Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Nachthemd



Heute Nacht habe ich einen dieser Träume geträumt, die es eigentlich gar nicht gibt und die manchmal, milde lächelnd, von Leuten erzählt werden, die häufig ganz schön alt sind und die es, so glaube ich zumindest, meistens auch gar nicht wirklich gibt. Wahrscheinlich gehören die zur Bielefeldverschwörung oder zu Michael Endes „grauen Männern“ aus Momo. Jedenfalls: Nur mit einem Nachthemd bekleidet – ein gelbes Stück Stoff, mit einem grauen Herz auf der Brust, bis kurz unter meinen Po reichend – besuchte ich meine alte Schule: Willkommen in Absurdistan.

Während meine alte Ethiklehrerin mit mir kuscheln möchte, gesellen sich immer mehr Lehrer zu uns und sind so anschmiegsam, dass ich irgendwann das Gefühl habe, unter einem Haufen von Körpern begraben zu werden. Gerade, als mir zwischen all den Menschen beginnt die Luft auszugehen, und ich überlege, mich mit Gewalt aus dieser Menge herauszukäpfen, will mich Harald retten. Gott sei Dank. Er entert den Schulflur mit seinem Motorrad und wirft mir lässig einen Helm zu. Eigentlich fehlt es nur noch, dass er splitterfasernackt ist und eine eiskalte Cola trinkt. Tut er aber nicht. Weil er noch nie gemacht hat, was ich wollte. Der Arsch.
Stattdessen entdecke ich, dass ich zaubern kann und lasse Harald für einige, wenige Sekunden kurz zu einem Standbild gefrieren. Ganz genau sehe ich ihn mir an, streiche ihm sanft durch die Haare und flüstere dann: „Du hast keine Ahnung davon, dass ich ganz schön in dich verliebt war, oder?“. Harald bleibt regungslos. Ich lächle. Als die Welt aus ihrer kurzen Erstarrung erwacht und ich mich plötzlich, inmitten des Schultumultes, wiederfinde, halte ich Harald seinen Motorradhelm hin.
„Ich muss nicht mehr von dir gerettet werden.“, sage ich liebevoll.
Sein Blick ist es, an dem ich ablesen kann, dass er weiß, was ich meine. Er guckt überrascht und auch ein bisschen verletzt. Ich gebe ihm einen leichten Kuss auf die Wange und wandere barfuß, durch die langen Flure hindurch, aus meiner alten Schule hinaus. Bekleidet nur mit einem Nachthemd.
Na und?
Es ist mir, schlicht und ergreifend, ziemlich egal, wer hier was von mir denkt.
Ich mag mein Nachthemd gerne.

Kommentare

  1. Eine Nacht.
    Nur EINE NACHT lang möchte ich träumen können, so wie Du träumen kannst.
    Es hört sich wunderbar an...

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    1. Findest du?
      So wunderbar ist es nicht immer. Ich kann auch richtig gruselig träumen. Außerdem stelle ich wieder und wieder fest, dass mein Unterbewusstsein eine ganz stumpfe Nuss ist. Die Träume sind äußerst leicht interpretierbar.

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  2. Träume können sehr unterhaltsam sein.

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