Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Kern

"Und was ist Ihre Diagnose?“
Die Frau guckt ein wenig irritiert. Vermutlich weil ihr sehr bewusst ist, dass sie mit ihrer dünnen, eng anliegenden Mütze aussieht wie eine Krebspatientin.
"Brustkrebs.", antwortet sie nach kurzen Zögern und nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.
"Sie wollten mir die Brust abnehmen. Aber das habe ich abgelehnt. Meine Brust ist doch ein Teil von mir. Gehört zu mir. Ich will mich weiblich fühlen. Die große Chemorunde habe ich schon hinter mir. Jetzt werde ich bestrahlt."
Sie zuckt mit den Achseln.
"Mal schauen, was passiert. Was da noch kommt."
Dann benutzt sie erstaunlicherweise die Worte, die mir auch so oft über die Lippen schlüpfen.
"Am Ende kommt es ja eh so wie es kommen soll."
Ich nicke. Für wenige Minuten versinken wir in einvernehmlichem Schweigen. Irgendwann schnippst sie ihren übriggebliebenenen Kippenstummel vor uns auf den Bürgersteig. Bereits im Gehen, bleibt sie doch noch einmal stehen und dreht sich zu mir herum.
"Es ist der Humor, wissen Sie?", fragt sie.
Ich starre sie verständnislos an.
Sie lächelt.
"Es ist wichtig, dass man sich den Humor bewahrt, ganz egal was passiert. Das ist es, was einem am Leben hält."

Kommentare

  1. Ich würde jetzt gerne sofort auf "gefällt mir" klicken! Speziell für den letzten Satz! Irgendwann wirds immer schwieriger, an genau Das zu denken...

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