Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von anderen Tagebuchsachen

Heute muss ich daran denken, dass sie mir mal gesagt hat, dass sie vorhat, sich das Leben zu nehmen und der Gedanke daran lässt mich nicht los. Ich fand das damals einfach nur furchtbar. Mit diesem Wissen ging es mir ziemlich lange sehr schlecht. Mittlerweile verstehe ich, dass sie mich darauf vorbereiten wollte. Aber in Ordnung ist es trotzdem nicht. Sie hat mir damit mehr zugemutet, als man jemandem zumutet.

Aber sie wusste auch nicht, oder: es war ihr zumindest nicht bewusst, wie sehr das Thema Suizid in meinem Leben verankert ist. Wie tiefgehend es Reizthema ist.
Als ich 11 Jahre alt war, hat Frank sich an der Garderobe erhangen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass meine Eltern mit mir am Küchentisch saßen und versuchten, mir zu erklären, warum ein Mensch so etwas macht. Ich habe es nicht verstanden. Mein Leben war toll. Es bestand daraus, Fahrrad zu fahren, Schätze zu suchen, mit Freunden auf geheime Missionen zu gehen und auf gutes Wetter, zum draußen spielen, zu hoffen.
Der Suizidversuch von Ephraim, viele Jahre später, den ich mehr geliebt habe als jeden anderen Mann, traf mich um ein vielfaches tiefer. Ich habe mich jahrelang schuldig gefühlt. Irgendwie dreckig. Weil ich ihn anders hätte behandeln müssen, mehr für ihn hätte da sein müssen, ich hätte es kommen sehen sollen. Das wäre meine Aufgabe gewesen. Und ich habe total versagt. Ich war schuld. Und diese Schuld klebt immer noch an mir. Wird es immer tun. Es gibt keinen Ablass.
Den ganzen Ehrenamtsscheiß in den Jahren danach habe ich nicht gemacht, weil ich ein gutes Herz habe, sondern weil ich versucht habe, mich von meiner Schuld freizukaufen. Es hat nur nie geklappt.
Mittlerweile sind viele Jahre vergangen. Ich kann mich heute klarer positionieren als damals. Bin selbstbewusster. Aber - tatsächlich! - auch egoistischer:
Der letzte Freund, der mich mit Selbstmordgedanken konfrontiert hat, dem habe ich Hilfe angeboten. Er hat sie ausgeschlagen. Ich habe geweint und gebettelt. Und gedroht. Damit den sozialpaychatrischen Dienst einzuschalten. Geholfen hat nichts davon.
Derjenige lebt noch. Es war einer meiner ältesten Freunde. Aber ich habe den Kontakt rigoros abgebrochen. Und mir geschworen, dass ich mit so einer Scheiße nie wieder etwas zu tun haben will. Stattdessen wollte ich mich künftig vor solchen Menschen schützen.
Nur gelingt das nicht immer.

Denn wie schützt man sich vor der eigenen Mutter? Das ist wohl nicht möglich. Blut ist schließlich dicker als Wasser. Und ich habe sie lieb. Ich kann sie nicht einfach aus meinem Leben rausweißeln.
Ihre Worte habe ich noch im Ohr:
"Keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass du mich nicht findest. Das wird dein Vater tun."
Ob mir dieser Gedanke wirklich hilft, weiß ich nicht. Ich glaube nicht.
Ich denke, das Leben ist eine Herausforderung. Und es geht darum, es zu bestehen, mit gottgegebenen (oder zufallsgegebenen) Mitteln. Vielleicht ist das die Aufgabe, die wir auf diesem lustigen Planeten haben.

Kommentare

  1. Das ist für mich die Kernaussage überhaupt und die schwierigste Aufgabe im Leben:
    Darauf zu achten, dass man "mit so einer Scheiße" nie wieder etwas zu tun hat.
    Also, auf sich achtzugeben und sich bewusst fern zu halten von denen und den Dingen, die Einem nicht gut tun.

    Und ich stimme Dir absolut zu, das ganze Leben ist eine Herausforderung, mit dem, was uns begegnet, umzugehen, es zu meistern, wie eine Super-G-Talfahrt dabei wenigstens jene Fahnenstangen umfahrend, die wirklich schwer weh tun.

    Zwar kann ich nicht verhindern, was andere tun (und mir damit antun),
    aber ich kann versuchen zu verhindern, dass dies einen zu tiefen
    Einfluss auf mich nimmt.
    Offen gesagt, hab ich mir all das etwas leichter vorgestellt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja. Wer hat sich das nicht leichter vorgestellt?
      Das geht mir genauso.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis