Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Zauber

„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“ 

(Joseph Freiherr von Eichendorff: Wünschelrute)

Ich denke gar nicht darüber nach. Ohne zu zögern oder ein Wort zu verlieren, verlasse ich den Weg und damit die Menschen, denen ich folge. Die blattlosen Bäume verschlucken die letzten Spuren menschlicher Gesellschaft, meine Füße versinken in Blättern und Moos und tragen mich solange voran, bis mir ein kleiner Bach den Weg abschneidet. Suchend sehe ich mich um. Und tatsächlich: Gar nicht weit von mir entfernt befindet sich eine verwitterte, grauweiße Holzbrücke. Weder ein Trampelpfad noch Fußspuren führen zu ihr hin. Es ist, als wäre sie mitten ins Nichts hineingebaut worden.

Während ich sie überquere, streichen meine Fingerspitzen behutsam über das Geländer. Meine Füße wirbeln Blätter des vergangenen Herbstes auf, die sachte in den Bach hinein segeln und sich von der Strömung tragen lassen. Ganz still ist es plötzlich. Als ich mich umdrehe und versuche, zu erahnen, woher ich komme, sehe ich durch die Spitzen der Baumkronen dunkle Regenwolken. Wie selbstverständlich beginnen sich die feinen Härchen an meinen Armen und in meinem Nacken aufzurichten. Ich fröstle leicht.

Erst als ich die Brücke verlasse und den ersten Fuß auf den Boden setze, erkenne ich, dass ich mich auf einer kleinen Insel befinde. Meine Füße rascheln leise durch die Blätter, die den Boden so dicht bedecken, als hätte das Leben in den letzten Jahren nahtlos aus einer einzigen Jahreszeit, einem einzigen großen Herbst, bestanden. Bis zur Spitze der Insel laufe ich. Vor mir führt eine steinerne, mit Moos bedeckte Treppe ins Wasser. Als hätte man die Welt, mit all ihrer Hektik und Lautstärke, hier abgeschnitten.

Und plötzlich ist es mir, als würde sich etwas verändern. Mir ist, als müsste ich nur meine Hand ausstrecken, um den Zauber zu berühren, der von diesem Ort ausgeht. Mit dem ersten Windstoß schließe ich die Augen.
Als ich sie wieder öffne, bricht die Sonne durch die dunklen Wolken. Glitzernd legt sie sich auf das Wasser und alles, was mich umgibt. Die vielen kleinen Blätter, die am Boden liegen, wirbeln auf und beginnen im Wind zu tanzen. Inmitten von allem lege ich den Kopf in den Nacken, strecke die Arme aus und lasse lächelnd los. Dem Rascheln, Rauschen und Plätschern lauschend, den Wind und die Sonne auf der Haut spürend, kann ich regelrecht spüren, wie der Frieden in mich einzieht und ich mich entspanne. Zum ersten Mal seit vielen Tagen habe ich das Gefühl, wieder frei atmen zu können. Und während ich das denke, ist mir, als würde sich hinter mir meine Villa Kunterbunt, mit den blauen Fensterläden und der roten Bank vor dem Haus, von selbst erbauen. Als könnte ich den Duft von frischem Kaffee riechen, Geschirr klappern und leise Grammophonmusik spielen hören.

Doch als ich mich umdrehe, sehe ich statt meiner Villa Kunterbunt nur eine alte Statue. Sie verschmilzt so nahtlos mit dem Hintergrund, dass sie mir vorher gar nicht aufgefallen ist. Von Wind, Regen, Schnee und Sonne gezeichnet, erkenne ich zunächst gar nicht, was sie darstellt. Erst als ich nähertrete, sehe ich drei steinernde Kinder, vertieft in sich selbst, miteinander spielen.

Ich fühle mich, als würde ich an diesem verwunschenem Ort ankommen. Ein Gefühl, das mir bleibt, lange nachdem ich mich losgerissen habe und gegangen bin. Vielleicht weil ich verzaubert bin. Bis in die letzte Faser meiner Seele hinein.




Kommentare

  1. Danke, dass Du mich mitgenommen hast, liebes Muschelmädchen. Es ist schön dort und ich glaube, wenn ich Dich dort sehen würde, könnte ich wieder an Elfen glauben.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nicht an Elfen... Eher an Pummelfeen ;-)
      Immer wieder gerne...

      Löschen
  2. Hach ... Ich könnte Dich stundenlang lesen ...
    Vielleicht bist Du eine Fee ... Aber eine Pummelfee? Niemals!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Die Wahrheit liegt vermutlich im Auge des Betrachters... ;-)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis