Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Krafträuber

Es wird von Tag zu Tag schwieriger mit meiner Mama zu telefonieren. Sie fühlt sich sozial isoliert. Obwohl sie wenigstens noch ständig in irgendwelchen Telefon- und Videokonferenzen festhängt und eine Menge Gespräche führt, verschlechtert sich ihre Stimmung zusehends.
Ich habe das Gefühl, dass ich sie stimmungstechnisch stützen muss. Und gebe mir alle Mühe, das zu tun. Sie zum Spazierengehen zu animieren, sie zum Lachen zu bringen, ihr ein bisschen Energie zu vermitteln, sie aufzuheitern, so gut es eben am Telefon geht. Aber ich spüre gleichermaßen, dass mich das eine Menge Kraft kostet. Manchmal fühle ich mich nach unseren Telefonaten regelrecht ausgelaugt und mutlos. Als hätte sie mich meiner Kraft beraubt.
Das ist irgendwie blöd, denn ich brauche auch Kraft für mich. Das allerdings sage ich ihr nicht. Denn ich habe das Gefühl, dass sie es nicht gut verknusen würde, wenn sie erfahren würde, dass ich mit jemandem Kontakt hatte, der sich aktuell in Quarantäne befindet, weil er intensiven Kontakt zu einer Person hatte, die mit Corona infiziert ist. Also schweige ich und bleibe mit meinen Gedanken allein, bleibe still, halte mich von Menschen fern. Obwohl ich eigentlich gerne reden würde.
Über die alte Frau, die ich letzte Woche bei der Physiotherapie getroffen habe und die mir eine Gänsehaut gezaubert hat, als sie meinte, dass wir uns über Corona doch nicht zu wundern bräuchten, schließlich stünde bereits alles in der Bibel. Über den Arbeitskollegen, den ich angepöbelt habe, als er, trotz Coronaverbreitung, zu einer großen Hochzeit aufgebrochen ist und der sich jetzt in Quarantäne befindet, nachdem wir danach noch ein paar Tage zusammen gearbeitet haben. Oder über das riesige Plakat, das Unbekannte vor dem städtischen Krankenhaus aufgehangen haben: Ihr seid die Helden unserer Stadt, macht das Virus platt!
Zu schreiben hätte ich eigentlich viel. Aber irgendwie fühle ich mich gelähmt.

Kommentare

  1. Krafträuber können echt anstrengend sein. ☹

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  2. Ich wünsche dir sehr, dass du du nicht betroffen sein wirst, was das Coronavirus angeht. Dass du behütet bleibst. Dass du deine Kraft aus Dingen schöpfst die dir gut tun! ❤️

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