Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Dachfenster unserer Jugend



Mitten in der Nacht springen wir einfach um ein paar Jahre zurück. Ich lasse die Leiter herab, die auf den Dachboden führt, greife nach der Hand meines ältesten Freundes und lächle ihn, ein wenig fragend, an. Er sieht mir in die Augen und nickt. Ich fühle mich, als würde er mir direkt ins Herz sehen.

Auf dem kleinen Dachfenster liegt Staub. Meine Fingerspitzen malen Kreise hinein, als ich versuche, es zu öffnen. Es klemmt an allen Ecken und Enden. „Wir waren viel zu lange nicht mehr hier.“, stellt Harry fest und dieses Mal bin ich diejenige, die nickt. Seine Worte jagen mir einen wohligen Schauer über den Rücken. „Es wird Zeit, dass wir neue Geschichten schreiben.“, entschlüpft es mir, kontext- und gedankenlos. Er lächelt schief. 

Das Fenster öffnet sich mit einem Ruck und eine graue Staubwolke löst sich. Ich muss lachen, halte meine Finger in den Staub hinein und zerreibe ihn zwischen den Fingerkuppen. Die kalte Nachtluft schwappt in den dunklen Dachboden hinein und zaubert mir eine Gänsehaut. An den Außengriffen ziehe ich mich nach draußen. „Sei vorsichtig…“, tönt es von innen. Ich beiße mir auf die Lippen, um mir ein „Ja, ja.“ und ein Schmunzeln zu verkneifen. Wenn sich auch vieles in den vergangenen Jahren verändert hat, so ist eines stets gleich geblieben: Sein unermüdliches Bedürfnis danach, mich zu beschützen.

Ich lasse mich auf dem Dachfirst nieder und nehme die Getränke entgegen, die Harry mir reicht. Er schaltet leise Musik an, schwingt sich elegant nach draußen und setzt sich neben mich. Eine Zeit lang sitzen wir stumm nebeneinander, starren in die dunkle Nacht hinaus, spüren den Wind auf der Haut und lauschen Marie Fredriksson. In weiter Ferne, kaum noch erkennbar, leuchtet das Wahrzeichen der Stadt. Irgendwann, als die Musik verstummt, stehe ich auf. Die Welt vor meinen Augen schwankt ein wenig, aber ich lasse mich davon nicht beeindrucken. Ich schmiege mich einfach noch näher an sie heran und spüre Louis Armstrong nach, der mir auf den Lippen liegt. Erst summe ich, kaum hörbar vor mich hin, später singe ich leise. What a wonderful world.


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