Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Angeln



„Du hast kein klares Ziel,
aber Millionen Möglichkeiten.
Ein gutes Gefühl,
und du weißt, es wird gut für dich ausgehen.
Der Himmel ist blau...“

(Die Ärzte – Himmelblau)

Asa sitzt neben mir und hat das Gesicht in seine Hände gelegt. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass er immer wieder den Kopf schüttelt. Ich schmunzle in mich hinein, schweige aber. Irgendwann höre ich ein gequältes: „Uuuuuuuaaaaaaaa!“ und ein kleines Glucksen verlässt meinen Mund, weil ich so sehr versuche, mir das Lachen zu verkneifen. Asa schaut auf und starrt mich an:
„Muschelmädchen? Weißt du, das ist doch echt…“. Er sucht nach Worten. Dann schüttelt er wieder den Kopf, stützt ihn in die Hände und starrt auf den See hinaus.
„Pffff!“, ruft er irgendwann laut und schaut mich an, als wäre ich verrückt geworden und er könne sich nicht entscheiden, ob er lachen oder weinen soll. 

„Ich meine, Muschelmädchen, du hast gar keine Ahnung vom Angeln!“, stellt er fest, „Du kennst keine Fachbegriffe und auch deine Technik ist nicht besonders gut. Du weigerst dich, die Fische, die du fängst, zu töten und gibst ihnen stattdessen N-a-m-e-n!“. Mittlerweile klingt er einigermaßen entrüstet.
Ich muss trotzdem kichern: „ Magst du die Namen nicht? Heini und Egon und Harald und Matthias? Das sind doch super Fisch-Namen?“
Asa schaut mich völlig fassungslos an.
„Ich verstehe es einfach nicht.“, sagt er, „Wie machst du das?“. Er zeigt auf den See. „Du sitzt eine Stunde an diesem Teich und ziehst fünf Fische aus dem See. Alle anderen fangen seit Stunden gar nichts! Und du? Du ziehst zusätzlich, so ganz nebenbei, auch noch die größte Forelle, die ich je gesehen habe, aus dem Teich.“. Er schweigt kurz. Dann setzt er nach:
„Scheiße, Muschelmädchen! Weißt du, dass ich schon mein ganzes Leben lang darauf warte, so einen Fisch zu fangen?!“. Er schüttelt wieder den Kopf. Völlig resigniert fügt er an:
„Und dann nennst du ihn auch noch Heini!“.
Ich lächle.
„Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass der Name perfekt ist.“. Dann stelle ich fest: „Und jetzt höre ich auf zu angeln.“
„Warum?“, fragt Asa.
„Na, weil ich genug Fische habe. Fünf Stück reichen doch vollkommen? Viel mehr kann ich eh nicht essen… Außerdem muss ich doch nicht unnötig Fische fangen. Irgendwie tun die mir leid…“
Asa guckt schon wieder komisch.
„Erzähl das mal den anderen Anglern! Vielleicht solltest du es anders sehen: Wenn du die Fische fängst, Muschelmädchen, dann müssen sie im Winter nicht so sehr frieren!“.

Ich lege die Stirn in Falten und muss ein bisschen lachen, während ich mir die frierenden Fische vorstelle. Als ich etwas erwidern will, sehe ich, dass eine Made auf Asas Jacke rumkraucht. Ich mag Maden nicht. Ich habe keine Angst vor Spinnen oder Schlangen, aber Maden sind mir richtig, richtig unheimlich. Das geht auf ein Erlebnis aus Kindheitstagen zurück. Allerdings habe ich heute – zum ersten Mal – weniger Berührungsängste. Keine Ahnung, woran das liegt. Ich deute auf Asas Jacke:
„An dir hängt ein Köder, Asa…“. Asa nimmt die Made in die Hand. Ich grinse:
„Na, komm, jetzt ist sie schon aus der Schachtel entkommen! Ich finde, für so viel Überlebenswillen kannst du sie ruhig frei lassen!“.
„Und ich dachte, für so viel Überlebenswillen kommt sie jetzt erst einmal an den Angelhaken!“, erwidert er. Ich ziehe einen Flunsch. Asa seufzt:
„Na gut!“, sagt er, „Aber ich glaube nicht, dass sie hier draußen überleben wird.“. Dann fügt er hinzu: „Soll ich ihr vielleicht auch noch ein halbes Brötchen abgeben, um ihr das Einleben in der freien Natur zu erleichtern?!“. Ich ignoriere seinen ironischen Unterton.
„Du bist ein Schatz, Asa!!!“, rufe ich fröhlich und greife demonstrativ nach der Tüte mit den Brötchen.
Dieser beginnt erneut damit, fassungslos den Kopf zu schütteln. Mit mir zu angeln ist, glaube ich, ganz schön anstrengend…

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