Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von Tagebuchsachen

Heute hat meine Oma versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie ist 95 Jahre alt und Ende des letzten Jahres auf eigenen Wunsch in ein Seniorenstift gezogen. Und dann kam Corona. Meine Oma war schon vor Corona sozial isoliert, weil sie kaum noch hören und sehen kann. Aber die zusätzlichen Kontaktbeschränkungen durch das Virus haben ihr sehr zugesetzt.
Den Anruf, dass sie sich im Krankenhaus befindet, habe ich vor vier Stunden bekommen.
Zuerst war ich erschrocken. Dann voller Mitgefühl. Ziemlich schnell kamen auch Schuldgefühle dazu, trotz regelmäßiger Telefonate und Briefe. Aber irgendwann hat eine Taubheit eingesetzt. Sie zieht sich durch alle meine Glieder, lässt einzig an meinen Rändern einen scharfen, wenngleich gedämpften Schmerz zu. Die Haut tut mir weh. Früher hätte ich in Momenten wie diesem für einen Ausgleichsschmerz gesorgt. Durch das zarte Streicheln einer Rasierklinge. Heute habe ich zuallererst das Bedürfnis, mich selbst fest in den Arm zu nehmen. Nur geht das eben nicht.
Was ich (mittlerweile) ganz klar durch den Wust an Gefühlen und Rückblenden, der sich gerade durch mich hindurchtobt, fühle, ist erstaunlicherweise Selbstmitleid. Ich gebe es nicht gerne zu, weil ich eigentlich ein sehr pragmatischer Mensch bin, den andauerndes Selbstmitleid nervt. Aber jetzt gerade tue ich mir irgendwie selbst leid. Dieser ganze Suizidmist ist einfach mein Endgegner. Er ist das, was mir in meinem Leben wieder und wieder und wieder begegnet und er ist das, was mir am allermeisten wehtut.
Und der Satz, der am Ende von allen Gefühlen in mir übrig bleibt, ist ganz bestimmt nicht wahr. Glaube ich. Aber trotzdem ist er da. In mir. Groß und überdeutlich und irgendwie nicht zu ignorieren.
Alle, die ich liebe, gehen.
Und ich habe es satt, zurückzubleiben.

Kommentare

  1. Liebes Muschelmädchen,
    ich kann dich sehr gut verstehen. Bei mir ist es zwar noch nicht mehrfach passiert, aber meine Freundin hat sich vor zwei Jahren das Leben genommen.
    Auch wenn ich sie bis zum Schluss begleiten konnte, macht es das Abschiednehmen trotzdem nicht leichter.
    Liebe Grüße
    Norbert

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  2. Ach Muschelmädchen,
    das tut mir so leid. Gerne würde ich Dir helfen, weiß aber nicht, wie. Ich kann Dich lediglich virtuell in den Arm nehmen und fest drücken. Und sei Dir gewiss: "Schuld" bist Du an gar nichts! Und ein bisschen Selbstmitleid ist doch durchaus legitim ...
    Ganz liebe Grüße aus dem Wilden Südwesten, pass auf Dich auf!

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  3. Da Du selbst schreibst, dass der Satz nicht wahr ist, argumentiere ich gar nicht dagegen an, sondern lenke Dich nur mit dieser Aufgabe ab:
    Zähle all die auf, die Du liebst.

    Du wirst nicht zurückbleiben.

    M.

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  4. Hallo Muschelmädchen,
    es wäre sehr schön, mal wieder ein "Lebenszeichen" von Dir zu bekommen ...
    E-Mail hatte ich auch geschrieben, vor Wochen, liegt aber wahrscheinlich wieder in Deinem Spam-Ordner.
    Ganz liebe Grüße!

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    1. Hallo lieber Horseman ich habe dir auch schon vor Wochen geantwortet. :-)

      Liebste Grüße zurück.

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