen Schicksalen in Berührung zu kommen...

    Heiko

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    1. Vielen Dank. :-)

      Ja, hier war nichts los in den vergangenen Monaten. Ob sich das ändert, weiß ich noch nicht genau. Aber es ist schön vermisst zu werden.

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