Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Affen im Kopf

Am Sonntag wache ich, nach einer viel zu langen Nacht und einer großartigen Party, auf und fühle mich, als hätte man mir in den vergangenen drei Stunden, die ich geschlafen habe, einen Kochtopf um den Kopf geschnallt, auf dem ein wild gewordener Affe Schlagzeug spielt. In meinem Kopf überschlagen sich die Erinnerungen an die vergangene Nacht. Ich versuche die Gedanken, die durch meinen Kopf purzeln, zu vertreiben und drehe mich im Bett von rechts nach links, links nach rechts, rechts nach links. Aber das nützt nichts. Ich kann nicht mehr schlafen. Und weil ich vermutlich immer noch einigermaßen betrunken bin - Gin Tonic, Aperol Spritz, Cuba Libre, Caipi und Wodka Energy sind in rauen Mengen geflossen - kitzeln sich in mir die Selbstzweifel noch:
Habe ich mich daneben benommen?
Blödsinn geredet?
Mich zum Apfel gemacht?

Es ist etwa 17:30 Uhr, als ich den ersten Drink in der Hand halte. Weil ich den Großteil der Leute, die auf dieser Party rumspringen, kenne, habe ich mich, wie ich zugeben muss, nicht aufgehübscht. Immerhin befinden wir uns auf dem platten Land. Da sind Gammel-Chucks, Jeans und ein dünner Pullover, der keinen Ausschnitt zeigt, doch okay. Finde ich. Und ich will ja niemanden verführen. Stattdessen will ich lieber tanzen. Dabei sind bequeme Kleidung und flache Schuhe von Vorteil. Außerdem fühle ich mich im Moment nicht besonders wohl in meiner Haut. Ganz im Gegenteil: Ich habe das Gefühl, so mopsig zu sein wie schon lange nicht mehr. Rollmopsig. Quadratisch, praktisch, gut. Tönnchenmäßig. Deshalb möchte ich mich am liebsten verstecken.
Und das ich niemanden suche, der mich interessiert, ist vermutlich der Grund dafür, dass ich letztendlich an der Bar doch über einen Gesprächspartner stolpere, an dem ich mich festbeiße. Er, anderthalb Köpfe größer als ich, selbständig, nebenberuflicher Tierarzt und ehemaliger Forellenteichbesitzer, ist witzig. Warum auch immer, vermutlich weil wir ziemlich betrunken sind, reden wir über Sex mit Karpfen und ich sorge mit dem entspannten Einwurf, dass es sicher sinnvoller ist mit einem Karpfen Sex zu haben, als mit einem Hecht, für nicht unerhebliche Irritation. Das gibt es ja nicht, dass eine Frau einen Karpfen von einem Hecht unterscheiden kann und mit den Begriffen Vorfach, Blinker und Boilie etwas anfangen kann. Sämtliche Pluspunkte, die ich bis hierhin gesammelt habe, verschenke ich jedoch sofort wieder, als sich herausstellt, dass mein Gegenüber ein Pferdemensch ist. Ich erzähle ihm, dass ich glaube, dass alle Pferdemenschen einen an der Waffel haben, auch wenn es Menschen unter ihnen geben mag, die ganz bestimmt eine liebenswürdige Macke pflegen. Erstaunlicherweise schrecken ihn meine Worte nicht ab, er stimmt mir stattdessen sogar lachend zu und weist mich auf seine Macken hin.
Und so lassen wir uns treiben. Sprechen über Musik, Ridgebacks, über das Angeln und seine Heimwerkerfähigkeiten. Als er mir erzählt, dass er gerade dabei ist, sein Haus umzubauen und er meine Frage, ob er eine Bibliothek besitzt, erstaunlicherweise bejaht, bin ich, wie ich zugeben muss, ein kleines bissches begeistert. Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal einen Mann kennengelernt habe, der freiwillig Papierbücher anfässt.

Im Gehen fragt er mich, ob er mich über eines der gängigen Sozialen Netzwerke anschreiben darf. Lächelnd erkläre ich ihm, dass er gerne nach meinem Blog suchen kann, diesen, aller Wahrscheinlichkeit nach, jedoch nicht finden wird. Mit einem anderen Netzwerkprofil kann ich nicht dienen.
"Danke für die gute Unterhaltung.", flüstere ich, deshalb das Thema wechselnd, in sein Ohr.
"Ich danke dir.", sagt er lächelnd und hält mich vermutlich einen Augenblick zu lange fest.
Ich sehe ihm dabei zu, wie er in das Auto steigt, das ihn nach Hause bringt.
Dann kehre ich zur Party zurück, tanze bis mir die Füße wehtun und lasse mich schließlich, als ich der letzte Gast bin, mit dem Besen vor die Tür kehren. Dabei leise Reinhard Mey singend.
Gute Nacht, Freunde.

Der Schlagzeug spielende Affe, der noch immer sein Unwesen in meinem Kopf treibt, will mir einreden, dass ich die Zeit der Menschen verschwende, denen ich auf Feiern solcher Art begegne. Wer will sich schon unterhalten, wenn man Nachts doch eigentlich leichte Küsse tauschen könnte, um darüber den Rest der Welt einfach zu vergessen?
Vermutlich bin ich ein richtiges Mädchen.
Eine dieser Frauen, die immer nur reden wollen.



Kommentare

  1. "... will mir einreden, dass ich die Zeit der Menschen verschwende, denen ich auf Feiern solcher Art begegne."
    Aaargh. Da isses wieder. Schmeiss´ doch mal die Selbstzweifel über Bord! Du wolltest reden, er wollte reden. Ihr habt Euch - offensichtlich - gut unterhalten. That´s it. Wer hat hier irgendwas verschwendet?
    "Vermutlich bin ich ein richtiges Mädchen." Aha. Und Dich verwundert, dass ich Dich als solches bezeichne? :-)
    Ich denke, Du hast alles richtig gemacht. Und danke für das Bild des "kochtopfspielenden Affen".

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wie geht denn das? Wie schmeißt man denn Selbstzweifel über Bord?

      Löschen
  2. "Lächelnd erkläre ich ihm, dass er gerne nach meinem Blog suchen kann, diesen, aller Wahrscheinlichkeit nach, jedoch nicht finden wird."

    Nunja, wenn er die Schlagwörter des Abends "Blog Hecht Karpfen Pferdemenschen" in dieser Kombination in die Suchleiste tippt, in dein Eintrag hier der vierte Treffer. ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh. Du hast absolut recht, ich habe das eben ausprobiert :-)
      Das ist witzig. Na dann: Ich lege es darauf an!

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis