Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Von der Ungewissheit

Tatsächlich zerbreche ich mir vorher den Kopf, nur um anschließend herauszufinden, dass sich alles, was zwischen uns passiert, ganz natürlich anfühlt und wie von selbst geschieht. Ich bin einfach nur zu ungeduldig.

"Speichere dir mal meine Telefonnummer ab.", bitte ich dich, als ich dich eines Tages von meiner privaten Handynummer aus anrufe. Das ist etwa zwei Wochen bevor ich mich endgültig von dir verabschiede und dir den unscheinbaren weißen Umschlag überreiche. Du reagierst, gefangen in einem wütenden Monolog über Verwaltungskram, erstmal gar nicht auf meine Worte, sondern referierst in aller Seelenruhe zu Ende und ausschweifend um noch einige andere Ecken herum. Ich lausche deinen Ausführungen, genieße sie, wohlwissend, dass ich vermutlich gerade das letzte Mal in diesen Genuss komme. Als wir kurz davor sind unser Telefonat zu beenden und ich mir längst sicher bin, dass meine Aufforderung entweder vollkommen an dir vorbeigegangen ist oder du sie lieber ignorieren willst, schlägst du einen unerwarteten Haken und deine Stimme wird ganz sanft:

"Deine Nummer speichere ich mir gerne ein, Muschelmädchen.", sagst du.

"Meld dich aber auch, wenn etwas ist.", mahne ich dich behutsam und führe vorsichtig ein paar Gründe an, aus denen du dich melden könntest.

"Das mache ich.", versprichst du.

Als wir auflegen, freue ich mich. Darüber das ich mutig war. Einige Tage später bin ich mir allerdings überhaupt nicht mehr sicher, ob du dein Versprechen wohl halten wirst. Denn mein Telefon schweigt. Keine neuen Nachrichten. Aber klar, keiner der Gründe, aus denen du dich melden könntest, sollte so früh eintreffen. Trotzdem handelst du für mich wieder einmal unerwartet. Ich war mir sicher, dass du dich melden würdest. Vermutlich mag ich dich deshalb so sehr: Weil eben nichts und keine Handlung von dir berechenbar für mich ist. Was ungewöhnlich ist. Und mich gleichzeitig völlig verrückt macht, weil es mir nicht gänzlich gelingt, dich zu greifen. Alles, was ich hin und wieder sehr deutlich spüre, sind die Mauern, gegen die ich bei dir renne. Mauern, die sich nicht speziell gegen mich richten, sondern die über Jahre gebaut wurden. Die aber doch oft regelrecht unüberwindlich auf mich wirken.

Mich nimmt dein Schweigen zunächst mit. Weil ich es nicht verstehe. Irgendwann aber begreife ich, dass ich dich und diese Situation nur annehmen kann: Ich habe mich dir ausgeliefert, hab deutlich signalisiert, was ich will. Sollte das nicht gereicht haben, liegt das daran, dass du das ganz einfach nicht willst. Und das wäre, auch wenn es etwas schmerzt, okay. Weil es deine Entscheidung ist. Ich habe alles mir mögliche dafür getan, dich nicht gehen zu lassen und kann mir nichts vorwerfen. Ich kann auch nicht mehr aktiv werden, weil ich deine Telefonnummer nicht habe. Davon abgesehen habe ich auch genug getan, um dich zu halten. An diesem Punkt ist meine persönliche Grenze erreicht. Also bleibt mir nur noch übrig zu warten, ob du mir irgendwann eine Hand reichen wirst oder eben nicht. - Diese Einsicht kommt spät, aber sie kommt und fühlt sich auf seltsame Art und Weise erleichternd an. Weil ich jetzt endlich loslassen und durchatmen kann.

Und wie das Leben so spielt, meldest du dich natürlich just in dem Moment, in dem ich nicht mehr damit rechne: Einen Tag nachdem ich angefangen habe, meinen Resturlaub abzubummeln, und eine halbe Woche, bevor wir uns zum Abschied umarmen werden. Gerade stehe ich im Garten, wässere die Pflanzen im Paradies und beobachte Alfons dabei, wie er vollkommen selbstvergessen durch das hohe Gras der Obstwiese hühnert, als mein Handy vibriert. Zum ersten Mal seit Tagen denke ich nicht an dich, sondern muss stattdessen schmunzeln, weil ich davon ausgehe, dass mich die Nachbarin aus dem Homeoffice heraus beobachtet und mir einen schönen, freien Tag wünscht. Als ich sehe, dass du es bist, der schreibt, kann ich es kaum fassen.

"Ich hab dich gespeichert. Hab eine schöne Zeit.", schreibst du. 

Fassungslos starre ich auf mein Handy, bis ich mich nicht mehr zusammenreißen kann und schließlich laut loslachen muss. Es ist wirklich unglaublich, wie sehr dieses Timing zu dir passt! Musste ich erst gehen, damit du merkst, dass ich wirklich weg bin?! Kichernd gieße ich die Blümchen. Und vielleicht tanze ich dann auch ein bisschen. Mit dem Gartenschlauch in der Hand. Weil ich mich einfach so freue, dass es dich gibt und weil jetzt gerade, in genau diesem Moment, alles danach aussieht, als dürfte ich dich noch ein wenig behalten. Und das ist einfach wirklich ganz und gar wunderbar!



Kommentare

  1. Es freut mich ungemein für Dich, dass hier kein Endpunkt gesetzt wurde und diese Verbindung weiter wachsen kann.

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    1. Dankeschön. Mich freut das auch sehr. Mal schauen, wo wir so hinwachsen. :-)

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