Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

PS: Du wirst geliebt

Mein liebes, süßes Kind,

ich wünsche dir alles Liebe zu deinem ersten Geburtstag. Leider durften wir uns nicht kennenlernen, weil dein kleines Herz viel zu früh aufgehört hat zu schlagen. Aber dennoch trage ich dich tief in meinem Herzen und werde es immer tun. Du hast in mir ein Zuhause und ich liebe dich. In allen Momenten meines Lebens.

So gerne hätte ich dir das Leben geschenkt. Du kamst zwar überraschend, aber ich habe mich darauf gefreut, dich mit Liebe zu überschütten, dir unsere Welt zu zeigen, dich die vielen Wunder entdecken zu lassen, dich Vertrauen zu den Menschen zu lehren und zu einem guten Menschen zu erziehen. Ich wollte dich in meinem Leben. Mit absolut jeder Faser. Und du wärest mehr als nur willkommen gewesen.

Ich habe mir so oft vorgestellt, wie wir miteinander kuscheln und ich dir mit leiser Stimme Märchen erzähle. Die Liebe zur Sprache wollte ich dir beibringen. Deine Fantasie fordern. Vor meinem inneren Auge habe ich uns im warmen Sommerregen durch die Pfützen springen sehen. In bunten Gummistiefeln wären wir Laubrascheln gegangen und durch die Flut an bunten Blättern getanzt. Ich hätte uns mit heißem Kakao und Schokolade versorgt, wäre im Winter mit dir Schlitten gefahren und hätte dir gezeigt, wie man Schneeengel zaubert und Schneeflocken mit der Zunge fängt. Im Frühjahr hätten wir ein Meer aus Feldblumen gepflanzt. Ich wollte dir eine kleine rote Gießkanne und ein buntes Schäufelchen kaufen. Damit wären wir durch den Garten getobt. Du, lachend, auf deinen kleinen, süßtapsigen Kinderbeinen, ich, in großen Schritten, hinter dir her hechtend. Auf der blauen Schaukel im Garten hätten wir geschaukelt, hoch, höher, am höchsten, bis in den Himmel hinauf.

Ich wollte dich lehren, das Menschen gut sind. Das Fabriken Wolken herstellen. Mit dir Baumhäuser und Höhlen bauen, Sterne beobachten, Wolkenfigurenraten, Kissenschlachten veranstalten, Eisessen gehen, Kirschkernweitspucken, Grimassenschneiden, albern sein. Meine Anschauungen wollte ich dir erklären, dich deine Meinungen aber selbst finden lassen, dir jedoch Sanftmut, Geduld und Nachsicht mit auf den Weg geben.
Ich hatte viele Träume. Habe dich geliebt, Pläne geschmiedet, von dir geträumt noch bevor ich von deiner Existenz wusste.

Es heißt, dass das Leben weitergeht. Auch nach einem so großen Verlust wie du mir einer bist. Und sicherlich haben die Leute recht. Die Erde dreht sich noch immer. Alles geht seinen Gang. Und doch bleibt für mich manchmal, ganz unbemerkt und in aller Stille, die Zeit stehen. Dann denke ich an dich und einer feiner Schmerz durchzieht mein Herz in einer Schärfe, die mir den Atem nimmt. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr, dass es mir die Tränen in die Augen treibt, wenn ich an dich denke.

Wenn du heute hier wärst, hätte ich dir einen Geburtstagskuchen gebacken. Mit einer fantastischen, kunterbunten Geburtstagskerze. Ich hätte dir gezeigt, wie man eine Kerze auspustet. Meine Geschenke wären sorgfältig und mit Liebe ausgesucht gewesen. Es hätte dir Spaß gemacht, sie zu öffnen und ich bin mir sicher, dass mich die Freude in deinen Augen glücklich gemacht hätte. Wir hätten Kuchen gegessen, wären vielleicht in den Zoo gegangen und hätten einen wunderschönen Tag miteinander verbracht. Am Abend hätte ich dich fest in meine Arme genommen, dir eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt und dir meine Liebe sanft in die Haut gestreichelt. Wieder und wieder und wieder.

Aber all das kann ich nicht tun, weil du nicht da bist. Und das ist furchtbar.
Deshalb, mein liebes Kind, lass mich dir sagen und sei es nur in Gedanken:

Du wirst geliebt.
Ich liebe dich.
Und ich wünsche mir mehr als andere auf dieser Welt, dass du das spüren kannst, wo auch immer du sein magst. Ich liebe dich bis zum Mond und zurück und noch viel weiter.
Bis wir uns wiedersehen.
Und sei gewiss, wir sehen uns wieder.
Irgendwann.

In Liebe,


Mama

Kommentare

  1. Ach Muschelmädchen ... Jetzt habe ich Pipi in den Augen. Eine solch schöne Liebeserklärung habe ich noch niemals zuvor gelesen! Fühl Dich gedrückt!

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    1. ...

      Ich habe diese Zeilen mit einem lächelnde und einem weinenden Auge geschrieben. Und mit ganz viel Liebe. Wenn man das spüren kann, dann habe ich die richtigen Worte gefunden.

      Fühl dich zurück umarmt. :-)

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  2. Wie schön und traurig zugleich.

    Die richtigen Worte sind immer die, die Du als die Richtigen empfindest.
    Denn sie kommen aus Deinem Herzen.
    Sie beschreiben Deine Gefühle und Deine Gedanken.

    Fühl Dich umärmelt, wenn Du magst.

    Heiko

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  3. Auch ich bin hellauf begeistert von deiner Liebeserklärung! Und glaube mir eins, du wirst eine spitzen-Mami werden, mit all den wundervollen Vorhaben, die du beschreibst, kann sich das Kind glücklich schätzen. Und das hier geliebte Baby weiß das auch!! Sei dir denn bewusst!!
    Du bist ein toller Mensch! ❤️

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