Vom Glatzkopf

Wir laufen zu viert durch den Supermarkt. Der Mann hat das große Kind an der Hand, ich trage das kleine Kind auf den Schultern. Wir unterhalten uns, der Mann mit dem großen Kind, ich mit dem kleinen Kind, das Babylaute vor sich hin plappert, wir alle zusammen. Wir sind nicht leise, aber auch nicht übermäßig laut. Ich denke, wir fügen uns unauffällig in das allgemeine Supermarkt-Geschehen ein.  Bei den Backwaren kommt es kurzzeitig zu einer Verstopfung. Es wollen so viele Leute Brot kaufen, dass ich kurz anstehen muss, bevor ich mir das Brot, das ich will, nehmen kann. Ein kleiner glatzköpfiger, dicker Mann hinter mir guckt mich böse an. Er will an mir vorbei. Ich lächle entschuldigend und drücke mich und das kleine Kind platzsparend quasi ins Regal, damit er an uns vorbeikommt.  Nur ein paar Meter weiter kommen der Mann und das große Kind dem glatzköpfigen, dicken Mann ins Gehege. Er muss um sie herumgehen, um seinen Weg fortzusetzen. Das findet er vermutlich blöd, weil der Mann einen

Vom Poly-Gedanken

Ich wollte nie eine offene Beziehung. Einmal, in einem großen Streit, habe ich dem Mann an den Kopf geknallt: "Dann lass uns doch einfach eine offene Beziehung führen!" Ich war ziemlich frustriert in diesem Moment. Wenn ich heute an die Reaktion des Mannes denke, an seinen absolut entgeisterten Gesichtsausdruck, muss ich immer noch kichern. Eine offene Beziehung lag jenseits jeglicher Vorstellung für ihn. Damals war das okay. Keiner von uns wollte je wirklich eine offene Beziehung. Der Mann ist für so ein alternatives Beziehungsmodell deutlich zu konservativ und ich konnte mir niemals vorstellen, meinen Partner zu teilen. Mir war es vielmehr wichtig, die einzige Frau zu sein, genug zu sein, alleine geliebt zu werden, weil ich immer wieder in Beziehungen rutschte, in denen ich mich ungenügend fühlte. Dass sich das ändern könnte, also dass ich über alternative Beziehungsmodelle nachdenken könnte, hätte ich mir niemals vorstellen können.

Aber die Dinge ändern sich. Anfangs habe ich mich selbst nicht ganz ernst genommen. Ich habe H. getroffen und habe mich von ihm, vom ersten Moment an, angezogen gefühlt. Ich dachte, wenn ich jetzt an eine offene Beziehung denke, dann nur, weil ich nach Wegen suche, mich ihm nähern zu "dürfen". Mit der Zeit wurde mir aber immer klarer, dass das so nicht stimmt. Ich will keine offene Beziehung. Es ist eher so, dass ich mich frage, wie es sich anfühlen würde mehrere Beziehungen zu führen. Und das frage ich mich nicht etwa weil ich H. so mag, sondern weil ich das Gefühl habe, dass ich noch so viel mehr zu geben habe. H. war eher der Auslöser dafür, dass ich angefangen habe, darüber ernsthaft nachzudenken. Da ist so viel Liebe in mir, dass es für weit mehr als eine oder zwei Personen reicht. In dem Beziehungsmodell, was ich jetzt lebe, versandet davon so furchtbar viel und ich fühle mich oft auch unfrei in meiner Liebe. Das fühlt sich nicht richtig an.

Andererseits:
So wirklich weiß auch im Moment nicht, was sich richtig anfühlt. Ich spüre, dass meine Gedanken dazu noch nicht ausgereift sind. Es wird noch Zeit brauchen, herauszufinden, was ich will und wie ich Beziehung leben will. Allerdings wird es wohl Zeit, den Mann da allmählich mal mit ins Boot zu holen. Ich bin gespannt, ob mir das in den kommenden Tagen gelingt.

Kommentare

  1. Die Frage ist doch, ob DU heute bereit bist, Deinen Partner zu teilen?!
    Dir mag es gut tun, von 2 Männern begehrt zu werden.
    Aber mal angenommen, Du holst den Mann ins Boot, er findet jemand für eine Zweitbeziehung.
    Wäre das OK für Dich?
    Und wenn ja: Nur solange ihr beide noch eine Zweitbeziehung habt oder auch dann, wenn H. z.B. nicht mehr da und Du wieder "nur mit dem Mann" zusammen bist?!?

    Dann drück ich mal die Daumen, dass das Boot nicht kentert.

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    1. Natürlich habe ich das Thema (und das auch nicht nur ein, zwei Tage) in beide Richtungen gedacht - es wäre ja vollkommen unfair, nur selbst mehr zu wollen ohne dem Partner selbiges zuzugestehen. Ich glaube nicht, dass das ohne weiteres möglich ist und mir ist vollkommen bewusst, dass das (auch von meiner Seite aus) viel Arbeit an der Beziehung bedeuten würde. Aber vielleicht ist es eben auch möglich daran zu wachsen, anstatt das Boot kentern zu lassen. (Vielleicht auch nicht. Aber ich glaube, dass es an der Zeit ist bestimmte Dinge auszusprechen. Wenn die Beziehung daran scheitern sollte, dass ich Dinge ausspreche, dann muss sie scheitern.)

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    2. Du bist gedanklich weiter, als ich aus dem Post herausgelesen hatte.

      Ich ändere daher mal meinen letzten Satz:
      Dann drück ich mal die Daumen, dass sich alles fügt und richtig anfühlt.

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  2. Ich bin gespannt. Viel Glück.

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  3. Da sind viele einzelne Punkte drin, die mit Sorgfalt durchdacht, behandelt und besprochen werden sollten.
    Viele davon sind ganz ganz am Ende des Durchdenkens und Besprechens "entweder-oder"-Entscheidungen, beispielsweise:

    Mein Partner ist für solch ein Beziehungsmodell deutlich zu konservativ und mich teilen will er auch nicht - ist IHM ganz am Ende seiner Entscheidung SEINE Vorstellung von dem, was Glück und Rolle "sein sollten" wichtiger oder MEINE Zufriedenheit und MEIN Glück?"

    "Kann ich unter der Prämisse, dass ICH geteilt werde auch dem Partner dieses geteilt werden ohne inneren Konflikt zugestehen ODER komme ich mit der Vorstellung jetzt schon nicht zurecht?"

    "Wenn es am Ende des Tages heißt 'das funktioniert für mich nur wenn ich der Einzige bin für Dich', entscheide ich mich dann für das, was den ANDEREN glücklich macht ODER entscheide ich mich für das, was MICH glücklich macht?"


    Den Punkt mit "da ist mehr Liebe in mir, das reicht auch für mehr als einen" und "ich möchte mein Lieben auf MEHR Arten teilen dürfen, als es mir mit (m)einem Partner möglich ist", kenne ich gut und habe ich auch schon so empfunden.

    Sei vielleicht etwas besser vorbereitet als ich auf die dann anstehenden Dialoge.
    Viel Glück, Du wirst es brauchen :-*

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  4. Liebes Muschelmädchen, ich hab mir diesen Post mehrmals durchgelesen und auch die bisherigen Kommentare gelesen.
    Für mich persönlich bleiben Deine Gedanken... ambivalent.
    In Deinen Briefen an den Gärtner hast Du beschrieben, dass Du Dich nicht aus Deinem bisherigen Leben lösen kannst. Dass das, was Du Dir aufgebaut hattest, nicht aufgegeben werden kann. Und zu diesem Konstrukt gehört Dein Mann, von dem ich nicht wirklich herauslesen konnte bisher, was Euch beide verbindet (außer den Kindern).
    Ich bin mir da wirklich nicht sicher - denn die wenigen Male, in denen Du etwas "durchblicken" lassen hast, wirktest Du irgendwie.. unausgefüllt. So als seist Du in Deiner Beziehung mit Kind(ein), weil es eben (jetzt) nicht (mehr) anders geht - aber nicht aus erfüllter Liebe.
    H. hat vielleicht für einen Moment diese Lücke schließen können, aber womöglich war auch er eben doch nicht ER?
    Deswegen bist Du nicht gegangen?
    Und jetzt schreibst Du im Kommentar, dass die Beziehung mit Deinem Mann dann eben scheitern muss, nur weil Du aussprichst, was Du fühlst und womöglich sehnst? Also kannst Du Dich ja doch aus Deinem bisherigen Konstrukt lösen?
    Vermutlich ist es wirklich längst an der Zeit, mit dem Mann zu sprechen. Aber ich bin mir wirklich nicht sicher, ob Du selbst eigentlich weißt, was Du wirklich willst. Vielleicht wäre eher die grundsätzliche Frage wichtig, ob Du Dir mit Deinem Mann Dein Leben vorstellen kannst. Es scheint ja grundlegend etwas nicht (mehr) zu passen oder zu stimmen - sonst hätte es H. in der Form nicht gegeben.

    Als ich mich von meinem ersten Mann trennte, war der zweite Satz meines Vaters zu mir: "Und komm mir jetzt bloß nicht von wegen, ich muss mich selbst finden."
    Das habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal so gefühlt oder gedacht - aber genau genommen habe ich genau das in den folgenden Jahren gemacht. Ich wusste gar nicht mehr, wer ich eigentlich war, wie ich bin, was ich mir wünschte und was es brauchte, um mich glücklich zu fühlen.
    Es hat etliche Jahre gebraucht zu verstehen, dass es nicht darum geht, einen oder mehrere Männer zu lieben, weil man selbst so viel in sich trägt, dass es einen anderen Menschen erdrücken müsste.
    Sondern dass alles bei einem selber anfängt. Und dass das Liebe geben auf ganz verschiedene Arten ausgelebt werden kann - nicht nur zwischenmenschlich.

    Insofern... kann man Dir nur Glück wünschen für die Gespräche mit Deinem Mann zu einem Zeitpunkt, an dem Du selber noch nicht weißt, was Du eigentlich willst.

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  5. Liebes Muschelmaedchen,

    Helma hat das meiste, was mir durch den Kopf geht, schon treffend zusammengefasst, ich moechte nur noch was hinzufuegen.

    Ich kenne Dich ja nicht, wuerde Dich aus Deinen Texten und der Situation aber so Anfang, Mitte 40 schaetzen. Erstmal: Wir muessen oder mussten da alle durch. Man hat sich im Leben eingefuchst, soundso ein Standing im Beruf, das mit den Kindern laeuft auch und ploetzlich ist da mal wieder ein bisschen Luft und man kann schauen, was man eigentlich selbst will. Man guckt sich den Partner an und sieht, dass da so viel Leidenschaft, Leichtigkeit und vielleicht auch Liebe verloren gegangen ist... Und dann will man irgendwas aendern, denn es gibt doch noch so viel mehr, man haette so viel mehr zu geben, aber auch zu nehmen, zu entdecken.
    Meine Elterngeneration versuchte noch mit Sexspielzeug etc irgendwie neuen Wind in die eigene Beziehung zu bringen (oerks, wenn man das als Kind mitbekommt), vielleicht verrennt man sich auch in eine neue bescheuerte Beziehung, probiert sich im bdsm aus, sucht am Ende der Welt nach einer vermeintlichen Onlineliebe oder will mit der juengeren Kollegin durchbrennen, evtl hat jetzt der ein oder andere Leser ein leicht schiefes Laecheln im Gesicht.

    Derzeit ist es auch irgendwelchen Gruenden Mode geworden, das Heil in einer offenen Beziehung zu suchen, grad ja auch wieder bei Rain gelesen. Poly und das, was in der eigenen Beziehung fehlt, woanders zu suchen, ist der Trend.
    Nur: So einfach funktioniert das nicht. Man lese sich dazu auch mal die gigabyteweise Threads auf Plattformen wie joyclub durch. Die einzigen gluecklichen Poly-Beziehungen, die ich kenne, sind die, die eher auf Sex und einer gluecklichen und sexerfuellten Grundbeziehung basieren. Dass es eine Konstellation hinbekommt, dass die Grund- und Nebenbeziehungen alle wirklich _Liebe_ beinhalten, habe ich noch nie erlebt. Und vor allem funktioniert das extrem schlecht bzw eher gar nicht als Loesungsweg aus einer eh schon angeschlagenen Beziehung heraus (und Deine liest sich tatsaechlich nicht supergluecklich). Wenn dann geht das eher, wenn alle beteiligten sowieso schon vorher Poly unterwegs waren und sich aus dieser Situation heraus finden.

    Man kann es natuerlich trotzdem versuchen. Und muss sich dann aber auf Einiges einstellen. Das fuer mich Schwierigste war ueberhaupt nicht, meinen Mann zu teilen. Ich habe es ihm immer gegoennt, und am Anfang hat es unserer Beziehung sogar ein bisschen Schwung gegeben.
    Was aber schwer zu ertragen ist, und worauf es unweigerlich hinauslaeuft, wenn die Grundbeziehung im Argen liegt:
    Zu sehen, was man selbst alles _nicht mehr_ bekommt, und sich zu fragen, warum.
    Wenn man zusehen muss, wie der Partner beim texten oder telefonieren mit dem/der anderen auf eine Art laechelt, die Du selbst schon ewig nicht gesehen hast. Wenn Du daneben stehst und mitbekommst, wie er die andere mit zaertlichen Kuessen verabscheidet und Ihr uebers Haar streichelt, waehrend Du selbst, wenn ueberhaupt, nur noch morgens ein hingeschmissenes "tschues"-Kuesschen bekommst. Wenn Du die Partnerin seit langem mal wieder unbeschwert lachen hoerst, wenn sie mit dem anderen textet, was sie mit Dir schon ewig nicht konnte. Wenn er mit der/dem Anderen spazieren geht, waehrend er das mit Dir, auch auf bitten hin, schon lange nicht mehr tut.

    Das nagt uebelst am Selbstwert, und da scheinst Du ja auch eine kleine Baustelle zu haben, daher sollte man diese Kehrseite von Poly, auf die ich ueberhaupt nicht gefasst war, unbedingt bedenken. Auch fuer den anderen Partner mit, wenn der ins Boot geholt werden soll - fuer den ist es sicherlich genau so schwer.

    Ich wuensche Dir und Deinem Mann Glueck auf dem bevorstehenden Weg, und das es irgendwie fuer alle gut auskommt am Ende!

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