Vom Winter
"Das habe ich nie vergessen: Dass man liebt, um die Kälte zu vergessen und den Winter zu vertreiben."
(Andreas Steinhöfel: Die Mitte der Welt)
Es war ein langer, dunkler Winter. Voller verstörender Diagnosen, Corona, Krieg und anderer Absurditäten. Wie dunkel er tatsächlich war, fällt mir erst langsam auf, weil ich allmählich das Gefühl habe, dass es mir besser geht. Was irgendwie lustig ist. Weil es mir immer noch nicht gut geht. Obwohl ich mir das oft glauben mache und überzeugt davon bin, während ich mich im Alltag verliere. Manchmal glaube ich, dass ich die Tiefe des Lochs, in dem ich feststecke, erst erkenne, wenn ich es hinter mir gelassen habe...
Dabei versuche ich mich an den guten Dingen festzuhalten:
Meine Liebsten und ich sind gesund oder gerade dabei, den bösartigen Tumor loszuwerden. Ich wohne traumhaft schön. Der neue Job ist durchaus fordernd, aber noch nicht überlastend. Und es gibt keine Rufbereitschaft mehr. Finanziell laufe ich am Limit, komme aber zurecht. Neue Klamotten oder Dinge für mich sind nicht wirklich drin, aber es hat zumindest gereicht, um ein paar Hände voll Powerbanks zu kaufen, um sie in die Ukraine zu spenden. Solange ich das kann, ist sicherlich alles in Ordnung. Zudem hatte ich noch kein Corona. Ich habe einen Arbeitsplatz mit Gleitzeit (Oh Himmel, das ist so großartig!), neue nette Kollegen und lerne im neuen Job viel über mich selbst. Unter anderem, dass ich offenbar außergewöhnlich direkt kommuniziere. Und es mir schwerfällt, verklausulierter zu sprechen. Seit vier Wochen ernähre ich mich außerdem deutlich gemüselastiger. Im Moment gesellt sich, von alleine, Intervallfasten hinzu, weil mir morgens einfach der Hunger fehlt. In 4 Wochen habe ich 3,5 Kilo abgenommen. Ich habe in den letzten Monaten unfassbar viel gezeichnet und mich weiterentwickelt. Ich habe endlich gefunden, was mich wirklich erfüllt: Pastellkreide in jeglicher Form. Das Zeichnen läuft sogar so gut, dass ich regelmäßig angesprochen werde, ob ich nicht bitte anfangen könnte zu tätowieren... (Das ist unfassbar. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand meine Kunst mag, weil ich immer nur Fehler sehe.)
Das alles sind gute Dinge. Und wenn ich das so aufliste, dann weiß ich gar nicht, warum ich mich so ausgehöhlt fühle. Meine Mama sagt, dass liegt daran, daß wir von einer Krise in die nächste rutschen. Aber ich bin mir da gar nicht so sicher. Ich denke manchmal, dass es sich so vielleicht anfühlt, erwachsen zu werden. Und ich weiß schon, warum ich das nie wollte.
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Das klingt doch recht gut.
AntwortenLöschenErwachsen werden ist auch keine Lösung, aber vielleicht muss das irgendwann sein. Ach quatsch, muss es nicht, denn wer will sich schon ausgehöhlt fühlen? Aber ich vermute, dass ich Dich verstehe. ��
Ich kenne dieses Loch zu gut. Ich nenne es das Alltagsloch! Und diese ewig währende Routine zu durchbrechen, um bewusst Zeit zum Atmen zu finden, ist schwer. Man fühlt sich sofort egoistisch und dann gewinnt der bittere Beigeschmack die Oberhand...
AntwortenLöschenWas die Welt da draußen betrifft, so schaue ich nur noch 1x täglich Nachrichten, mehr davon und das Leben wird zu grau...
Insgesamt liest sich dein Eintrag gerade mehr so: im Grunde ist alles gut, aber irgendwas fehlt. Kannst du das Irgendwas vielleicht doch greifen, traust dich aber vielleicht nicht!? Ich kenne mein Irgendwas und mir fehlt der Mut dazu... Glaube ich...
Lass dich drücken ♥️