Vom Glatzkopf

Wir laufen zu viert durch den Supermarkt. Der Mann hat das große Kind an der Hand, ich trage das kleine Kind auf den Schultern. Wir unterhalten uns, der Mann mit dem großen Kind, ich mit dem kleinen Kind, das Babylaute vor sich hin plappert, wir alle zusammen. Wir sind nicht leise, aber auch nicht übermäßig laut. Ich denke, wir fügen uns unauffällig in das allgemeine Supermarkt-Geschehen ein. 

Bei den Backwaren kommt es kurzzeitig zu einer Verstopfung. Es wollen so viele Leute Brot kaufen, dass ich kurz anstehen muss, bevor ich mir das Brot, das ich will, nehmen kann. Ein kleiner glatzköpfiger, dicker Mann hinter mir guckt mich böse an. Er will an mir vorbei. Ich lächle entschuldigend und drücke mich und das kleine Kind platzsparend quasi ins Regal, damit er an uns vorbeikommt. 

Nur ein paar Meter weiter kommen der Mann und das große Kind dem glatzköpfigen, dicken Mann ins Gehege. Er muss um sie herumgehen, um seinen Weg fortzusetzen. Das findet er vermutlich blöd, weil der Mann einen Einkaufswagen für Erwachsene und das Kind einen kleinen bunten Einkaufswagen für Kinder schiebt, sodass er eben einen kleinen Umweg um die beiden herum gehen muss. Als er sieht, dass der Mann und das große Kind zu mir gehören, faucht er laut und sehr unfreundlich: "Kinder, ihr benehmt euch ja, als ob euch der Supermarkt gehört!" Das große Kind und der Mann starren den Glatzkopf irritiert an. Der Mann ist zu perplex um zu reagieren.

Ein paar Sekunden später dreht sich mein großer Sohn, der gerade fünf Jahre alt geworden ist, zum Mann um und sagt mit großen Augen und lauter Stimme: "Papa, du musst dem Mann sagen, dass du und Mama gar keine Kinder seid! Nur das kleine Kind und ich sind Kinder." Dann fragt er laut: "Warum ist der Mann so böse?" Der Mann lächelte das große Kind liebevoll an. "Manchmal sind Menschen einfach unzufrieden mit sich selbst. Dann können sie sich selbst nicht gut aushalten und sind unfreundlich.", erklärt er, "Wir ignorieren das einfach und bleiben freundlich." Mein Sohn legt den Kopf schräg, denkt einen Moment nach und nickt dann voller Ernsthaftigkeit. 

Neben uns kichert eine Kassiererin. "Du hast einen sehr klugen Papa, Junge.", sagt sie freundlich. Und auch ich bewundere den Mann in diesem Moment sehr. Mir tut unsere recht kinderunfreundliche Gesellschaft oft weh. So ist mir mehr danach den Glatzkopf verbal kleinzuhäckseln als ihn mit Nachsicht zu betrachten. 

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