Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von Tagebuchsachen

Heute hat meine Oma versucht, sich das Leben zu nehmen. Sie ist 95 Jahre alt und Ende des letzten Jahres auf eigenen Wunsch in ein Seniorenstift gezogen. Und dann kam Corona. Meine Oma war schon vor Corona sozial isoliert, weil sie kaum noch hören und sehen kann. Aber die zusätzlichen Kontaktbeschränkungen durch das Virus haben ihr sehr zugesetzt.
Den Anruf, dass sie sich im Krankenhaus befindet, habe ich vor vier Stunden bekommen.
Zuerst war ich erschrocken. Dann voller Mitgefühl. Ziemlich schnell kamen auch Schuldgefühle dazu, trotz regelmäßiger Telefonate und Briefe. Aber irgendwann hat eine Taubheit eingesetzt. Sie zieht sich durch alle meine Glieder, lässt einzig an meinen Rändern einen scharfen, wenngleich gedämpften Schmerz zu. Die Haut tut mir weh. Früher hätte ich in Momenten wie diesem für einen Ausgleichsschmerz gesorgt. Durch das zarte Streicheln einer Rasierklinge. Heute habe ich zuallererst das Bedürfnis, mich selbst fest in den Arm zu nehmen. Nur geht das eben nicht.
Was ich (mittlerweile) ganz klar durch den Wust an Gefühlen und Rückblenden, der sich gerade durch mich hindurchtobt, fühle, ist erstaunlicherweise Selbstmitleid. Ich gebe es nicht gerne zu, weil ich eigentlich ein sehr pragmatischer Mensch bin, den andauerndes Selbstmitleid nervt. Aber jetzt gerade tue ich mir irgendwie selbst leid. Dieser ganze Suizidmist ist einfach mein Endgegner. Er ist das, was mir in meinem Leben wieder und wieder und wieder begegnet und er ist das, was mir am allermeisten wehtut.
Und der Satz, der am Ende von allen Gefühlen in mir übrig bleibt, ist ganz bestimmt nicht wahr. Glaube ich. Aber trotzdem ist er da. In mir. Groß und überdeutlich und irgendwie nicht zu ignorieren.
Alle, die ich liebe, gehen.
Und ich habe es satt, zurückzubleiben.

Kommentare

  1. Liebes Muschelmädchen,
    ich kann dich sehr gut verstehen. Bei mir ist es zwar noch nicht mehrfach passiert, aber meine Freundin hat sich vor zwei Jahren das Leben genommen.
    Auch wenn ich sie bis zum Schluss begleiten konnte, macht es das Abschiednehmen trotzdem nicht leichter.
    Liebe Grüße
    Norbert

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  2. Ach Muschelmädchen,
    das tut mir so leid. Gerne würde ich Dir helfen, weiß aber nicht, wie. Ich kann Dich lediglich virtuell in den Arm nehmen und fest drücken. Und sei Dir gewiss: "Schuld" bist Du an gar nichts! Und ein bisschen Selbstmitleid ist doch durchaus legitim ...
    Ganz liebe Grüße aus dem Wilden Südwesten, pass auf Dich auf!

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  3. Da Du selbst schreibst, dass der Satz nicht wahr ist, argumentiere ich gar nicht dagegen an, sondern lenke Dich nur mit dieser Aufgabe ab:
    Zähle all die auf, die Du liebst.

    Du wirst nicht zurückbleiben.

    M.

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  4. Hallo Muschelmädchen,
    es wäre sehr schön, mal wieder ein "Lebenszeichen" von Dir zu bekommen ...
    E-Mail hatte ich auch geschrieben, vor Wochen, liegt aber wahrscheinlich wieder in Deinem Spam-Ordner.
    Ganz liebe Grüße!

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    1. Hallo lieber Horseman ich habe dir auch schon vor Wochen geantwortet. :-)

      Liebste Grüße zurück.

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