Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Papier

Während ich den Arbeitsvertrag mit meinem neuen syrischen Mitarbeiter bespreche, lächelt er. Zunächst schiebe ich es darauf, dass er sich darüber freut, dass wir ein Arbeitsverhältnis eingehen. Dann aber unterbricht er mich. Im absolut perfekten Deutsch wendet er sich schmunzelnd an mich.

"Im Flüchtlingsheim, wo ich wohne, gibt es einen Witz, den man sich über die Deutschen erzählt.", sagt er, "Eigentlich ist das ein Witz, der nur bei uns bleibt und den wir nicht weiter erzählen. Aber ihr Arbeitsvertrag ist so umfangreich..."
"Erzählen sie mir den Witz?", frage ich freundlich.
Er nickt.
"Aus Ländern, die man besucht, bringt man Souvenirs mit.", erzählt er, "Aus Italien bringt man zum Beispiel eine Flasche Limoncello mit. In der Schweiz kauft man Schokolade. Was aber bringt man aus Deutschland mit?"
Erwartungsvoll sieht er mich an.
Ich schüttle ahnungslos den Kopf und zucke mit den Schultern.
Er strahlt mich an.
"Aus Deutschland bringt man eine Alditüte voller Papier mit!"

Wir lachen herzlich, wobei die tiefen Lachfältchen, die sich um seine Augen ranken, tanzen. Und ich finde es irgendwie schön, dass er noch so lachen kann, so frei und unbeschwert, obwohl er in den vergangenen Jahren so viele Familienmitglieder hat sterben sehen und selbst ein Verfolgter war.
"Danke.", sagt er, als wir wieder zu Atem kommen, "Danke für den Arbeitsvertrag. Ich freue mich darauf, endlich wieder zu arbeiten."

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