Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von Grauzonen

(Warnhinweis: Kein Post für Zartbesaitete)


"Ya thought you had your Mr. Right but he was really Mr. Hyde
Ya gave him your most precious gift, you were his bleeding bride
He tied you up pulled your hair, and slapped your innocent face
Yeah, you were black and blue, he laughed at you
So what'd you do?"

(Alice Cooper: Take it like a woman)

Plötzlich, ohne irgendeine Ankündigung, vollführe ich einen Zeitsprung. Ich versuche mich dagegen zu wehren, aber plötzlich ist sie da, die sich immer wiederholende Situation, in meinem Kopf, aufdringlich und widerspenstig, präsent, als wäre all das erst gestern geschehen:
Im Zimmer ist es viel zu heiß. Die Stille der Nacht dröhnt in meinen Ohren, während ich nach draußen lausche. Bis ich das Poltern seiner Schritte höre. Schwer atmend öffnet er die Zimmertür, tritt taumelnd an mein Bett, zieht sich sein T-Shirt über den Kopf und entledigt sich dem Rest seiner Kleidung. Als er zu mir ins Bett stolpert, stelle ich mich schlafend. Mit der Hand zwingt er meine Schenkel auseinander und ich drehe den Kopf weg, um seinen alkoholgeschwängerten Atem nicht riechen zu müssen. Mein Körper verkrampft, unbeweglich, starr vor Schreck, der Atem geht flach, vielleicht ein wenig hektisch, das Herz schlägt wie ein Vorschlaghammer in der Brust. Mit viel zu feuchter Zunge leckt er über meinen Hals. "Stell dich nicht so an.", flüstert er mir ins Ohr, als zwei seiner Finger grob in mich eindringen. Ich verschlucke all die Worte, den Widerstand, und liege einfach da. Stumm wie ein Fisch, steif wie ein Brett. Prüde, frigide, verklemmt. Ich denke mich raus aus meinen Köper, hinauf an die Zimmerdecke, federleicht, schwebend, gedanken-, vor allem aber gefühllos. Mit den Zähnen beiße ich mir, so fest ich kann, auf die Unterlippe. Niemand darf etwas hören.

Ich weiß nicht, welche dieser Erinnerungen sich gerade auf meinem Gesicht spiegeln. Vermutlich alle. Denn darin, Gedanken und Gefühle zu verstecken, bin ich nicht sonderlich gut. Deshalb flüchte ich aus dem Gespräch, in dem ich mich befinde, entziehe mich so schnell wie es gerade noch möglich ist, ohne dabei vollkommen unhöflich zu werden. Hoffe ich. Aber meinem Gesprächspartner steht die Irritation ins Gesicht geschrieben, als ich mich verabschiede und hastig nach draußen stürze.
Die kalte Luft holt mich sofort zurück in die Gegenwart. Heftig atmend reibe ich mir mit den Händen über das Gesicht. Konzentriere mich auf die Kälte. Intuitiv schließe ich die Augen. Das Sonnenlicht malt tanzende Sternchen auf meine Augenlider. Ich atme tief durch. Verwirrt von mir selbst. Denn es überrascht mich, dass ein einziger Blick eines Mannes, ein bestimmtes Geräusch, ein Hauch von Geruch oder eine einfache Geste dazu fähig ist, all diese Gedanken, die Abscheu, diesen unfassbaren Ekel, in mir wach zu rufen. Das ist mir lange nicht mehr passiert.
Sein "Stell dich nicht so an.", das längst der Vergangenheit angehört, klingt in meinen Ohren nach. Ich frage mich, immer mal wieder, ob er damit nicht recht hat, ob ich mich vielleicht wirklich nicht so anstellen sollte. Immerhin habe ich nie "Nein" gesagt. Kein "Lass das", kein "Hör auf", nicht ein einziges "Geh weg" ist mir je über die Lippen gekommen. Vielleicht tue ich diesem Mann, der mir zweifelsohne wehgetan hat, unrecht. Ich habe keine Ahnung, an welcher Stelle ein Übergriff beginnt, in meinem Kopf überschlagen sich die Grauzonen, wenn ich anfange, darüber nachzudenken. Und ich will mich gar nicht mehr damit auseinandersetzen. Ich bin bereit, an etwas Schönes zu denken, will mich ablenken, das Thema loslassen, möchte mich vom Leben verzaubern lassen.
Wir waren einfach jung. Vielleicht wusste er nicht, was er einmal, zweimal, unzählige Male tat.


Kommentare

  1. "Wir waren einfach jung. Vielleicht wusste er nicht, was er einmal, zweimal, unzählige Male tat."
    Ernsthaft jetzt? Mach´ es ihm nicht zu / so leicht. Und Dir nicht so schwer.
    Der Fehler lag bei ihm.


    BTW: Bin ich wieder in Deinem Spam-Ordner?

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    1. Naja. Doch, ernsthaft. Lass uns ein Gedankenspiel machen und einmal den Spieß umdrehen:
      Stell dir vor, du gehst in in irgendeinen Club feiern. Du trinkst eine Menge, lernst eine Frau kennen, findest sie toll und du gehst mit zu ihr. Als ihr bei ihr Zuhause ankommt, hast du ordentlich einen im Tee. Ihr landet im Bett. Dir ist bewusst, dass du vermutlich nicht mehr alle Signale lesen kannst, die sie sendet. Aber das ist vielleicht auch nicht wichtig, denn du fühlst dich mit ihr wohl und im Zweifel könnte sie sich ja auch jederzeit von dir abwenden. Tut sie aber nicht. Sie sagt nichts.

      Aus persönlichen Gründen habe ich die Situation im Beispiel etwas abgewandelt. Meine Situation war anders. Nichtsdestotrotz läuft es auf das gleiche hinaus.
      Ich habe Angst davor,, dass der Fehler nicht bei ihm lag. Und ganz im Ernst: Ich will nicht eine dieser Frauen sein, die nachträglich rumheult, mit dem Finger auf einen ahnungslosen Mann zeigt und ruft: "Er hat mir wehgetan." Das ist für mich ein furchtbarer Gedanke.

      Deine Mail - Danke! - hing tatsächlich im Spamordner, was seltsam ist, weil ich dich eigentlich rausgespeichert hatte. Ich melde mich dazu nochmal. Es kann aber sein, dass das zwei, drei Tage dauert.

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    2. Hmmm ... Meine Phantasie reicht da nicht aus. Ich war - gottseidank - noch nie so dermaßen besoffen beim Vögeln ...
      Wenn man(n) sich aber die Lampen ausgeschossen hat, fehlt grundsätzlich schon mal - auch ansatzweise - die Fähigkeit, gesendete Signale zu lesen. Dann ist man(n) ein Tier oder bekommt keinen mehr hoch ... (Der Grund, warum ich nie so gesoffen habe ;-) )
      Dir steht nicht "Ich bin schuld" auf der Stirn. Und Du solltest es auch nicht draufschreiben ...

      Zur Mail: Zeitraum verlängert sich bis Folgetag 13:00 Uhr ... (bevor mein Nachtrag wieder im Spamordner landet :-( )

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    3. Ich weiß nicht. Vielleicht hast du recht. Ehrlich gesagt bin ich unsicher. Es fällt mir schwer, mich dazu zu positionieren. Auch heute noch. Alles wäre ein bisschen einfacher, wenn ich klar formuliert hätte, dass ich das nicht will. Ich ärgere mich über mich selbst. Darüber das mein jüngeres Ich einfach nicht den Mund aufbekommen hat.

      Danke. :-)

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  2. Such die Schuld nicht bei Dir und es gibt keinen Grund sein Verhalten irgendwie zu entschuldigen.

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    1. Ich wünschte, ich wäre mir da so sicher, wie du es bist...

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  3. Nun ja, ich habe ja keine Ahnung, in welcher Beziehung Du zu dem Burschen standest und natürlich auch nicht, wie er die Geschichte erzählen würde, wenn er denn könnte: Aber sonderlich viel Interpretationsspielraum lässt das nach meiner Wahrnehmung nicht zu. Einer schlafenden Person die Beine auseinander zu zwingen und - womit auch immer - einfach in sie einzudringen, dann kann's im Grunde keine zwei völlig voneinander abweichenden Meinungen geben. Sollte es jedenfalls nicht. Und wenn er sagte, "Stell Dich nicht so an.", dann deutet das ja mehr als deutlich darauf hin, dass er (D)einen Widerstand wahrgenommen hat. Dementsprechend finde ich auch nicht, dass das etwas mit "Prüderie" oder "Frigidität" zu tun hat.

    Und so bin ich tendenziell auch anderer Meinung, was Dein Beispiel (im Antwortkommentar an "Horseman") mit dem One Night Stand angeht: Das ist eine andere Situation. Wenn man zusammen nach Hause geht und dann zusammen im Bett landet - und sie (oder er) dann, wenn man schon mittendrin ist und dann erst die Meinung ändert, dies aber nicht signalisiert, ist das etwas ganz anderes, als sich ohne Vorwarnung über eine schlafende Person herzumachen.



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    1. Zumindest wie er die Geschichte erzählt, kann ich auflösen: In seiner Version habe ich mir die Kleidung ausgezogen und ihn dazu aufgefordert, mich zu ficken. (Schön. An dem "ficken" - ein wörtliches Zitat seinerseits - saß ich jetzt drei Minuten, bis es mir über die Finger gekommen ist.)

      Ich störe mich - Das Thema hatten wir beide schon einmal an anderer Stelle, oder? - massiv daran, dass ich mich nicht gewehrt habe. Daran das ich nicht "Nein" gesagt habe. Denn eigentlich bedeutet das für mich im Nachgang, also: aus heutiger Sicht, dass ich geduldet habe, was er tut - ganz egal, ob er dabei grob war oder nicht. Ich bin wütend darüber. Vor allem bin ich wütend auf mich selbst. Denn dadurch, dass ich mich nicht in Form einer deutlichen verbalen oder körperlichen Reaktion versucht habe abzugrenzen, es einfach nicht geschafft habe, werde ich vermutlich noch einige Zeit damit verbringen, mich zu fragen, ob ich im Recht bin, wenn ich diese Situationen für mich selbst als Übergriff werte. Oder ob ich eine hysterische Ziege bin.
      Lieber wäre mir, ich könnte klar sagen: Er war sich darüber bewusst, dass er etwas tut, was ich nicht wollte. Dann wäre der Übergriff klar definiert und es würde mir leichter fallen, das Thema abzuhaken.

      Hm.
      Ist irgendwie seltsam, hier, in den Kommentaren, Empfindungen so klar zu formulieren.

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    2. Oh. Der letzte Satz war kein Zaunpfahl, bitte nicht falsch verstehen. Ich überrasche mich nur manchmal selbst damit, wieviel ich hier im Blog von mir preisgebe.

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    3. Zitat =Dann wäre der Übergriff klar definiert und es würde mir leichter fallen, das Thema abzuhaken.=
      Du siehst es selbst als "Übergriff" aber jemand gerechtfertigt damit zu konfrontieren (hier auf dem Blog) fällt dir schwer.
      Ändere einfach die Sichtweise: jemand erzählt dir diese Geschichte und dann würdest du doch ganz anders reagieren?
      Manche Sachen werden auch nach einiger Zeit nicht besser man kann nur besser damit umgehen. Nicht verwechseln
      viele Grüße Bea

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    4. Die Sichtweise zu ändern ist ein guter Tipp. Wenngleich mir das sehr schwerfällt, weil ich Angst habe so befangen zu sein, dass ich etwas übersehe.

      Umgehen kann ich damit.
      Darüber bin ich froh...

      Danke, Bea.

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  4. Traurig, aber wahr, dass auch im 21. Jhd. eine Vergewaltigung nur mit körperlicher Gegenwehr als solche zählt. Bis vor kurzen galt noch nicht mal ein zartes "nein".

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    1. Immerhin ist ein Fortschritt erkennbar.
      Ich glaube, dieser Kommentar hilft mir mehr, als du glaubst.
      Danke!

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