Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von fünf guten Taten

Eigentlich ist die Schulung ganz toll, denn ich habe es vermisst, zu lernen und meinen Kopf mit Wissen zu füllen. Entspannter wäre sie allerdings, wenn ich mich nicht ständig erschrecken müsste. Von den 21 Schulungsteilnehmern sind nämlich 18 Frauen. Von denen aller drei bis sieben Minuten eine anfängt zu schreien, weil sich ihr eine Wespe nähert. Um dann panisch um sich schlagend eine Runde um den Konferenztisch zu rennen und sich wieder zu setzen. Das nervt mich irgendwie. Weil es die Schulung, auf die ich Lust habe, ständig unterbricht. Und ich es irgendwie albern finde. Aber ich sage nichts. Zumindest vorerst.
Als es nämlich der einen Dame, dir mir schräg gegenüber sitzt, gelingt, eine der Wespen in ihrem Colaglas zu fangen, platzt mir doch die Hutschnur. Wohlgemerkt: Nicht weil sie die Wespe gefangen hat. Das finde ich völlig okay. Sondern weil sie sich diebisch und laut anfängt darüber zu freuen, dass die Wespe gerade in ihrer Cola zu ertrinken beginnt. Und das finde ich echt unanständig. Es ist mir egal, ob es "nur" eine Wespe ist oder ob sie sticht, wenn sie sich bedroht fühlt. Ich finde nicht, dass das in Ordnung ist. Und auch wenn ich mich damit vermutlich völlig zum Affen mache, kann ich nicht an mich halten, denn mein Mund ist viel schneller als mein Kopf.

"Das ist total fies!", fauche ich, "Das macht man nicht!"
Die Aufmerksamkeit der Schulungsteilnehmer habe ich jetzt jedenfalls.
Denn alle Köpfe drehen sich ruckartig zu mir um und starren mich an.
Inklusive der Dame, an die ich meine Worte gerichtet habe.
Erst in diesem Moment wird mir klar, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen habe. Für einen Moment starre ich auf die weiße Tischplatte vor mir, ein wenig beschämt. Aber mir tut die Wespe irgendwie leid. Also: Was soll´s. Scheiß drauf. Mache ich mich halt zum Hampelmann.
Entschlossen schiebe ich meinen Stuhl zurück, wandere einmal um den riesigen Tisch herum und greife nach dem Colaglas der Dame, das sie mit ihrer Serviette abgedeckt hat. 22 Augenpaare folgen mir. Als ich, mit dem Colaglas in den Händen, den Tisch erneut umrunde und das Fenster öffne, herrscht förmlich erdrückende Stille im Konferenzraum. Behutsam ziehe ich die Serviette vom Glas. Aber die kleine Wespe scheint nicht mehr fliegen zu können. Ein Blick nach unten offenbart mir, dass sich direkt unter uns ein Kaffeehaus befindet. Mit Außengastronomie. Für einen Moment zögere ich. Die Cola jetzt mit Schwung aus dem Fenster zu kippen, könnte irgendwie schiefgehen. Ich kenne mich doch: Vor Jahren habe ich es mal geschafft, einem Mann vom dritten Obergeschoss aus auf seine Glatze zu spucken und ihn anschließend im Fahrstuhl wiederzutreffen. Seitdem bin ich vorsichtig, wenn es um Höhe und unerwünschte Flüssigkeiten geht. Deshalb bin ich mir sicher, dass das hier kein gutes Ende finden würde. Also gieße ich die Cola vorsichtig aufs Fensterbrett. Die kleine Wespe zappelt.
Ich schließe das Fenster und setze mich ganz still wieder auf meinen Platz.
Die Schulung wird fortgesetzt.
Aber ich kann die seltsame Blicke, die mir zugeworfen werden, spüren.
Sie brennen sich in meine Haut.

Die Schulung geht den ganzen Tag.
Es gibt fünf Pausen und ich verbringe jede von ihnen draußen an der frischen Luft. Mit den Kollegen, die ich mag. Nach jeder einzelnen Pause finde ich, wenn ich den Schulungraum wieder betrete, ein Glas auf meinem Platz stehen. Abgedeckt mit einer Serviette, gefüllt mit einer Wespe. Ich lasse sie alle frei. Alle Wespen. Und versuche dabei mir einzureden, dass es mir egal ist, dass man sich über mich lustig macht.


Kommentare

  1. Kindergarten-Schulung? :-> Da bekommt man ja fast die Lust auf (Weiter-)Bildung vermiest ...
    Halte durch! :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Habe erfolgreich durchgehalten!
      Aber die nächste Schulung steht schon vor der Tür. Bin gespannt, womit beim nächsten Mal aufgewartet wird. Vielleicht Spinnen, so wie Sylana schreibt? :-)
      Bei Maden würde ich zurückzucken. Trotz Angelei.

      Löschen
  2. Herrje, es gibt so un - glaub - lich bescheuerte Leute!!!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auf jeden Fall!
      Aber ich finde es echt erstaunlich, dass ich hier Zuspruch erhalte. Ich dachte eher, ich mache mich mit diesem Post zum Löffel. ;-)

      Löschen
  3. Gute Taten erkennt man daran, dass die Mehrheit der Menschen sie belächelt.

    Das war mal anders, aber zwischenzeitlich ist das ein zunehmend
    guter Indikator dafür.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ist das so?
      Ich werde mal darauf achten. Aber ich hoffe sehr, dass du unrecht hast.

      Löschen
  4. So viel Dummheit kannste Dir nicht ausdenken.....

    Sicher das es um Wespen ging?
    Ich saß in ner Konferenz, da wurde ein ähnliches Spiel mir Spinnen gespielt.....
    Warn wir im selben Haus, womöglich?

    Fragen über Fragen.....

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich würde es toll finden, dich auf einer Schulung oder Konferenz kennenzulernen! Aber obwohl ich hier gerne Details verändere, habe ich aus den Spinnen keine Wespen gezaubert. Die Wespen waren tatsächlich Wespen. Ausnahmsweise. :-)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis