Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Warnhinweisen zur Bedienungsanleitung



Warnhinweise zur
Bedienungsanleitung

  1. Das Muschelmädchen wird nie ein Mensch sein, der irgendwann alle Geheimnisse preisgegeben hat. Es wird immer Dinge geben, die es mit sich selbst ausmacht. Und es wird immer und immer wieder für eine Überraschung - eine unerzählte Geschichte, ein unbenanntes Gefühl oder eine unberechenbare Reaktion - gut sein.
  2. Sein Vertrauen verschenkt das Muschelmädchen in der Regel exakt ein einziges Mal. Es wird auch bei einem Vertrauensmissbrauch versuchen, den ursprünglichen Zustand der etwaigen Beziehung wieder herzustellen. Erfahrungsgemäß fällt ihr das aber sehr, sehr schwer. Ist das Vertrauen erst einmal angeschlagen, reagiert sie empfindlicher, sensibler und vorsichtiger als zuvor. Es braucht dann Zeit, um wieder Vertrauen zu fassen. Ob das tatsächlich gelingt, steht allerdings in den Sternen. Es wäre deshalb gut, wenn Sie das Vertrauen des Muschelmädchens einfach von Beginn an behutsam behandeln. Es ist wesentlich einfacher, sein Vertrauen zu verlieren, als es wiederzugewinnen.
  3. Insgeheim ist das Muschelmädchen eine Hochstaplerin. Denn so richtig kann es eigentlich nichts. Nicht einmal seinen Job. Es kann lediglich von allem ein wenig, ist universal einsetzbar und für halbherzige Lösungen ideal. Es kann Sie auf dem Klavier, mit den drei ewig gleichen Liedern, in den Schlaf spielen, kann ein bisschen heimwerkeln, ein bisschen stricken, ein bisschen Motocross fahren, ein bisschen kiten, ein bisschen zeichnen, ein bisschen schreiben, ein bisschen nähen. Sie stiehlt halbe Pferde, erklimmt lediglich Hügel und fühlt sich fast immer wie Alice im Wunderland, während sie sich von der Welt und den Menschen erstaunen lässt.
  4. Das Muschelmädchen braucht es zwingend, auch mal albern sein zu dürfen. Es streckt gerne kleinen Kindern und dem eigenen Spiegelbild die Zunge heraus, spielt für sein Leben gerne und leidenschaftlich beim Putzen Luftgitarre, singt unter der Dusche laut Lieder, während es das Shampoo als Mikrofon entfremdet und liebt es, sich rückwärts in den Schnee plumpsen zu lassen, um Schneeengel zu zaubern. Bestimmt ist die Hälfte der Menschen, die sich im gleichen Alter wie das Muschelmädchen befinden, schon heute so alt, wie es das Muschelmädchen niemals werden wird. Das Muschelmädchen will auch gar nicht alt werden und vor allem nicht spießig. Sie würde gerne jegliche Strukturgebundenheit vermeiden. Was unmöglich ist. Allerdings ist alles, was unmöglich ist, einen Versuch wert.
  5. Anderen Menschen Rechenschaft über sein Verhalten abzulegen mag das Muschelmädchen nicht. Es ist ein freier Mensch, der auf eigenen Füßen steht und eigene Entscheidungen trifft. Das Muschelmädchen ist gerne selbständig.
  6. Das Muschelmädchen erfreut sich gerne mal ein zwei starken Armen oder einem kräftigen Rücken, hinter dem sie sich verstecken kann. Aber es muss nicht gerettet werden. Es ist kein labiles Ding, das es noch lernen muss, zu leben. Es fällt ihm schwer Unterstützung anzunehmen, aber ab und zu, ganz selten, gelingt es. Meistens rettet es sich selbst.
  7. Dem Muschelmädchen sind klare Worte wichtig. Es liegt ihr nicht, Dinge schönzureden oder um den heißen Brei zu tanzen. "Ich mag dich.", "Heute habe ich Lust auf Steak." oder "Es tut mir leid, dass ich Mist gemacht habe." Kommunikation darf ruhig auch mal schlicht und undramatisch sein. Denn manchmal ist damit schon alles gesagt.
  8. Vermutlich ist das Muschelmädchen manchmal nervig für ihren Gegenüber, denn die Dinge, die es nicht versteht, hinterfragt es so lange, bis es ein Verständnis entwickeln kann. Es diskutiert gerne. Dabei ist es ihr wichtig, dass ihr Diskussionspartner seine Meinung mit Argumenten untermauern kann. Argumente wie "Das ist so." oder "Ich bin so." lehnt sie dabei kategorisch ab, wenn sie über solchen Aussagen nicht gar wütend wird. Und sie mag es überhaupt nicht, wenn jemand - "Man weiß noch nicht, wie man dazu steht." - in unpersönlicher Form von sich selbst redet und so innere, ungelöste Konflikte preisgibt.
  9. Das Muschelmädchen wird nie aufhören zu versuchen, Sie besser kennenzulernen. Es ist chronisch neugierig und will alles von seinem Gegenüber wissen. Jeden Wunsch, jeden Abgrund, jedes Gefühl, jedes Geheimnis. Es interessiert sich für alles. Allerdings legt es wert darauf, sich nicht aufzudrängen und nicht anstrengend zu sein. Es wird also, Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel, weder den ersten Schritt auf Sie zu machen noch Sie drängen. Stattdessen ist es gut darin, still zu hoffen und zu warten. Auch lange.
  10. Für manche Menschen ist das Muschelmädchen gefährlich. Weil es sehr herzlich und liebevoll ist und dem Leben eine Freude entgegenbringt, die ansteckend ist. Und auch, weil es manche Menschen tiefer berührt, als es gut für sie wäre. Leider erkennt es das Muschelmädchen nicht immer früh genug, für wen es gefährlich ist. Sonst würde es sich bemühen, solchen Menschen von Anfang an nicht zu nahe zu kommen. Um sie nicht zu enttäuschen. Es gibt Tage, an denen sich das Muschelmädchen ein liebsten ein Schild um den Hals hängen würde. Mit der Aufschrift: "Bitte geh weiter, ich bin nicht gut für dich."

Kommentare

  1. Antworten
    1. Eher mäßig. Aber das Thema hat mich nicht losgelassen.

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  2. Die man-Variante schützt zuweilen davor, sich selbst zu nah zu kommen.. Es ermöglicht, eine Distanz zu sich selbst zu wahren in einem Augenblick, wo es ungut wäre, die Nähe zu sich selbst zuzulassen.. Ich hab das selbst hautnah erlebt.. In dem Moment, wo jemand mir sagte, "Sage doch nicht man, wenn du dich meinst", war mir, als würde ich innerlich komplett zerbrechen..

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  3. P. S. Das ist so ähnlich wie von sich selbst in der dritten Person zu schreiben ;)

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    1. Das ist mir bewusst und ich verstehe das.
      Ich finde nur, dass die Verwendung von "man" sehr viel über einen selbst aussagt und dem Gegenüber vielleicht mehr Angriffsfläche an die Hand gibt, als man sich selbst bewusst ist.

      Ich weise andere Menschen nicht daraufhin. Hauptsächlich weil ich denke, dass mir das nicht zusteht. Bei der Verwechslung von "nach" und "zu" oder "als" und "wie" sieht das aber anders aus: Je nach Genervtheitsgrad und Schalk im Nacken kann mir da schon mal etwas entschlüpfen.

      Und was die dritte Person angeht: Ich musste doch meiner Bedienungsanleitung treu bleiben. ;-)

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    2. "Ich fahr mal nach Edeka", ja, da musste ich auch schmunzeln ;) Erinnerte mich glatt an "Schackeline, tu ma die Oma winken!" :)

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  4. Zu 3: Empfindest du das als Manko? Ist es wirklich erstrebenswert, irgendwas bis zur Perfektion zu beherrschen? Macht das zufrieden? Erwartet das jemand? Und besteht dann nicht die Gefahr, das jemand, der eine Sache (was auch immer das ist) perfekt beherrscht, ansonsten für nichts zu gebrauchen ist? Ich jedenfalls empfinde jemanden, der von sich sagt "Es kann lediglich von allem ein wenig, ist universal einsetzbar und für halbherzige Lösungen ideal." als grundsympathisch.

    Zu 4: Beneidenswert! Ganz im positiven Sinne.

    Zu 8: Darin finde ich mich wieder. Und wundere mich immer wieder darüber, wie selten es ist, jemanden zu treffen, dem solch ein Diskutieren, ein Hinterfragen, ein Argumentieren wichtig ist. Bisweilen kann es anstrengend sein, führt aber meiner Erfahrung nach immer dazu, sich hinterher besser zu fühlen.

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    1. Hallo Christian.
      Danke für deinen Kommentar.

      Zu 3: Ja, ich empfinde das als Manko. Ich würde gerne irgendetwas richtig gut können. Dadurch dass ich nichts richtig kann, habe ich oft das Gefühl, eine Hochstaplerin zu sein, überschätzt zu werden. Dieses Gefühl mag ich nicht.
      Dass du Menschen sympathisch findest, die von allem ein wenig, aber nichts richtig können, finde ich allerdings schön. Danke!

      Zu 8: Ich bin vollkommen deiner Meinung. Es macht Spaß, sich mit Sachverhalten, Gefühlen usw. auseinanderzusetzen und sie zu verstehen. :-)

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    2. Zu 3: Woran machst du denn fest, dass du das, was du gerne richtig gut können würdest, nicht gut kannst? Mutmaßlich nicht gut genug in deinen Augen? Ziehst du die Maßstäbe, die du für dich anlegst, wenn du beurteilst, ob etwas gut genug ist, auch bei anderen heran? Meinst du, du könntest überhaupt genießen, für etwas, was du auch in deinen Augen gut genug kannst, anerkannt zu werden?

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    3. Ja, richtig: Ob ich etwas gut kann oder nicht, beurteile ich nach meinen eigenen Maßstäben - die zugegebenermaßen hoch sind. Und natürlich hast du mich erwischt: Bei anderen Menschen lege ich andere Maßstäbe an, setze weniger hoch an, bin nachsichtiger.
      Und die letzte Frage, lieber Christian, die ist ein bisschen gemein :-) Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Ich halte es für gar nicht unwahrscheinlich, dass ich es nicht genießen könnte, für etwas, was ich gut kann, anerkannt zu werden. Ich bin nicht unbedingt ein Mittelpunkts-Hallodri, das brauche ich nicht.
      Ich fühle mich von dir aufs Kreuz gelegt. :-)

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    4. Oh! Dich aufs Kreuz zu legen, hatte ich nun überhaupt nicht intendiert. Wir kennen uns doch gar nicht.

      Fragen zu stellen, die ein bisschen gemein sind, mag ich hingegen sehr, zumindest wenn sie herausfordernd (im positiven Sinne) aufgefasst werden.

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    5. Ich mag solche Fragen auch sehr. Wirklich. Für gewöhnlich bin ich allerdings, die Person, die die Fragen stellt. ;-)

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  5. Ich stimme Dir bei fast allem zu.
    Bis auf die drei.
    Das finde ich, Du stapelst tief.

    Weil von vielen Sachen ein bißchen was zu verstehen, umsetzen zu können ist eine sehr große Gabe. Das bedeutet nämlich, Du hast eine große Bandbreite an Interessen, und damit gibt es immer Gesprächsstoffe.
    Man nennt das auch Allrounder, und weißt Du, diese Leute, die auf vielen Positionen eine solide Arbeit abliefern, die sind heiß begehrt. Mir retten sie bei Krankheitsvertretungen usw. regelmäßig den Ar...
    Fachidioten gibt's genug. Wenn du nicht gerade das selbe Fachgebiet teilst, wird's spätestens beim zweiten Kaffee gähnend langweilig.

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    1. Ich weiß nicht, ob ich tief staple.
      Was ich mitbringe, ist ein natürliches Interesse an Themen. Da hast du recht. Aber mein Wissen ist nicht unbedingt tief und fundiert. Das stört mich. Und vor diesen Menschen, die all zu viel reden, weil sie so viel zu sagen haben, grusle ich mich ein wenig: Meines Erachtens gibt es nämlich einen Unterschied zwischen Machern und Schnackern, also zwischen Leuten, die die Dinge angehen und denen, die einfach reden können. Zweitere Spezies ist mir unfassbar unangenehm.
      Aber etwas erzählen kann ich. Das bringt der Job mit sich. :-)

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