Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von gebrochenen Versprechen

"Du kannst schon mit anderen Frauen schlafen, wenn du das willst und brauchst, aber lass es mich halt nicht merken. Wenn ich es merke, wird es mich verletzen und ich werde mich zurückziehen."
"Okay. Ich verspreche es dir. Du wirst es nicht merken."
An dieses Gespräch, das am Telefon stattgefunden hat, kann ich mich noch erinnern.
Der Mann mit dem ich es geführt habe, wahrscheinlich eher nicht. Denn wenn er es könnte, würde sein Verhalten implizieren, dass er mich verletzen wollte. Und noch versuche ich, ihm gute Absichten zu unterstellen.

*.*

Offenbar ist es weit mit mir gekommen, denn ich spioniere einem Mann hinterher. Ich bin mir sehr sicher, dass er heute seine Geliebte zu sich nach Hause eingeladen hat. Hinter einem Klischee-Baum versteckt, observiere ich das Grundstück. Im Garten wurde eine Art offener Pavillon aufgebaut. Er besteht aus warmen, fließenden Stoffen in allen möglichen Rot- und Orangetönen. Die Stoffe flattern zart im Wind. Es ist ein warmer Sommertag. Wie gemacht für Zärtlichkeiten im Freien.
Ich kann nicht genug sehen hinter meinem Baum. Will näher an den Pavillon heran, die Kleinigkeiten in Augenschein nehmen. Und weil ich den Mann noch nicht sehe, folge ich einem spontanen Impuls, öffne die Gartentür und flitze in Richtung des Pavillons. Schon beim Laufen wird mir klar, dass das nicht die beste Idee war. Denn nun kann ich mir zwar die Einrichtung des Pavillons besser ansehen, aber es gibt keine Verstecke, die mir Schutz bieten können.
Ich bewundere das Bett, das inmitten des Pavillons aufgebaut ist. Es ist ein Bett aus massivem Holz. Hier und da sind verschiedene Ösen angebracht, augenscheinlich, um die Person auf dem Bett bei Bedarf fixieren zu können. Das Bett ist mit dunkelroten Stoffen bezogen, die orientalisch anmuten. Ich fahre mit den Fingerspitzen über das feste Material. Spüre, wie eine Gänsehaut meinen Rücken hochkrabbelt.
Das was ich hier mache, ist schlicht und ergreifend falsch. Man spioniert niemandem hinterher und ich habe das noch nie zuvor getan. Eigentlich habe ich doch bereits alles gesehen. Das Bett, die bereitgelegten Seile und Manschetten auf der schweren Kommode an der Seite, verschiedene, sauber aufgereihte Spiel- und Folterwerkzeuge. Ich habe hier nichts zu suchen.
Trotzdem muss ich die Geliebte noch sehen. Um es zu begreifen.
In diesem Moment hält ein Auto vor dem Haus. Eine junge Frau steigt aus. Sie öffnet die Tür zum Garten, geht, sich dabei nach rechts und links umsehend, zielstrebig zur Haustür und läutet. Der Mann öffnet schnell. Sie begrüßen sich kaum, denn offenbar ist ihnen bewusst, dass man sie von der Straße aus gut sehen kann. Der Mann legt unauffällig einen Arm um ihre Taille und führt sie mit sanftem Druck in den Garten, der sie zumindest vor den meisten neugierigen Blicken zu schützen in der Lage ist.
Jetzt küsst er sie.
Ich bin ehrlich überrascht, als ich bemerke, mit welcher Leidenschaft er das tut. Meine Augen werden ganz groß, als ich die Beiden beobachte. Der Mann dringt mit seiner Zunge fordernd in den Mund der Geliebten ein und während sie in seinen Armen zu Wachs zu werden scheint, greift seine Hand fest in ihre Haare und zwingt sie dazu, den Kopf in den Nacken zu legen und sich seinem Kuss anzupassen. Er strahlt schlichte Männlichkeit, reine Dominanz aus.
Ein plötzliches Geräusch lenkt mich ab.

*.*

Das Geräusch kommt aus dem Nachbargarten. Es ist ein dunkles Brummen. Ich drehe mich zur Seite, greife behutsam mit den Händen in die Hecke und schiebe die dünnen Zweige so zur Seite, dass ich in den Nachbargarten sehen kann. Für einen kurzen Moment bin ich irritiert, weil ich nur ein kleines, zartes Mädchen sehe, dass bar- und leichtfüßig über die Wiese tanzt, als ob es schweben könnte. Aber dann nehme ich im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Vor Entsetzen schlage ich die Hände vor mein Gesicht. Ein großer Braunbär nähert sich brummend dem kleinen Mädchen. Ich will schreien, das Mädchen auf die Gefahr aufmerksam machen, aber ich bleibe stumm. Intuitiv weiß ich, dass alles verloren ist. Als der Bär seine riesige Tatze hebt, schließe ich die Augen. Ich weiß, dass er das Mädchen so lange bespielen wird, bis es ganz und gar kaputt ist.

*.*

Mit Tränen in den Augen ziehe ich meine Hände aus der Hecke. Ich muss hier weg. Als ich mich umsehe, wird mir klar, dass der Mann und die Geliebte mich entdecken werden. Hastig sehe ich mich nach einem geeigneten Versteck um, aber nichts ist groß genug, um mir aussreichend Schutz zu gewähren.
Die Geliebte hat sich mittlerweile umgezogen. Sie trägt Reizwäsche aus schwarzer Spitze. Sie kniet vor dem Mann, sieht mit großen Augen zu ihm hinauf. Ich komme nicht umhin, ihre schöne Figur zu bewundern, die schmale Taille, den runden, perfekten Hintern. Es ist nicht schwer zu erraten, dass sie dem Mann gerade mit ihren feingliedrigen Fingern die Hose öffnet. Er legt ihr seine Hände auf den Hinterkopf. Schwer atmend schiebt er sich mit einem Ruck in den Mund der Geliebten hinein. Ihr Körper verkrampft ob der Tiefe seines Eindringens.
Das zu beobachten ist erregend und verletzend gleichermaßen.

Ich atme tief durch.
Knipse die Gedanken stumm.
Und laufe los.
Entschlossen.
Langsam.
Mit hoch erhobenen Kopf.
Stolz.
Durch den Garten.
Hin zum Gartentor.
Der Mann nimmt meine Bewgung wahr, sieht nach oben.
Sein Blick trifft mich.
Er spricht mich nicht an.
Folgt mir nicht.
Lediglich sein Blick ruht auf mir.
Er ist nicht überrascht mich zu sehen.

*.*

Als ich die Augen öffne, ist es dunkel. Ich brauche ein paar Minuten um mich zu orientieren. Alles ist still. Nur mein eigener Atem ist zu hören. Zu schnell und irgendwie unkontrolliert. Mein Körper ist vollkommen verkrampft. Die Glieder schmerzen vor Anspannung. Das Gesicht nass.
Das ist Loslassen, denke ich.
Selten hat sich ein Satz wahrer angefühlt als dieser.

Mit zitternden Fingern knipse ich das Licht an.
Tapse barfuß ins Wohnzimmer und greife nach dem Laptop.
Schreibe die Worte auf.
Und lasse beim letzten Satzzeichen innerlich los.

Punkt.

Kommentare

  1. Liest sich wie ein Zwiespalt zwischen Herz und ...

    M.

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    1. Tatsächlich nicht. Kein Zwiespalt. :-) Aber ich weiß, was du meinst.
      Ich hoffe, dir geht's gut...

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