Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Unglücklichsein

Ich muss an meine Kollegin denken. Vor ein paar Wochen kam sie krank zur Arbeit. Nachdem wir einen halben Tag zusammen in unserem kleinen Büro gesessen hatten, sagte sie ganz unglücklich:
"Ich glaube, ich habe Corona. Aber ich darf kein Corona haben. Wenn ich jetzt Corona habe, kann ich nicht in den Urlaub fliegen. Dann kann ich nie wieder glücklich sein."
Ich musste etwas lachen, weil ich sie zunächst gar nicht ernst nahm. In dem Wissen um ihre Weihnachtsverliebtheit erwiderte ich scherzhaft:
"Doch, doch. Spätestens zu Weihnachten wirst du wieder glücklich sein!"
Doch sie schüttelte nur den Kopf.
"Nicht einmal dann.", antwortete sie ernst.

Ihre Worte sind mir sehr nachgegangen und zunächst einmal konnte ich gar nicht verstehen, warum dem so ist. Eine Zeitlang überlegte ich, ob ich neidisch sein könnte. Auf die Fähigkeit, ein nicht Antreten des Urlaubs als einen so großen Verlust zu empfinden. Aber das war es nicht.
Mittlerweile weiß ich, dass es mich schlicht fasziniert hat, dass ein Mensch sich von etwas, was ich selbst als derartige Banalität empfinde, so verstören lassen kann. Wie geradlinig, sorgenfrei und glücklich muss ein Leben verlaufen sein, um so emotional auf eine Urlaubsstornierung zu reagieren?

Ich will das nicht verurteilen, überhaupt nicht. Jeder Mensch definiert sein Unglück selbst. Wenn ich auf mein eigenes Leben zurückschaue, dann sehe ich, wenn ich mich auf die negativen Erlebnisse entsinne, Übergriffigkeiten, Missbrauch, schulisches Sitzenbleiben, Selbstverletzung, Krankheit, Tod und den Verlust eines Kindes, dessen Herz einfach aufgehört hat zu schlagen. All diese Dinge sind nur ein kleiner Ausschnitt meines Lebens und Teil meines persönlichen Unglücks.

Während ich über die Worte meiner Kollegin nachdenke, wird mir bewusst, dass ich mein Leben trotzdem nicht tauschen wollen würde. Mein Unglück hat mich geformt. Ich mag den Menschen zu dem ich geworden bin, mit seinen Ecken, Kanten und körperlichen Rundungen und glaube, dass ich gut so bin, wie ich bin. Mein Leben hat mich zu einer starken, widerstandsfähigen Persönlichkeit reifen lassen. Das Beste daran ist, dass mir in jedem Moment meines Lebens bewusst ist, wie gut es mir geht. Selbst dann, wenn ich, wie zurzeit, emotional brachliege und ich mich vollkommen kraftlos fühle. Das wird schon wieder. Es geht ja immer irgendwie weiter.




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