Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von der Sehnsucht nach dem Mehr



„Wind in my hair I feel part of everywhere
Underneath my being is a road that disappeared
Late at night I hear the trees they're singing with the dead
Overhead”

(Eddie Vedder – Guaranteed)

Ich sehne mich nach dem Meer. Am liebsten würde ich alles stehen und liegen lassen, nach meinem Schlafsack greifen und mich einfach ins Auto setzen, nur dem spontanen Fernweh folgend. Unterwegs würde ich mich dreimal blitzen lassen, weil ich es wieder nicht abwarten würde können, endlich anzukommen, aber irgendwann wäre es dann soweit:

Aufgeregt würde ich mir die Schuhe von den Füßen streifen, den feinen Sand unter den Fußsohlen spüren, den rauen Wind auf meiner Haut und in meinen Haaren genießen und leichte, salzige Meeresluft atmen. Wie immer würde ich einen kurzen Moment innehalten, den Kopf in den Nacken legen und den Möwen lauschen. Ich könnte fühlen, wie die Stille Einzug in mich hält.

Irgendwann aber würde ich mich losreißen. Ich würde die letzte Düne hinauflaufen und mich dem großen Staunen, das mich jedes Mal beim ersten Anblick des Meeres überfällt, hingeben: Dem Blick bis zum Horizont, den Wellen und dem Meeresrauschen. Nur ein paar Schritte würde ich gehen, bis ich mich in den weichen Sand fallen ließe, Arme und Beine entspannt von mir gestreckt, frei.

Minute um Minute würde ich dort sitzen und Stunde um Stunde. Bei Regen, Sonnenschein und Gewitter. Ich würde mir Zeit nehmen, mein Gedankenchaos zu ordnen und mich selbst zu fühlen. Vielleicht würde ich irgendwann, wenn ich genug von mir hätte, mein rotes Koffergrammophon öffnen, eine alte Schellackplatte auflegen und ein Glas Wein auf mich oder mein Leben trinken. Ich wäre zufrieden in diesem Moment. Und ich wüsste, dass ich nur lange genug dort sitzen müsste, um eine dieser Begegnungen zu erleben, wie man sie nur am Meer macht: 
Irgendwann würde sich jemand zu mir setzen und mir von seinem Leben erzählen. Und da ich glaube, dass es keine Begegnungen gibt, die umsonst sind, würde ich demjenigen etwas von mir geben und selbst ein kleines Stück dieses Menschen mitnehmen. Mich ab und an erinnernd, würde ich hegen und pflegen, was mir gegeben worden wäre.

Ich habe Sehnsucht. Mir fehlt das Meer. Mir fehlen Impulse. Menschen. Schicksale. Meinungen. Ich fehle mir selbst. Das Leben fehlt mir heute Abend. Ein wenig. Ich stelle eine Kerze in mein Fenster. Hoffend auf mehr.

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