Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom inneren Kind / Stöckchen

Gefunden hier: Hol das Stöckchen!

1. Wenn Du Dir ein Spielzeug zu Weihnachten wünschen würdest, was wäre das?

Am allerliebsten hätte ich eine kleine Fee. Oder einen Mann im Ohr. Beides wollte ich schon immer haben, schon als kleines Kind. Besonders intensiv pflegte ich diesen Wunsch vor diversen Klassenarbeiten. Oder wenn ich mich irgendetwas ängstigte, ich mich einsam fühlte. Ich mochte den Gedanken, nicht allein sein zu müssen.
Wenn eine kleine Fee oder der Mann im Ohr nicht als Spielzeug durchgehen, würde ich mir eine Diddlmaus, einen Jojo, ein Tagebuch mit Schloß, Polly Pocket, das leuchtende Lego-Gespenst, eine Carrera-Autobahn, einen Zaubertroll, ein Keyboard, eine Laterne, einen Stimmungsring und jede Menge Bücher wünschen.
Huch. Als Kind war ich offenbar besser im Wünschen, als ich es heute bin.

2. Wenn Du Deine erwachsene Vernunft für ein paar Stunden abschalten könntest, was würdest Du dann am liebsten anstellen?

Eine Höhle bauen. Oder ein Baumhaus! Ja, ein Baumhaus! Hoch oben im Baumwipfel. Dort würde ich mir ein Geheimversteck bauen, mit einem Bett und vielen, vielen Bücherregalen. Süßigkeitenvorräte en masse würde ich dort horten, Kirschkernweitspucken üben und der restlichen Welt die Zunge rausstrecken. Meine allergeheimsten Tagebücher würde ich an diesem Ort verstecken und mich selbst, wenn ich mal wieder zu viel Angst davor hätte, zur Schule zu gehen. Vielleicht würde ich den Rest meines Lebens dort verbringen. An meinem sicheren Ort. Im stillen Einklang mit allem um mich herum. Zwischen Wildschweinen, Rehen, Hasen und Spinnen. Im Märchenwald.
(Und ich würde einen fliegenden Stuhl erfinden. Der, wie ein Fahrrad, über Pedalen angetrieben wird. Damit würde ich fliegend die Welt erkunden. Das hätte den Vorteil, dass ich mir auch endlich nicht mehr ausdenken muss, wie ich das Fenster im Flugzeug kaputtmachen kann. Ich wollte doch so gerne mal versuchen, ob man nicht doch auf Wolken rumhopsen kann.)

3. Welcher ist Dein Lieblingskinderfilm?

"Märchen schreibt die Zeit / in des Dichters Kleid, / die Schöne und das Biest..."
"Die Schöne und das Biest" natürlich. Von Walt Disney.
Er ist völlig konkurrenzlos. Und ich habe ihn als kleines Mädchen so oft gesehen, dass es eigentlich kein Wunder ist, dass ich so verliebt in die Liebe war. Ich wollte unbedingt, um jeden Preis, lieben und geliebt werden. So ist es vermutlich wenig erstaunlich, dass dieser Traum wahr wurde. Er war quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung. Manchmal frage ich mich, ob ich mal ein Buch über diese Liebe schreiben sollte. Ein Buch über die unglücklichste Liebe der Welt. Die beinahe zwei Menschen unter sich begraben hätte.

4. Was für ein Märchen bekämst Du am liebsten von Deinen Eltern vorgelesen?

Däumelinchen. Das Märchen vom Salz. Nils Holgersson. Das hässliche Entlein.
Vor allem: Das hässliche Entlein.
Damit habe ich mich als Kind ziemlich identifiziert.

5. Was für ein Kinderlied kannst Du noch auswendig?

So viele! Alle meine Kleider. Das Kuckuck-Lied. Hopp Hopp Hopp. Fuchs, du hast die Gans gestohlen. Kommt ein Vogel geflogen. Laurentia. Ein Vogel wollte Hochzeit machen. Dornröschen war ein schönes Kind. Das Wandern ist des Müllers Lust. Ich geh mit meiner Laterne. Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn. Und natürlich: Alle - wirklich absolut alle! - Lieder vom Traumzauberbaum von Reinhard Lakomy. Die schönsten Lieder der Welt.
Meine Mama hat immer gesagt: "Wo gesungen wird, da lass dich nieder - böse Menschen kennen keine Lieder." Und so wurde bei mir Zuhause immer gesungen. Bis heute glaube ich übrigens, dass an dem Sprüchlein etwas Wahres dran ist.

6. Was Du als Kind schon immer tun wolltest, es aber nie durftest?

Die Tapete anmalen! Die Eisblumen an den Fenstern mit den Fingerspitzen berühren. Im Winter die Autofenster anhauchen und die beschlagene Scheibe bemalen. Schokolade zum Abendbrot essen. Erwachsenen-Bücher lesen. Mich schminken. Bis zum Morgengrauen aufbleiben. Mit dem Feuer spielen. Mit der Stange Putz vom alten Haus abschlagen. Auf dem Dachboden rumstöbern (zu morsche Bodenplatten). Popeln. Niemals wieder duschen. Nach dem Mittagessen sofort wieder ins Wasser hüpfen. Auf dem Gepäckträger stehend Fahrrad fahren (obwohl ich das echt gut konnte!). Im Winter mit der Zunge die Kälte am Türknauf des Gartentores testen. Auf den morschen Nussbaum und den maroden Schuppen des Nachbarn klettern. So lange im Bett lesen wie ich will.

7. Was wolltest Du als Kind immer werden?

Försterin! Psychologin (später).

8. Wo würdest Du gerne wieder sein?

Im Keller-Wandschrank. Im alten Bootshaus. Bei Uroma auf dem Sofa. In Istanbul auf dem Wochenmarkt, um das schwarze Küken mitzunehmen, das der Verkäufer mir schenken wollte. Auf Kuba, um das Katzenkind von der Müllhalde zu retten. Und dort, um die Mädchen aus dem Katalog alle zu heiraten und mitzunehmen. Nur in umgedrehter Reihenfolge.
Im alten Haus. Das von oben bis unten mit Bücherregalen zugestellt war. Und in dem man im Mauerwerk Schätze finden konnte, indem man einzelne Ziegel entfernte. Bei den Nachbarn. Um Jonathan, der ins Kinderheim musste und sich so gerne von meiner Mama umarmen ließ, festzuhalten. Auf Madeira. Um dem alten Mann, der mich zu ängstlich fand, zu sagen, dass er das Richtige getan hat, als er meinen Eltern sagte, sie sollten mich von Zuhause wegschicken. Im Flugzeug. Um voller kindlicher Naivität ein fremdes Land zu entdecken. Und um coole Geschenke von Condor zu bekommen! Bei der Therapeutin. Um ihr zu sagen, dass ich weder ein schlechter Mensch bin, noch Beziehungen zwanghaft zerstöre, sondern dass sie lieber aufhören sollte mit ihrer unprofessionellen Art Menschen zu drangsalieren, die sich, im Angesicht von Schwäche, Hilfe holen und ihr Leben neu ordnen wollen. Auf einer Blumenwiese. Um meterlange Blumenkränze zu flechten. An der Uni. Um mehr zu lernen und den Forschungsantrag vielleicht doch anzunehmen.

9. Wenn Du im Schnee spielen könntest, was würdest Du als erstes machen?

Einen Schnee-Engel. Dann: Einen Schneemann. Und dann eine Schneeballschlacht. Und ich würde die ganze Zeit mit meiner Zunge Schneeflocken fangen. Das mache ich heute noch gerne. Genauso wie ich gerne meine Hand ausstrecke und stundenlang, voller Faszination, dabei zusehen kann, wie eine Schneeflocke in meiner Handinnenfläche schmilzt.

10. Was war Dein Lieblingskuscheltier?

Ein kleiner Hund, etwas größer als meine heutige Handfläche, hellblaues Fell, braune Öhrchen, durch die man die Finger hindurchstecken konnte. Die dunkelsten und schönsten Knopfaugen der Welt. Er hat mich auf allen Abenteuern begleitet. Bei Spazierfahrten im Kinderwagen, bei Ausflügen in den Zoo, bei Radtouren und Tagen am Badesee. Ich hab ihn heute noch. Meinen kleinen Lieblingshund. Und auch wenn ich heute weniger mit ihm kuschle, ist er noch immer heißgeliebt. So wie er es immer sein wird.

11. Wie sähe Deine Tapete in Deinem Zimmer aus?

Ich glaube, jede Wand würde anders aussehen. Es müsste ein Zimmer mit vielen, vielen Wänden sein, um jede Lebensphase darauf abzubilden. Eine Wand wäre vermutlich wild mit Bunt- und Filzstiften bemalt. Vermutlich wären lauter Mäuse und Sonnen darauf zu sehen. Weil ich Mäuse und Sonnen am allerliebsten gemalt habe, als ich im Kindergarten war.
Dann wäre eine Wand mit Bravoausschnitten tapeziert. Vorrangig mit Paddy Kelly und Nick Carter. Nick Cater hätte vermutlich keinen Mund mehr. Eine Zeitlang fand ich es nämlich super, ihn morgens und abends zu küssen (Igitt.). "Quit playing games with my heart" halt. Und so.
Auf der dritten Wand wäre ein großes "Nazis raus!"-Zeichen. Dort wären diverse Konzertkarten angetackert sowie Fotos von diversen Demonstrationen. Da ich eine Zeitlang mit viel Leidenschaft linker Steinewerfer war hätte ich vermutlich auch die ganzen Sch.lac.htru.fe CDs an die Wand gepinnt. Sowieso fand ich es eine ganze Zeit lang ziemlich cool, meine CDs anzupinnen. Vermutlich hätte ich also auch eine ganze Wand voller angepinnter CDs. Aus Liebe zur Musik.
Die nächste Wand wäre schlicht schwarz. Vermutlich mit einem Grabspruch in der Mitte. Oder einer Textzeile von "Deine Lakaien", "Lacrimosa" (Hach...), Dream Theater, Silke Bischoff oder Type O Negative. Sowas wie: "Suchet mich nicht hier, sondern suchet mich in Euren Herzen. Denn wenn ich mir dort kein Denkmal gesetzt habe, dann habe ich umsonst gelebt." Schön dramatisch! Carpe noctem und so. Achso: Und vermutlich hätte ich Fotografien von Grabsteinen und ähnlichem auf diese Wand geklebt. Alle dem Or.kus entnommen. Ein paar umgedrehte Kreuze, ein paar Nieten, ein paar Rasierklingen, ein paar Auszüge aus der satanischen Bibel und der Spaß wäre perfekt gewesen. (Nicht fragen. Wunderlichsein konnte ich immer gut.)
Dann hätte ich eine Wand für alle kleinen Lieben in meinem Leben. Vermutlich hätte irgendwann auch mal die große Liebe dran geklebt. Aber ich bin sicher, dass ich diese früher oder später entfernt hätte und ihre Abwesenheit einen gelblichen, ausgeblichenen blinden Fleck hinterlassen hätte. Wie in mir. Ist ja auch ein bisschen verlogen, zu behaupten, dass die Zeit alle Wunden heilt, oder? Obgleich es sicher leichter wird.
Meine Liebligswand - und die allergrößte Wand in meinem Zimmer - wäre aus hellen, ganz kunterbunten Farben. Sie wäre ganz leicht und würde wie tausende von Seifenblasen im Zimmer schweben. Wolken hätte ich darauf gemalt und das Meer. In den schönsten Farben. Und sie wäre beklebt mit Gänse- und Sonnenblümchen, mit Fotos von Freunden und Reisen, mit einer Weltkarte, wilden Träumen und allerlei bunten Krimskrams-Erinnerungen. An schlechten Tagen würde ich mich an dieser Wand festhalten und an guten Tagen würde ich sie erweitern. Mein Leben lang.

12. Du sollst Dein Zimmer aufräumen, wie wäre Deine Ausrede?

Ich hätte keine Ausrede. Ich würde es einfach machen und die komplette Zimmereinrichtung unter meinem Bett verstecken. Das hat immer funktioniert. Nur ein biszweimal im Jahr ist es dann rausgekommen und dann gab es einen Riesenknall. Damit konnte ich aber meistens leben. Prioritätensetzung lag mir schon als Kind...
 
13. Wofür würdest Du Dein Taschengeld ausgeben?

Das klingt jetzt bescheuert, aber: Für andere. Ich konnte als Kind nie an Obdachlosen, Bettlern oder Straßenmusikanten vorbeigehen, ohne etwas zu geben. Und wenn ich nichts zum Geben hatte, wurde ich schwer traurig. Mein Taschengeld (sowie das halbe Inventar meines Kinderzimmers) habe ich oft auf dem Schulhof verschenkt. Weil ich es toll fand, wie sich die anderen Kinder darüber freuten. Wenn ich mir selbst etwas kaufte, dann Süßigkeiten.
So würde ich es vermutlich auch heute halten.
Oder: So halte ich es auch heute.
Wenngleich ich heute weniger Geld verschenke. Hauptsächlich investiere ich Zeit. In Menschen und mein Ehrenamt.

14. Was fandest Du als Kind traurig?

Leid. Ungerechtigkeit. Verbitterung. Streit. Die Ehe meiner Eltern. Tierquälerei (Ich hatte einen Tierclub. Und war Anführerin.). Umweltverschutzung (Ich hatte einen Umweltclub. Und war... Ach, naja. Lassen wir das.). Das meine Haustier-Schnecken bei Regen im Eimer ertrunken sind. Das ich nicht so hübsch war wie andere Kinder. Und (gefühlt) nicht so mutig und so schlau. Das es Krieg gibt und Menschen, die Böses tun. Das Erwachsene so viel arbeiten gehen und so viele Sorgen haben. Das ich nicht tagein, tagaus träumen durfte. Das Freitag nicht frei ist und Sonntags nicht immer die Sonne scheint. Das ich jeden Montag nur elf Bücher in der Kinderbibliothek ausleihen durfte! Das mein Meerschweinchen so gerne Bücher gefressen hat... Das man nicht jeden Tag Spaghetti Bolognese essen soll. Das die Frau, die die Lottozahlen gezogen hat, nie ihr Gewehr gezeigt hat. Das es von Sommer zu Sommer weniger Schmetterlinge gab. Das mein bester Freund, der ein Jahr älter als ich war, nach seiner Einschulung plötzlich nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, weil er bessere Freunde in der Schule gefunden hat. Das Jonathans Vater sich erhängt hat und er ins Kinderheim musste. Das die Nachbarin ganz dünn geworden ist, bevor sie an Krebs gestorben ist. Das es Menschen gibt, die Brennnesseltee gut finden. Das alles, die ganze Welt, so beängstigend ist. Das Menschen sterben müssen. Das meine Uroma sterben musste. Das ich "Sailor Moon" und "Dawsons Creek" nicht im Fernsehen gucken durfte. Liebesentzug.

15. Wovor hattest Du als Kind am meisten Angst?

Nicht geliebt zu werden.
Nicht genug zu sein, zu fordernd, zu schlecht, zu ungehorsam, zu hässlich zu sein.



Himmel.
Vielleicht sollte ich das mit den Stöckchen einfach mal lassen.
Da komme ich immer so ins Schwafeln...

Kommentare

  1. Klingt nicht nach Geschwafel, eher nach erkennbarem Gegrübel...

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    1. Grübeln kann ich gut.

      Ich denke übrigens viel an deine Frau und dich. Es fällt mir nur oft schwer, die richtigen Worte zu finden, um sie in deinem Blog in einen Kommentar zu fassen.
      Nur die besten Wünsche für euch beide.

      (Jetzt bin ich ins Duzen gerutscht. Ich hoffe, das ist okay so...)

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