Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Premiumfrauen

Unwillkürlich muss ich heute an eine Verabredung denken, die etwa zwei Jahre zurückliegt. Wir treffen uns irgendwo in Freiburg auf einen Kaffee. Er ist mir von vornherein unheimlich: Zu sehr Schürzenjäger und ganz sicher zu hübsch. Ich bin mir manchmal nicht ganz sicher, ob man den süddeutschen Männern nicht irgendetwas in den Kaffee schüttet. Meiner Erfahrung nach sehen die häufig ziemlich gut aus. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum ich mich, als Bindungsphobikerin, im Norden niedergelassen habe. Mein Herz und ich sind hier sicherer.

Jedenfalls setze ich das Treffen aufgrund seiner Schürzenjägerambitionen, seines Aussehens und eines diffusen Bauchgefühls nur ganz kurz an, auf anderthalb bis zwei Stunden. Ich kenne ihn, wie sollte es anders sein, aus dem Internet, genauer gesagt: von einigen merkwürdigen Blogposts und ein paar noch seltsameren E-Mails. Aber leider bin ich weder wirklich gut darin, das eine zu verstehen, noch steige ich so richtig durch das andere durch. Während er sich von mir verstanden fühlt, bin ich im Angesicht seiner Worte regelmäßig ratlos. Das ist es vermutlich, was meine Neugier auf ihn letztendlich entfacht. Wohlgemerkt: Eine Neugier auf ihn als Menschen, nicht aber als Mann. Er führt ein Leben, das mir so anders, so viel abgehobener erscheint, als mein eigenes. Eines mit viel zu viel Geld, schnellen Autos, Nutten, Frauenverschleiß, Edelclubs, Aktienspekulationen und ähnlichen Dingen, von denen ich nichts verstehe. Er lebt dekadent und exzessiv. Fast schon absurd selbstzerstörerisch.

Er holt mich vom Bahnhof ab. Und eigentlich ist das Treffen vermutlich schon gelaufen, als ich ihm mit meinen ausgelatschten Chucks auf dem Bahnsteig entgegenstiefele und er mich völlig verwirrt fragt, warum ich nicht erster Klasse gereist bin. Bereits in diesem Moment komme ich mir fehl am Platze vor und würde am liebsten türmen. Aber ich entscheide mich dagegen. Stattdessen schlage ich lediglich die Augen nieder und wünsche mich weit weg. Ich komme mir vor wie eine 08/15-Frau, die einem Mann begegnet, der so überhaupt nicht in ihrer Liga spielt. Weder was das Aussehen, noch was den Intellekt betrifft. Aber ich ziehe dieses Treffen durch und folge ihm in ein kleines, dem Bahnhof nahegelegenes Café. Erleichtert, dass wir unter Menschen bleiben.

Der Beginn unseres Gespräches gestaltet sich stockelig. Ich glaube, dass das hauptsächlich an mir liegt. Ich fühle mich nicht wohl diesem Mann gegenüber, kann mich nicht entspannen, nicht loslassen - ein Gefühl, welches das komplette Treffen über anhält. Erstaunlicherweise empfinden wir unsere Verabredung vollkommen unterschiedlich. Während er sich von mir berührt fühlt, leide ich unter dem Eindruck, ihn nicht zu erreichen. So viel Distanz, so viel Schutzmauer seinerseits, so viel Härte, so viel Misanthropie, so viel Ablehnung gegenüber dem Leben. So viel Schmerz in seinen Augen.
Aber er stellt sich als genauso lebenshungrig heraus, wie er sich mir vorher beschrieben hat. Wie ich ist er ein ewig Suchender, suchend nach Sinnhaftigkeit. Allerdings habe ich das Gefühl, dass er vor allem gegen die innere Leere ankämpft. Und diese gerne von einer Frau würde füllen lassen. Ich verstehe nicht, wie es funktionieren soll, dass ein anderer Mensch die eigene Leere vertreiben soll, diskutiere seine Einstellung aber auch nicht. Stattdessen höre ich schweigend zu. Den Großteil der Zeit.

Zwei Stunden später sind wir zurück am Bahnhof. Zur Verabschiedung zieht er mich in eine enge Umarmung. Ich bitte ihn, auf sich aufzupassen. Daraufhin erklärt er mir, dass es von mir abhängt, ob er mir diese Bitte erfüllen wird - davon ob ich Interesse an ihm als Mann hätte. Anderenfalls stünde er einem Selbstmord recht aufgeschlossen gegenüber.
Ich habe keine Ahnung, ob er es merkt, aber ich verschließe mich noch in der gleichen Sekunde. Lediglich ein halbes Lächeln und ein kleines Winken ringe ich mir noch ab, ehe ich mich auf dem Absatz umdrehe und von der Menschenmenge, die die Bahnhofhalle bevölkert, verschlucken lasse. Jetzt weiß ich mit absoluter Sicherheit, dass dieses Treffen ein Fehler war. Und das wir niemals wieder etwas von einander hören werden. Kilometer um Kilometer legt die Bahn auf ihren Schienen zurück und bringt mich Richtung Heimat. Und je größer der Abstand zwischen Freiburg und mir wird, desto mehr fällt die Anspannung von mir ab.
Ich greife nach meinem Handy und lösche seine Telefonnummer.

Heute muss ich an diesen Mann denken. Denn eines lässt mich nicht ganz los:
Er sprach immer davon, eine "Premiumfrau" zu suchen.
Aber was ist eine Premiumfrau?
Zeichnet sie sich wirklich nur über hübsches Aussehen und ein bisschen Intelligenz aus?

(Der Mann von dem ich geschrieben habe, ist hier vollkommen unbekannt.
Sonst würde ich hier nicht darüber schreiben.)

Kommentare

  1. Von einer Premiumfrau habe ich noch nie gehört, soweit ich mich erinnern kann.

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    1. Aber vielleicht hast du schon mal eine gesehen? Also... Eine, die für dich eine Premiumfrau war?

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  2. Du hast gute Instinkte - das ging mir als erstes durch den Kopf.
    Und weil beim zweiten Lesen meine eigenen Alarmglocken immer noch schrillten, befragte ich mal Tante Gugel. Ich will das - aus Gründen - hier nicht verlinken.

    Ich mag nicht mal die Suchbegriffe hier hin schreiben, aus Sorge, dass ich dadurch solche Spinner hierher leite... gibts ne Mailadresse? (ich suche mich zu Tode aufm Handy :/ )
    Gwen

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    1. Gefunden.
      Gwen - leicht verpeilt

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    2. unter einer premiumfrau versteht ein Mann, denke ich, eine Frau die er als für sich passend empfindet. Aber, dass du diesen Menschen mit deiner Zuneigung vor einem Suizid bewahren solltest....soviel Druck lässt einen doch nur so schnell wie möglich fliehen. Es sei denn, man hat einen Busswunsch. *schauder*
      Lg Magenta

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    3. Danke für deine E-Mail. Tatsächlich hatte ich selbst auch gegoogelt, bin aber wohl unterdessen wieder davon abgekommen, denn das habe ich nicht herausgefunden. ;-) Danke für die Nicht-Verlinkung. Die ist super und hat mich gefreut! Und auch lieben Dank für die Recherche! :-)

      Je länger ich über den Inhalt der E-Mail, die du mir geschickt hast, nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint mir deine Theorie - ich kann mir tatsächlich vorstellen, dass du recht hast. Gruselig. Aber ich werde nie rausfinden, ob dem wirklich so war...
      Es ist wie es ist. Und manchmal ist es einfach gut, auf das eigene Bauchgefühl zu hören.

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    4. @Magenta

      Ja, das würde ich auch so sehen. Ich fand nur die Schlagworte "intelligent" und "gut aussehend" so etwas... schwierig. Weil: unzureichend. Aber vermutlich ist es typisch weiblich, dass ich glaube, das drei Worte nicht ausreichen, um eine Premiumfrau zu beschreiben.

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  3. Ich erinnere mich dunkel, vor Jahren mal Eine gedatet zu haben, die von sich selbst tatsächlich als "Premiumfrau" sprach. Damit meinte sie, dass sie überdurchschnittlich viel "mitbringe" (Aussehen, Geschmack, Freizügigkeit, Kultur, Gesellschaftsfähigkeit...) und dementsprechend vom Mann auch überdurchschnittlich viel Engagement erwarte - ich glaube, hauptsächlich bezogen auf die Finanzierung von Freizeitaktivitäten wie Fernreisen, Restaurants, Hobbys. Würde den Kontakt ja vermitteln, fürchte aber, die Nummer verlegt zu haben.
    Das mit dem Suizid: War das ein mißlungener Kalauer oder ernsthaft gemeint?

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    1. Vielleicht haben wir ja Glück und deine Eine und mein Einer sind sich irgendwo über den Weg gelaufen. Zu wünschen wäre es ihnen sicher.
      Von einem Mann (oder generell: vom Partner) zu erwarten, dass er überdurchschnittlich viel Engagement in Form von finanziellen Mitteln in die Beziehung einbringt, finde ich blöd. Ich bin total gerne unabhängig. Und dazu gehört, dass ich mich zwar mit Freude mal einladen lasse, mich aber nicht generell aushalten lassen mag.

      Ein Kalauer war es nicht. Für "premium" genug, einen fremden Menschen zum Suizid zu treiben, indem ich mich nicht auf ihn einlasse, halte ich mich allerdings auch bei weitem nicht. Im Nachhinein denke ich, er wollte mich schlicht und ergreifend unter Druck setzen. Und wer sich tief genug hier (bzw. im damaligen Blog) einliest, der findet ja recht leicht heraus, wie das gut funktioniert. Vielleicht wäre die Rechnung aufgegangen, wenn er mir ein wenig näher gestanden hätte.

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  4. *Ironie on* Premiumfrau = Trophäenfrau. Kommt nicht jeder ran, muss man(n) sich leisten können, weil sie kostpspielig im Unterhalt sind. Erfordern gute Nerven, weil sie anspruchsvoll sind und dich ständig wissen lassen, dass sie "etwas Besonderes" sind. Sehr viele dieser "Premiumfrauen" scheinen im Instagram-Land zu wohnen.^^ *Ironie off*

    Möglicherweise kann man(n) aber auch eine normale Frau zur "Premiumfrau" werden lassen - da denke ich an diese Geschichte der 9-Kuh-Frau (bei Interesse einfach mal googlen). Im Zusammenhang mit Menschen (m/w) von "Premium" zu reden, empfinde ich als gruselig. Das sagt viel aus über den Menschen, der das tut. Ich persönlich mag Menschen, die sich von anderen be-rühren lassen, ohne erst auszusieben, wer nun durchs Premium-Raster passt und wer nicht. Sage ich, als Nicht-Premium-Frau. ;)

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    1. "kostspielig" heißt das. Ich sollte das schreiben können, bei meinem Lesehunger... der ist auch kostspielig.^^

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    2. Der erste Absatz deines Kommentares, wenngleich ironisch gemeint, ist für mich persönlich der Albtraum einer Frau :-)

      Die Geschichte der Neun-Kuh-Frau kannte ich nicht und musste sie tatsächlich googeln. Sie ist sehr süß. :-)
      Stimmt! Letztendlich impliziert die Wortwahl "Premium" dass es... zwei Arten von Menschen gibt. Premium und nicht-Premium. Auch ich finde das ein wenig gruselig. Ich bin ganz auf deiner Seite: Sich berühren zu lassen, darum geht es. Das denke ich auch. Und das ist es, was ich mag. :-)

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