Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Nachthemd



Heute Nacht habe ich einen dieser Träume geträumt, die es eigentlich gar nicht gibt und die manchmal, milde lächelnd, von Leuten erzählt werden, die häufig ganz schön alt sind und die es, so glaube ich zumindest, meistens auch gar nicht wirklich gibt. Wahrscheinlich gehören die zur Bielefeldverschwörung oder zu Michael Endes „grauen Männern“ aus Momo. Jedenfalls: Nur mit einem Nachthemd bekleidet – ein gelbes Stück Stoff, mit einem grauen Herz auf der Brust, bis kurz unter meinen Po reichend – besuchte ich meine alte Schule: Willkommen in Absurdistan.

Während meine alte Ethiklehrerin mit mir kuscheln möchte, gesellen sich immer mehr Lehrer zu uns und sind so anschmiegsam, dass ich irgendwann das Gefühl habe, unter einem Haufen von Körpern begraben zu werden. Gerade, als mir zwischen all den Menschen beginnt die Luft auszugehen, und ich überlege, mich mit Gewalt aus dieser Menge herauszukäpfen, will mich Harald retten. Gott sei Dank. Er entert den Schulflur mit seinem Motorrad und wirft mir lässig einen Helm zu. Eigentlich fehlt es nur noch, dass er splitterfasernackt ist und eine eiskalte Cola trinkt. Tut er aber nicht. Weil er noch nie gemacht hat, was ich wollte. Der Arsch.
Stattdessen entdecke ich, dass ich zaubern kann und lasse Harald für einige, wenige Sekunden kurz zu einem Standbild gefrieren. Ganz genau sehe ich ihn mir an, streiche ihm sanft durch die Haare und flüstere dann: „Du hast keine Ahnung davon, dass ich ganz schön in dich verliebt war, oder?“. Harald bleibt regungslos. Ich lächle. Als die Welt aus ihrer kurzen Erstarrung erwacht und ich mich plötzlich, inmitten des Schultumultes, wiederfinde, halte ich Harald seinen Motorradhelm hin.
„Ich muss nicht mehr von dir gerettet werden.“, sage ich liebevoll.
Sein Blick ist es, an dem ich ablesen kann, dass er weiß, was ich meine. Er guckt überrascht und auch ein bisschen verletzt. Ich gebe ihm einen leichten Kuss auf die Wange und wandere barfuß, durch die langen Flure hindurch, aus meiner alten Schule hinaus. Bekleidet nur mit einem Nachthemd.
Na und?
Es ist mir, schlicht und ergreifend, ziemlich egal, wer hier was von mir denkt.
Ich mag mein Nachthemd gerne.

Kommentare

  1. Eine Nacht.
    Nur EINE NACHT lang möchte ich träumen können, so wie Du träumen kannst.
    Es hört sich wunderbar an...

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    1. Findest du?
      So wunderbar ist es nicht immer. Ich kann auch richtig gruselig träumen. Außerdem stelle ich wieder und wieder fest, dass mein Unterbewusstsein eine ganz stumpfe Nuss ist. Die Träume sind äußerst leicht interpretierbar.

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  2. Träume können sehr unterhaltsam sein.

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